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Rezensionen zu Autismusbüchern


             


Die Rezensionen als eBook oder auch gedruckt gibt es hier.

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Alle Rezensionen haben das Ziel, in knapper und prägnanter Weise eine fachliche Einordung anzubieten und ggf. eine Kaufentscheidung zu erleichtern (dazu jeweils links auf das Cover mit einem affiliate link auf Amazon klicken). 

Jedes Buch wurde für eine Rezension gelesen und ist z.T. im Online-Shop verfügbar. Zusätzlich werden auf Büchertischen ausgewählte Titel angeboten.

Cover und Link zur Bestellung
Titel und Rezension
A. Croonenbroeck und C. Dick: Dialog. Gespräche über Autismus

Dieses Buch ist wirklich etwas Neues: Es wird ein ausführliches Gespräch zwischen Croonenbroeck (Autist und Chefredakteur vom "autismus magazin"
) und Dick (neurotypisch und langjähriger Weggefährte von Andreas) aufgezeichnet. Das Genre des Interviews macht das Buch sehr lebendig, unterhaltsam und gut verständlich. Croonenbroeck steht durch seine Tätigkeit für das Autismus-Magazin in der aktuellen Diskussion auf der Höhe der Zeit, was den Text über das biografische Gespräch hinaus sehr informativ macht. Alle Fragen, die man schon immer einem autistischen Menschen stellen wollte, werden hier beantwortet.
Es geht dramaturgisch durch das Leben von Andreas, von der Kindheit über das Berufsleben bis hin zur Autismus-Diagnose und den „Begleiterscheinungen“. Die Kita-Zeit reflektiert er im Nachgang sehr genau, nun mit Kenntnis seiner Autismus-Diagnose, die er mit 37 Jahren erhalten hat. Solche Reflexionen sind ausgesprochen hilfreich für Fachleute in diesem Bereich und auch für Eltern, da sich dadurch Verhaltensweisen autistischer Kinder erschließen lassen. Hier wird außerdem deutlich, wie lebenslange Traumata aufgrund der Unkenntnis der Diagnose entstehen können. Handlung des Kindes falsch gedeutet = falsche Maßnahme ergriffen = alles wird schlimmer. Durch gutgemeinten Aktionismus kann viel Schaden angerichtet werden (S. 47). Auch der Rückblick auf seine dramatische Schulzeit birgt viele Möglichkeiten, es für zukünftige Generationen besser zu machen. So empfiehlt er zum Beispiel, dass Kinder mit einer Autismus-Diagnose nur freiwillig am Sportunterricht in der Schule teilnehmen sollten, weil das ein bekannter Ausgangspunkt für Mobbingerfahrungen ist (S. 78). Er zeigt auch auf, warum ihm zahlreiche Therapien nicht geholfen haben. Oft wurde das Gegenteil von dem erreicht, was gewünscht war.
Die Reflexion des Lebens als Erwachsener bringt auch einige klare Aussagen und Erkenntnisse. So hat Verreisen für ihn keinen positiven Aspekt, da dann alle Routinen durchbrochen werden. Die Auswirkungen seines Autismus auf sein berufliches Leben werden ausführlich erläutert und münden in seinem Weg zur Diagnose. Im Anschluss schildert er Erfahrungen mit Selbsthilfegruppen.
Als nettes Feature kann man seinen „Soundtrack zur Autismusdiagnose und danach“ als QR-Code anklicken und nachhören. Schöne Idee.
Ein abwechslungsreiches und sehr informatives Buch, dass gut lesbar ist und viele Verhaltensweisen gerade in den jungen Jahren nachträglich erklärt. Daher sowohl für pädagogisches Fachpersonal als auch Eltern sehr empfohlen.
#Croonenbroeck
Frau Tistic: Frau Tistic ist auf dem Spektrum

Rezension demnächst hier
#Tistic
Brit Wilczek: Autismus, Trauma und Bewältigung. Grundlagen für die psychotherapeutische Praxis

Diese wichtige Themenverknüpfung gibt es bisher noch nicht in Buchform und zeigt doch ein Spannungsfeld an, das eigentlich auf der Hand liegt. Um sich diesem Themenfeld zu nähern, erläutert die Autorin im ersten Buchteil das Thema Autismus sehr intensiv und in die Tiefe gehend. Die Ausführungen zum Autismus tragen dabei sehr zum Verständnis autistischer Menschen bei. Ihr Engagement für Menschen im Spektrum hat die Autorin bereits in ihrem ersten Buch „Wer ist hier eigentlich autistisch?“ deutlich gemacht.
Im zweiten Buchteil geht es um den Begriff und das Verständnis verschiedener Traumata. Auch dieser Teil ist sehr guter fachlicher Input. Die Autorin hebt dabei hervor, dass ein potenziell traumatisierungsfähiges Ereignis sich individuell sehr unterschiedlich auswirken kann. Bei einer Person führt es zum Trauma, bei einer anderen nicht.
Im dritte Buchteil werden beide Bereiche zusammengeführt und sechs Risikofaktoren für mögliche entstehende Traumata bei autistischen Menschen vorgestellt. Es wird deutlich, dass erheblich höhere Risiken für Traumata bestehen. Eine Diagnostik muss daher trauma- und autismus-sensibel sein. Allein durch die häufig schlechten Erfahrungen in der Schulzeit scheint ein Trauma kaum abwendbar zu sein. Hinzu kommt die oft fehlende Möglichkeit, ein Urvertrauen und eine Sicherheit zu anderen Menschen aufzubauen. Entweder entsteht eine Bindung, die durch das Erkennen der Andersartigkeit zerstört wird, oder es entsteht überhaupt keine Bindung z.B. zu den Eltern. An dieser Stelle fehlt es etwas an Belegen durch Studien oder Untersuchungen. Die Autorin bewegt sich im Bereich „Autismus und Trauma“ aber auf Neuland, so dass es an Nachweisen manchmal fehlen muss.
Wilczek macht bei autistischen Menschen eine hohe Resilienzfähigkeit und Stärke aus, um trotzdem im Leben zu bestehen. Die typische Fokussierung der Menschen im Spektrum blendet vielleicht vieles Negative aus, und Resilienz kann durch Analyse von Situationen entstehen. Spannende Ansätze, die durch viel Erfahrung im Praxisalltag untermauert werden. Am Ende des Buches werden Schlussfolgerungen für die psychotherapeutische Arbeit gezogen und die Notwendigkeit genauerer Beschäftigung mit diesem Themenbereich dargelegt.
Ein überaus spannendes Fachbuch, das den Zusammenhang von Autismus und Trauma erschreckend deutlich macht.
#Wilczek02
Jörg Liesegang: Ich kann das anders! Neurodiversität verstehen. 100 Karten für die Therapie mit Jugendlichen und jungen Erwachsenen

Was für eine tolle Idee: Diese 100 Karten bieten eine schier unerschöpfliche Anzahl an Fragen und Gesprächsanregungen. Das Thema Neurodiversität und die Arbeit mit vor allem neurodiversen jungen Menschen braucht neue Impulse, um ins Gespräch zu kommen. Die in 10 Module aufgeteilten Fragen- und Themenkomplexe machen das leicht und – bei Bedarf auch spielerisch – möglich. Junge Menschen haben „so ein Gefühl“, oder „wissen auch nicht, wie sie es beschreiben sollen“, „können etwas nicht in Worte fassen“: Für alles kann man dieses Kartenset nutzen. Damit kommen Sie ganz sicher ins Gespräch – sowohl in kleinen Gruppen als auch im Einzelsetting. Das 24seitige Booklet beschreibt den theoretischen Hintergrund und die Einsatzmöglichkeiten. Wobei auch das nur Anregungen sind, weil alle Menschen eingeladen sind, die Karten neu und ideenreich zu nutzen. Eine Karte zum Frühstück neben dem Teller, eine Karte ziehen oder ziehen lassen, einen Modulkomplex auswählen – alles ist möglich.
Die 100 Fragen der Kartenvorderseiten werden auf der Rückseite erläutert, mit Informationen ergänzt, mit Anregungen oder Aufgaben erweitert. Wobei bei den Erläuterungen auf der Rückseite bewusst auch manchmal Fachvokabular verwendet wird: Der Autor möchte die Welt nicht einfacher machen, als sie ist. Darüber hinaus lernen die jungen Menschen dabei, mit diesem Vokabular umzugehen, auf das sie in ihrem kommenden Lebensweg immer wieder treffen werden.
Das Kartenset ist für alle Menschen geeignet, wenngleich es für therapeutische und pädagogische Settings sicherlich am besten einsetzbar ist. Aber auch Eltern und generell an diesem Thema interessierte werden davon profitieren.#Beltz-Karten
Lindmeier u.a. (Hrsg.): Neurodiversität und Autismus

Dieses Buch ist das erste zu dieser Kombination und ein hervorragendes Grundlagenbuch. Wer sich mit der Thematik „Neurodiversität und Autismus“ beschäftigen möchte, kommt an diesem Buch nicht vorbei. Es ist in drei Bereich unterteilt. Der erste Teil widmet sich den wissenschaftlichen Grundlagen, der Begriffsklärung und Ableitung und dem geschichtlichen Hintergrund. Der zweite Teil beschäftigt sich mit dem Bereich Neurodiversität und Schule. Dieses Schwerpunktthema ist vermutlich gewählt worden, weil es im Zusammenhang mit Schule schon zahlreiche Forschungen und Erkenntnisse gibt. Der dritte Teil widmet sich der partizipativen Autismusforschung.
Als besonderer Aspekt des Buches tragen zahlreiche autistische Menschen Aufsätze zu diesem Werk bei. Das macht das Buch spannender und lebendiger. Hier sind die Beiträge von Imke Heuer und Hajo Seng zu nennen, die auf der letzten Bundestagung von Autismus Deutschland erstmalig einen gemeinsamen und sehr abwechslungsreichen Eröffnungsvortrag gehalten haben. Die Geschichte der autistischen Selbsthilfe in Deutschland im dritten Buchteil wurde das erste Mal so umfassend vorgestellt. 
Der geschichtliche Hintergrund für eine vermeintlich neue Debatte ist immer wichtig, um die Intention zu verstehen. Dass die Auseinandersetzung mit der Thematik im Bereich der Schule schon so umfangreich zu dokumentieren ist, hat mich gewundert und erfreut - wobei zweifellos noch mehr zu tun ist, als bereits getan wurde. Dass die partizipative Autismusforschung Eingang in das Buch gefunden hat, mag auch mit dem neuen Ansatz einhergehen, dass autistische Menschen an allen sie betreffenden Diskussionen und Forschungen sinnvollerweise zu beteiligen sind.
Dieses Fachbuch ist der erste Band der Reihe "Pädagogik im Autismus-Spektrum", die es sich zum begrüßenswerten Ziel gesetzt hat, zu allen relevanten Themenbereichen des Spektrums Aufsätze und aktuelle Erkenntnisse zusammenzutragen.#Lindmeier01
Ulrike Funke: Interaktion und Kommunikation im Autismus-Spektrum. 2. Aufl.

Vier Jahre nach der Erstauflage wurden in der Neuauflage vor allem wesentliche Formulierungen verändert – bis hin zum Titel des Buches. Wie gut, dass sich in recht kurzer Zeit das Bewusstsein für eine neue Sprachwahl durchsetzen konnte. So wurde nach Möglichkeit auf den Begriff der „Störung“ verzichtet und der Fokus auf das Verstehen und Unterstützen von Menschen aus dem Spektrum gerichtet.
Das Fachbuch beschreibt das Konzept Komm!ASS und es macht Spaß, das Buch zu lesen. Denn hier geht es um das Wahrnehmen, die Einfühlsamkeit, die Wertschätzung auch von kleinsten Erfolgen und um Verständnis – es ist positiv und nicht defizitorientiert ausgerichtet. Im Wesentlichen richtet es sich an jüngere Kinder, meist nonverbal oder mit geistiger Behinderung, aber vieles lässt sich auf erwachsene autistische Menschen übertragen. Auch Personen mit anderen Diagnosen können von den Ideen des Buches profitieren: Z.B. Menschen mit (selektivem) Mutismus, FAS oder auch ADHS.
Da wäre vor allem die Vorstellung der Wahrnehmungssysteme und der unterschiedlichen Reize. Übungen und Hinweisen zur Verbesserung des Umgangs mit Reizempfindlichkeiten bieten einen ideenreichen Werkzeugkasten für die pädagogische Arbeit an. In den zahlreichen Fallbeispielen ist es faszinierend, wie das Team in ungewöhnlichen und stressigen Situationen Reize setzt, die den Kindern bei der Regulation helfen.
Unbedingte Empfehlung für Ergo- und Logotherapeuten, die mit AutistInnen arbeiten – aber auch für Eltern und Pädagogen, die unterstützen möchten. Sehr schön, dass hier ein kompletter Therapieansatz ausführlich beschrieben wird, um selbst diesen positiven Ansatz weitertragen und –nutzen zu können. Therapiebausteine, Entwicklungsverläufe, Einblick in die ersten Therapiestunden und ganz viel praktisches Handwerkzeug tragen dazu bei.
Der Befundbogen, der die Grundlage für eine genaue Beobachtung bildet, findet sich am Ende des Buches und als Download im Zusatzmaterial.#funke3

Ulrike Funke: Kinder im Autismus-Spektrum verstehen und unterstützen. Ein Wahrnehmungswegweiser für Eltern und Begleitende (2. Aufl.)

Es ist schon faszinierend, wie detailliert sich die Autorin mit dem Bereich der Wahrnehmung auseinandersetzt. Hier ist so etwas wie eine Wahrnehmungs-Bibel entstanden, die schnell eine 2. Auflage erhalten hat. Das Fachbuch geht auf alle Sinnessysteme ein, auch denen, den bisher wenig Aufmerksamkeit in diesem Zusammenhang geschenkt wurde, wie z. B. dem Gleichgewicht oder den inneren Organen. Reizempfindlichkeiten wie Riechen, Schmecken, Hören, Sehen und Fühlen sind oft Thema im Zusammenhang mit Autismus. Die zahlreichen, jeweils zu berücksichtigenden Facetten werden hier umfassend aufgeschlüsselt.

Menschen aus dem Spektrum zu verstehen, ist oft ein langwieriger Prozess. Dabei hilft manchmal auch bewusst erzeugter Zufall, um herauszufinden, was hilfreich ist und was nicht. „Werden Sie zum Entdecker für und mit Ihrem Kind“ (S. 30) trifft es dabei sehr gut.
Die zahlreichen Fallbeispiele kommen meist aus dem Bereich der Diagnose „frühkindlicher Autismus“ und beinhalten jeweils einen Erklärungsversuch und mögliche Hilfestellungen. Umso geringer der Intellekt und die sprachliche Ausdrucksfähigkeit ist, desto schwieriger ist die Deutung der Verhaltensweisen bzw. der entsprechenden Wahrnehmung, die zu einer Verhaltensweise führt. Ein interessantes Fazit der Autorin ist, dass das Minimieren von Reizen für Menschen aus dem Spektrum keine Lösung ist, sondern im Gegenteil sollte man Reize nutzen, um in Kontakt treten zu können. Immer individuell, immer passend. Dieses Buch ist die perfekte Anleitung dazu.#Funke2
Fabian Hoff: Schulbegleitung und Autismus

Hunderte autistische Schülerinnen und Schüler bekommen eine Unterstützung in der Schule. Umso wichtiger, dass dieses Thema einen eigenen Buchtitel erhält. Der Autor dieses Werkes ist kein Unbekannter, denn Hoff ist schon lange in der Selbsthilfe-Szene im Autismusbereich unterwegs und hält Vorträge. Da er selbst als Schulbegleiter arbeitet, bringt er das umfassende Wissen für dieses Buch mit.
Das Buch ist in einem fachlich aktuellen und lockeren Ton geschrieben, was es gut lesbar macht. Zu Beginn werden verschiedene Theorien zum Autismus eingängig erläutert und schon früh der Unterschied zwischen der „autistischen und neurotypischen Kultur“ herausgearbeitet. Die Besonderheiten einer anderen Wahrnehmung und die Notwendigkeit, den Fokus auf die Beobachtung der Schüler und Schülerinnen zu legen, wird betont.
Im zweiten Teil des Buches, werden Praxisbeispiele vorgestellt und Handlungsmöglichkeiten erörtert. Immer hilfreich für Schulbegleiter ist es zum Beispiel, sich in die Schulthemen und auch die möglicherweise vorhandenen Spezialinteressen der Kinder einzuarbeiten, um gute Anknüpfungspunkte in der Beziehungsarbeit zu entwickeln.
Möglichkeiten von Strukturierungshilfen werden in verschiedenen Varianten vorgestellt und auch die Anwendungsmöglichkeiten beispielhaft erläutert. Insgesamt für alle, die mit dem Thema Schulbegleitung beschäftigt sind, und vielleicht sogar erst am Anfang ihrer Arbeit in diesem Bereich stehen, ein sehr hilfreiches und gut verständliches Fachbuch. #Hoff
Tony Attwood: Mit Asperger Syndrom im Job 

Endlich ist das Thema „Autismus und Arbeit“ auch bei dem bekannten Experten mit einem extra Buch angekommen. Das 7-Schritte-Programm ist ein sehr durchdachtes und in die Tiefe gehendes Programm, was am besten mit einem Freund/ Mentor/ Coach oder gleich im therapeutischen Rahmen bearbeitet werden sollte. Ursprünglich war es für Kleingruppen gedacht. Das Buch besteht zum großen Teil aus Fragebögen, die beantwortet und ausgewertet werden können. Der Programmaufbau ist sehr detailliert und kleinschrittig und spart auch unangenehme Fragen nicht aus. Viele werden die Arbeitgeber-Broschüre von Autworker kennen, die sehr hilfreich ist. Das Programm von Attwood ist eine deutliche Erweiterung der Idee, eigene Fähigkeiten und Fragen zu den Bereichen „Arbeitsaufnahme“ und „in Arbeit bleiben“ herauszufinden. Ziel ist es, ein möglichst passendes und angemessenes Arbeitsleben führen zu können.
Es geht dabei um Stressbewältigung, Sensorik, soziale Schwierigkeiten, Steigerung des Selbstbewusstseins etc. Als besonders tiefgehend empfand ich die „Werkzeuge zu nicht hilfreichen Denkmustern“. Hier werden auf eine sehr direkte Art und Weise die Gedankenkarusselle, die sich oft im Kopf abspielen und die unendlich viel Energie fressen, angegangen. Ein Mentor/ Coach etc. ist insbesondere für diesen Abschnitt sehr zu empfehlen. 
Das sehr intensive 7-Schritte-Programm ist eine hervorragende Grundlage, auf dem 1. Arbeitsmarkt anzukommen und dort auch zu bleiben – es erfordert aber auch viel Engagement und Mittun.
Schön wäre es gewesen, wenn die Fragebögen als PDF zum Download zur Verfügung gestanden hätten. Im Online-Begleitmaterial befinden sich zahlreiche Videos von Attwood und seiner Co-Autorin. Und wer schon immer mal eine Meditation von Attwood gesprochen habe wollte: Auch die ist dabei (auf Englisch). Das Literaturverzeichnis wurden dem deutschen Markt leider nicht angepasst. #attwood-job
Laura Baldini: Aspergers Schüler

Was für ein spannendes Buch! Dass die Geschichte um Hans Asperger sogar eine bekannte Romanautorin inspiriert, fand ich überraschend. Dass sie auch Gedanken aufnimmt, die mich schon länger beschäftigen, war faszinierend. Wenn man viele Bücher über Autismus liest (z.B. Silberman „Geniale Störung“, Edith Sheffer „Aspergers Kinder“) kommt man auf die Verbindung zwischen Asperger und Kanner, beides Begründer der Autismus-Diagnosen. Das liegt vor allem an Anni Weiß und Georg Frankl, die 1934 und 1937 in die USA emigrieren mussten. Dass Lorna Wing die Arbeiten von Asperger wiederentdeckt hat ist ein weiterer Baustein, den Baldini gekonnt in ihre Geschichte einwebt.
Die spannende Recherche nach dem Namensgeber der Diagnose im Jahr 1986 und den nazibraunen Zeiten in Österreich 1932-1943 bilden den Rahmen der verschiedenen Handlungen. Besonders bei der Beschreibung der von Asperger untersuchten Kinder kommt der Autorin ihre eigene, 15jährige Erfahrung in der Arbeit mit autistischen Kindern zugute. Sie kann die Gefühlswelt der kleinen Autisten ausgezeichnet beschreiben.
Hier ist ein Roman entstanden, der mehr reale Personen miteinander verbindet, als Fiktion ergänzt. Fachlich ausgezeichnet wird hier ein Kapitel der Nazi-Zeit behandelt, was uns das Grauen deutlich vor Augen führt und eine Mittäterschaft auch von Hans Asperger diskutiert – mit einem sinnvollen Ende, dem ich hier nicht vorgreifen werde. Es bleibt ein Roman und kein Fachbuch, trotzdem sei es auch Fachleuten als spannende Lektüre empfohlen.
(Übrigens hat Theunissen in „Autismus und Herausforderndes Verhalten“ Weiss und Frankl als Erstbeschreibende gewürdigt und Robison („Schau mich an!“) bezeichnet Frankl als „Asperger’s teacher“).#baldini
Gee Vero: (M)ein autistisches Kind kommt in die Kita

Der „Ratgeber für Eltern und pädagogische Fachkräfte“, wie der Untertitel des Buches lautet, richtet sich sprachlich an Angestellte in Kitas – sie werden direkt angesprochen. Das verleiht dem Buch eine persönliche Note. Es ist aber genauso gut für Eltern und Fachkräfte aus anderen Bereich geeignet, um Verständnis und Förderempfehlungen für kleine Autisten und Autistinnen zu schaffen. „Sein Sie eine Brückenbauerin, denn Gräben gibt es schon genug“ ist eine schöne Formulierung für die Aufgaben der Menschen, die in Kitas arbeiten. Auf den intensiven und grafisch gut gestalteten Buchseiten haben Lesende den Vorteil der doppelten Erfahrung: Die Autorin ist Autistin und kann sich an ihre Kita-Zeit hervorragend erinnern. Zusätzlich hat sie einen autistischen und nonverbalen Sohn, der sich schwer kommunikativ erreichen lässt und aus dessen Erlebnissen sie berichten kann.
Für Gee Vero geht es vor allem um Unterstützung bei der Wahrnehmung: „Wenn Sie die Wahrnehmung verändern, dann verändern Sie das Verhalten“ (S. 85). Wenn keine Angst mehr entsteht, weil vielleicht das Fenster geöffnet wird oder jemand in den Raum kommt, sind die kleinen Menschen nicht mehr im Gefahr- oder Flucht-Modus, sondern entspannter. Sie stellt ihr eigenes Selbsthilfeprogramm vor, um die verantwortliche Hirnregion, die Amygdala, „umzuprogrammieren“.
Ein Buch mit vielen Einblicken in das Leben der beiden und dazu ein sehr fachliches Buch. Zahlreiche Hinweise, wie sich der Kita-Alltag für autistische Menschen besser gestalten lässt, geben Mitarbeitenden in Kitas sehr viel Handwerkszeug mit auf den Weg.#VeroKita

Ulrich Merkl: Die unglaubliche Welt genialer Menschen mit Autismus

Das Buch ist faszinierend und ein überaus interessanter Lesestoff: Aus 58 Biografien von weltbekannten Menschen, die der Autor dem Autismus-Spektrum zuordnet, entsteht eine spannende Geschichtslektüre von 1726 bis in die Gegenwart.  Wichtige Erfindungen, philosophische Erkenntnisse, künstlerisch Herausragendes und naturwissenschaftlich Bedeutendes:  Die letzten Jahrhunderte waren geprägt von Menschen aus dem Spektrum, die der Autor in der Reihenfolge des Erscheinens geschickt mit der Geschichte verwebt. Bei jedem einzelnen ordnet er Auffälligkeiten im Verhalten und Konsequenz in der Durchführung den Eigenschaften zu, die dem Asperger-Autismus nachgesagt werden. So entsteht ein lehrreiches Buch mit vielen neuen Einzelheiten zu Personen und Ereignissen der letzten Jahrhunderte. Dabei schlägt er problemlos den Bogen von Mozart zum aktuellen Arbeitsmarkt und den Schwierigkeiten, die Autisten bei der Jobsuche haben. Im Ton manchmal auch angenehm flapsig und direkt.
Der Autor kennt sich im Spektrum aus, hat selbst eine Diagnose und führt nicht weniger als 752 Fußnoten an, die z. T. ausgesprochen ausführlich sind. Er kennt sich mit der Vielfalt des Autismus aus (jeder Autist in anders), und trotzdem wählt er laufend absolute Formulierungen (z.B. „Autisten glauben alles“ (Pos. 2339/ S. 179)). Damit werden Fachleute zurecht ihre Schwierigkeiten haben, hier hätten besser durchgängig relativierende Formulierungen gewählt werden können.
Es gilt in Fachkreisen als unseriös, postume Diagnosen zu stellen. Auf der anderen Seite ist es klar, dass es Autismus schon immer gibt – auch als noch keine Diagnosen möglich waren. Ob der Autor hier nun allen vorgestellten autistischen Menschen korrekt eine Diagnose zuweist, belegt er mit zahlreichen Indizien. Am Ende bleibt es dem Leser überlassen, wie er die Auswahl bewertet.
Insgesamt ein beeindruckendes Werk, insbesondere, wenn man es nicht nur mit einer streng fachlichen Brille liest. Autistische Menschen verändern die Welt – schon immer.
#Merkl
Peter Vermeulen: Autismus und das prädiktive Gehirn

„Unser Gehirn mag keine Überraschungen“ – deshalb prognostiziert es das kommende Geschehen. Dass es so ist, warum es so ist und was das für unsere Wahrnehmung bedeutet, beschreibt Vermeulen anhand zahlreicher Forschungsergebnisse der letzten Jahre. Der Fundus an Studien, auf die er zurückgreift, scheint unerschöpflich. Und wenn sich die Gelegenheit bietet, führt er selbst Untersuchungen durch, die er mit einer Prise Humor vorstellt.
Das autistische Gehirn unterscheidet sich auch im Vorhersagevermögen von anderen Gehirnen. Ein Autist erlebt dadurch mehr Überraschungen, was zu Überforderungen führen kann. Daraus schließt der Autor (und belegt es mit Studien), dass nicht die Reize an sich autistische Menschen stressen, sondern die Unvorhersehbarkeit und damit die Intensität des Reizes. „Autistische Gehirne sind nicht empfindlicher für Licht, Geräusche oder Gerüche“ (S. 72). Das ist eine steile These, die nicht haltbar bleiben wird. Er untermauert seine Aussagen mit Forschungsergebnissen, die aber jeder Erfahrung autistischer Menschen zuwiderläuft (es gibt auch Menschen, die dem Klimawandel wiedersprechen und das vermeintlich belegen können). Der Autor fordert zu anderer, nämlich kontextbezogener Unterstützung auf. Weg von Kopfhörern und Sonnenbrillen, hin zu kontextbezogenem Kompetenztraining. Das ist eine zu starke Zuspitzung, die zu Recht auf Widerstand stößt. Die grundsätzlichen Erkenntnisse zum prädiktiven Gehirn in Therapien und Trainings einzubauen, ist sicher eine gute Idee. Zu einem Paradigmenwechsel wird es nicht führen, denn Sonnenbrillen und Kopfhörer bleiben für viele autistische Menschen die einzige Möglichkeit, starke Reize zu ertragen.
Ein spannendes und lehrreiches Buch, dass Diskussionen entfachen wird und neue Anregungen für Unterstützung und Therapien für autistische Menschen bedeuten kann. In den letzten 20 Jahren haben wir zahlreiche Theorien kommen und gehen sehen. Diese wird in der zugespitzten Form sicher wieder gehen. Das prädiktive Gehirn bleibt.
Eine auch für Nicht-Fachleute gut lesbare Lektüre.#VermeulenPraediktiv

Gee Vero: (M)eine andere Wahrnehmung

Gee Vero kann komplizierte Dinge in gut zu verstehende Vergleiche und Bilder fassen, so dass man sich das autistische Denken und Fühlen gut vorstellen kann – auch wenn es nie möglich sein wird, wie ein anderer Mensch zu empfinden. Sie hält zahlreiche Vorträge und hat vieles daraus hier im Buch untergebracht. Das ist ein großer Vorteil, denn es sind so viele originelle Vergleiche, die während eines Vortrags nicht zu behalten sind.
Neben ihrem eigenen Autismus berichtet sie immer wieder von ihrem autistischen Sohn, der nonverbal ist und der sich und seine Bedürfnisse nur schwer mitteilen kann. Das verdeutlicht die Bandbreite des Spektrums und schafft mehr Verständnis für die unterschiedlichen Ausprägungen.
Die Autorin kann Wahrnehmungen faszinierend gut reflektieren und kennt sich zudem mit den Funktionsweisen des Gehirns bestens aus. Flucht, Kampf oder Starre – das sind die Optionen, die in unterschiedlicher Intensität die Antwort auf eine bedrohliche Wahrnehmung sind. Und was bedrohlich wirkt, liegt im Auge des Betrachters. Was für Nicht-Autisten nicht bedrohlich wirken mag, kann bei Menschen aus dem Spektrum ganz andere Reaktionen hervorrufen.
Die Fähigkeit von Nicht-Autisten, sich fast automatisch in andere hineinzuversetzen (Theorie of Mind) funktioniert nicht in Hinblick auf autistische Menschen und kann Irritationen auslösen: Eine richtige Sichtweise, die durchdacht werden sollte.
Zahlreiche weitere Kernthemen des Buches werden auch visuell hervorgehoben und machen es ausgesprochen lesenswert. Ihr authentischer Schreibstil ist dabei sehr hilfreich und macht das Buch zu einer Fundgrube des Verstehens.#VeroWahrnehmung

=""> Daniela Schreiter: Lisa und Lio 2

Die Fans haben den 2. Band schon lange erwartet und waren gespannt auf die nächste Geschichte von Lisa und dem Alien-Fuchs. Nach der Einschulung in der vorigen Geschichte geht es nun auf die erste Klassenfahrt. Als Autistin ist das für Lisa zu unvorhersehbar und dadurch angstbesetzt: Alles wird neu sein, andere Räume, Essen, Gerüche und fehlende Rückzugsräume. Lio ist dabei eine echte Hilfe, kommt er doch in verschiedenen Gestalten einfach mit.
Als Lisa vor Antritt der Busfahrt erfahren muss, mit wem sie ein Zimmer teilt, wird sie leicht panisch und auch das erste Essen ist erwartungsgemäß furchtbar. Wie gut, dass ihre Mutter Lisa noch ein Essenspaket mitgegeben hat.

Wieder zeigt Daniela Schreiter in ihren Zeichnungen sehr einfühlsam, wie sich eine Autistin fühlt – und auch, wie man sie unterstützen kann. Der 2. Band ist ein Mutmach-Buch, aus dem Eltern, Lehrer und Pädagogen auf leichte Weise Fachwissen vermittelt bekommen. Und auch AutistInnen können mit dieser schönen Geschichte erleben, dass sich Schwierigkeiten meistern lassen.#lio2

Stephanie Meer-Walter: Autistisch? Kann ich fließend! Eine Übersetzungshilfe

Beim Titel denkt man an Sprache, vielleicht an den Umgang mit Ironie (besser nicht), an eine blumige Ausdrucksweise (auch nicht) und an notwendige Klarheit (so ist es richtig): Aber das Buch ist viel mehr. Es deckt alle Aspekte des autistischen Seins ab und beschreibt sie in einer überraschend persönlichen und berührenden Offenheit. Das Gefühl mit einer Diagnose „plötzlich nicht mehr als normal zu gelten“, den Umgang mit Reizfilterschwächen, Motorik, Sprache und Energiehaushalten – das Buch beleuchtet fachlich hochwertig und sprachlich sehr gut verständlich alles, was man über Autismus wissen muss.
Das Gehirn von AutistInnen ist anders verdrahtet – also muss man auch anders lernen. So offensichtlich, so selten umgesetzt. Die Kommunikation ist anders („autistisch“) – zum Erlernen gibt es eine Anleitung (S. 120). Die zahlreichen Themen können bei Bedarf durch Hinweise auf weitere Bücher, Websites oder Artikel vertieft werden. Der Untertitel „Wie sich Autismus anfühlt und was die Wissenschaft darüber weiß“ beschreibt den Bogen zwischen gut lesbarer Literatur für AutistInnen, deren Umfeld und Fachleuten sowie den handfesten Erkenntnissen, die nachzulesen sind.
Gerade für erwachsene AutistInnen, Spätdiagnostizierte und Menschen, die mit Personen aus dem Spektrum zusammenleben oder arbeiten ist das Buch eine sehr hilfreiche Unterstützung, die fachlich und persönlich in die Tiefe geht.#meer-walter4
C. + K. Götze: Bingo mit Zora. Leben mit Autismusbegleithund

Eine herausragende Erscheinung am Bücherhimmel! Das Buch ist fachlich hervorragend, erzählt eine intensive Geschichte und fasst alle Aspekte zum Thema Assistenzhunde zusammen. Bevor es um Zora, die Assistenzhündin geht, beschreibt Kiya ausgesprochen reflektiert ihre Lebensgeschichte. Sie ist Autistin, Synästhetikerin, hat Depressionen und Panikattacken. Sie kann ihre Reizempfindlichkeiten und Wahrnehmungen auch rückblickend aus Kindertagen reflektieren und damalige Wünsche heute benennen – ein großer Vorteil für Menschen, die Kinder mit ungewöhnlichen Verhaltensweisen verstehen lernen möchten.
Für den Hund muss Kiya viel Verantwortung übernehmen – auch in der anstrengenden Welpenzeit – Prüfungen absolvieren und gegen ihre Zweifel ankämpfen. Beeindruckend, wie Zora als äußerlicher Reizfilter dient, Stresslevel riechen kann, Führung übernimmt und Panikattacken vermeiden hilft. „Wenn ich nicht weiß, wie ich drauf bin, muss ich nur Zora angucken. Wenn sie nervös ist, dann ist irgendetwas mit mir. (…) Durch Zora lerne ich mich selbst besser verstehen“ (S. 77) – „Ein menschlicher Assistent oder auch technische Hilfsmittel könnten das niemals leisten“ (S. 105).
Die Autorinnen geben rechtliche und finanzielle Hinweise, beschreiben den täglichen Umgang mit der Hündin in Einkaufsläden und Behörden. Mittlerweile lebt Kiya in einer eigenen Wohnung mit Zora. Die Hündin fördert Kiyas Möglichkeiten der gesellschaftlichen Teilhabe und steigert z. B. auch ihre Flexibilität. Eine echte Erfolgsgeschichte und sicherlich eine gute „Begründungsliteratur“ für eigene Anträge: Mit diesem Buch kann man das Thema „Assistenzhunde“ bestens verstehen.
Neben den fachlichen Highlights ist das Buch brillant illustriert und spiegelt die hochwertigen Texte mit beeindruckenden Bildinterpretationen. Ganz sicher das neue Standardwerk im Bereich Assistenzhunde.#zora

Ellen Notbohm: 1001 Ideen für den Alltag mit autistischen Kindern und Jugendlichen

Eintausend und eine Idee hört sich viel an – das Buch ist tatsächlich noch viel mehr. Erwartet habe ich einen Katalog mit unendlich vielen Vorschlägen zu Spielen und Freizeitgestaltung. Im Ergebnis liegt ein Fachbuch vor, dass neben zahllosen Ideen immer den ausführlichen Fachhintergrund hochwertig erläutert und plausibel macht. Im Vorwort weist Temple Grandin darauf hin, dass es eine unerschöpfliche Suche nach Ideen benötigt, um ein Kind mit Autismus zu fördern. Diese Ideen findet man in diesem Buch und zwar modern und nicht defizitorientiert, worauf Theunissen in seinen einleitenden Worten hinweist. Viele der ungewöhnlichen Tipps dienen zur „sensorischen Integration“, damit erlernt werden kann, was am besten gespürt, gerochen, gehört und gesehen werden kann. Eingenähte Stimming-Tools sind nur ein kleines Beispiel der ungewöhnlichen Ideen. Eltern müssen „Detektive für ihre Kinder sein“, herausfinden, was beruhigen kann, was entspannend wirkt, damit keine Overloads ausgelöst werden. Verhalten ist Kommunikation. Das bloße Unterbinden unangemessener Verhaltensweisen ist nicht genug. „Negative Verhaltensweisen müssen durch geeignete Alternativen ersetzt werden, die die gleiche Funktion erfüllen, bevor ein Lerneffekt eintritt – egal ob sozial, kognitiv oder emotional“ (103).
Über das Inhaltsverzeichnis kann man sich einzelne Bausteine herausgreifen, die aktuell von Interesse sind. Aber auch das zufällige Aufschlagen einer Seite kann überraschende Erkenntnisse bringen, weil überall neue Ideen versteckt sind. Ein hervorragendes Buch für Eltern, Therapeuten, Lehrer und pädagogische Kräfte: Eine unerschöpfliche Quelle für Arbeit und Alltag. #Notbohm1001
Ellen Notbohm: 10 Dinge, die autistische Kinder ihren Eltern sagen möchten

Notbohm ist Mutter zweier Söhne, der eine – Bryce – hat eine Autismusdiagnose, der ältere ADHS. Ihre Bücher zum Thema Autismus sind weltweit Bestseller, wurden in über 20 Sprachen übersetzt und vielfach ausgezeichnet. Die 10 Fragen spiegeln die 10 wichtigsten Aspekte des Autismus wider, die für Eltern (überlebens-)wichtig sind zu wissen. Das geht von Kommunikation über „originelles“ Verhalten bis zu Meltdowns, Reizempfindlichkeiten und dem wörtlichen Sprachverständnis. Alle Aspekte führt die Autorin praxisnah mit Beispielen ihres Sohnes aus, erläutert durch Anekdoten und macht das Buch so leicht und flüssig lesbar und interessant. Bryce ist dabei ihr Übersetzer, lehrt sie Achtsamkeit und die Nuancen der autistischen Sprache.
„Die größte Tragödie für ein autistisches Kind wäre, Erwachsene um sich zu haben, die es für eine Tragödie halten“ (S. 136) trifft dabei die Grundeinstellung der Autorin ganz hervorragend: Eltern müssen sich kümmern, verstehen und angemessen reagieren. Das ist oft schwer, aber der einzig erfolgreiche Weg, perspektivisch und positiv mit dem Kind umzugehen und es zu einer starken Persönlichkeit heranwachsen zu lassen. Das letzte Kapitel ist direkt an die Eltern gerichtet und fragt, wie es den Eltern nach der Lektüre geht. Eine schöne Form der Reflexion und der aktuellen Bestandaufnahme.
Ein Buch das Eltern Mut macht und viel erklärt. Ein Buch für Fachkräfte, um die Welt des Autismus grundlegend zu verstehen. Die eBook-Ausgabe ist kostenlos im Kaufpreis des gedruckten Buches enthalten und eine sehr hilfreiche Zugabe. Klare Kaufempfehlung. #Notbohm10

Deslauriers, Després: Levi blüht auf: Autismus, was ist das eigentlich?

Dieses schöne Kinderbuch hat seinen Ursprung in Kanada und wurde aus dem Französischen übersetzt. Gefühlvoll wird beschrieben, wie und warum Levi in der Schule aneckt – und dass er selbst damit auch nicht immer glücklich ist. Beim Ausflug in den Botanischen Garten kann er sein Spezialinteresse nutzen und auch seine kleine Freundin beeindrucken. In dem gut vorlesbaren und reich bebilderten Kinderbuch wird das Wort „Autismus“ nicht erwähnt, was ich bei Kinderbüchern sehr gut finde. Verhaltensweisen werden erläutert und sogar unterstützende Hilfen dargestellt, wie z. B. die Schulsozialarbeiterin oder eine verständnisvolle Lehrerin.
Kostenlos zum Buch dazu gibt es ein 12-seitiges pädagogisches Onlinematerial, das heruntergeladen werden kann. Nach einer fachlichen Ausführung zum Thema Autismus (von Silke Lipinski), werden die autistischen Merkmale im Buch herausgestellt. Im Anschluss gibt es zahlreiche Hinweise, wie das Buch für Unterricht oder Kita aufbereitet und verwendet werden kann – bis hin zu einem Ausmalbild am Ende des Materials. Ein deutlicher Mehrwert für das Buch, dass sich so hervorragend im pädagogischen Alltag einsetzen lässt. Die stabile Buchbindung macht es einsatzfähig und langlebig für Kindergruppen oder Arztwartezimmer.
#Levi

Candler/ Neu: Zirkus im Kopf. Diagnose: Autismus-Störung. Der tägliche Kampf im System.

PDA heißt ausgeschrieben Pathological Demand Avoidance und bedeutet eine pathologische Verweigerungshaltung. Eine offizielle Übersetzung des Begriffs auf Deutsch gibt es nicht – vielleicht, weil sonst sehr viele Eltern ihre Kinder in dieser Diagnose wiedererkennen würden. Die Auswirkungen gehen allerdings über die üblichen „Trotzphasen“ eines Kindes deutlich hinaus. Verstanden wird PDA als „Profil einer Autismus-Spektrums-Störung“ – es ist aber keine eigenständige Diagnose. Es geht hier um die Verweigerung alltäglicher Anforderungen mit laufenden Melt- und Shutdowns. Das vorliegende Buch scheint mir das erste Buch auf Deutsch dazu zu sein. Allerdings ist es kein Fachbuch. Drei Mütter schreiben über ihre Kinder und den Verlauf des Zusammenlebens über Jahre. Kein einfacher Lesestoff, sondern Drama pur. Eine wissenschaftliche und autismusspezifische Analyse dieser Biografien würde die PDA-Diagnose verdeutlichen. Interviews mit Fachleuten innerhalb des Buches beziehen sich leider nicht auf die Fallkonstellationen. PDA ist im Zusammenhang mit Autismus oft ein Thema und wird es vermutlich noch häufiger, wenn der Bekanntheitsgrad steigt. Am Ende des Buches ist eine PDA-Checkliste vorhanden, anhand derer man Verhaltensweisen zuordnen kann.
Ein im deutschen Sprachraum neues Forschungsthema, obwohl es in England bereits in den 1980er Jahren beschrieben wurde. Es bleibt abzuwarten, ob PDA auch in Deutschland ein gängiger Begriff wird – dieses Buch will dazu beitragen.
#Zirkus

Jennifer Cook: Der Guide für Jugendliche mit Asperger Syndrom. Die geheimen sozialen Regeln verstehen und mit anderen besser klarkommen

Ein Buch mit einer klaren Ansprache an Asperger-AutistInnen: ‚Ich bin eine von euch, ich weiß, wie Du Dich fühlst, darum darf ich Dir das sagen.‘ Sie macht es sooo viel besser, als Therapeuten und Eltern es je machen könnten. Vor- und Nachteile abwägend, klar, persönlich und direkt. „Gebt es euren jugendlichen Aspies zu lesen“ – mag man in die Runde rufen. Für jeden Aspie wird es eine große Hilfe sein.
Manche Beispiele („sei keine ungekochte Spagetti“) mögen der Übersetzung aus dem amerikanischen geschuldet sein, trotzdem lassen die Formulierungen die Annahme von Empfehlungen sehr gut zu, wie es nirgendwo anders besser zu lesen ist (das Hygiene-Kapitel ist dazu sehr zu empfehlen). Sie beschreibt oft ihre Erfahrungen – und wie Du es besser machen kannst. So findest Du Dich in der Welt zurecht. Ja, denn Du bist anders. Du hast das schon gemerkt – und hier gibt es die Anleitung dazu, wie Du mit den anderen Menschen klarkommst.
Natürlich passt nicht jedes Kapitel für alle Aspies - aber es ist sicher für jeden etwas dabei. Eher hochfunktional, schon etwas reflektierend und mit dem Interesse, leichter durch die Welt zu kommen: das ist die richtige Motivation, dieses Buch zu lesen. Es wird auch Pädagogen, Eltern und anderen Menschen im Umfeld helfen, Dinge klarer zu sagen und dadurch die Akzeptanz des Gesagten zu erhöhen. Unbedingte Kaufempfehlung.
#cook
Kristin Behrmann, Hajo Seng: Tomaten gehören nicht auf die Augen!

Die erste Auflage des Buches erschien 2012 mit einem Vorwort von Autismus Deutschland – das ist lange her und in diesem Kontext sollte man auch die Neuauflage sehen. Das war vor dem „Schattenspringer“ und Büchern wie „Ich bin Loris“, die das Thema Autismus auch Kindern oder jüngeren Menschen mit großformatigen Bildern erläutern möchten.
In den gereimten Texten von „Tomaten gehören nicht auf die Augen“ werden wesentliche Aspekte des Autismus benannt. Es werden Wünsche beschrieben, wie die Gesellschaft oder auch Schüler, Lehrer, Eltern mit AutistInnen umgehen sollten. Verhaltenstipps, die es AutistInnen leichter machen würden, in der Gesellschaft zurecht zu kommen. Die Bilder dazu sprechen Kinder sicher an. Während Seng auf aquarelle Technik und blau/ schwarz setzt, nutzt Behrmann das bunte Farbspektrum. So konkurrieren die Bilder nicht, sondern bilden einen guten Kontrast auf jeder Doppelseite.
Ein schönes Büchlein, um es Kindern vorzulesen und gemeinsam die Bilder anzuschauen – und für Erwachsene, um einen Einblick in das Thema Autismus zu bekommen. #Seng
Georg Theunissen: Autismus und Herausforderndes Verhalten. Praxisleitfaden Positive Verhaltensunterstützung

Bei der Positiven Verhaltensunterstützung (PVU) gelten Verhaltensauffälligkeiten nicht als Merkmal des Autismus oder der Person, sondern sie werden „als Signal eines gestörten Verhältnisses zwischen Mensch und Umwelt betrachtet.“ – „Wir können hier auch von einer verstehenden Sicht sprechen.“ Daraus ergeben sich menschenwürdigere und grundsätzlich andere Sichtweisen und Reaktionen, als die bisherigen und oft klassischen. Es geht nicht um größtmögliche Anpassung, sondern um die Frage nach dem Warum – und wie man die Rahmenbedingungen verändern kann, damit es nicht mehr zu Verhaltensauffälligkeiten kommt. In diesem Buch wird das komplette Konzept der PVU sehr detailliert erläutert. Einzelne Elemente lassen sich auch kurzfristig in den Arbeitsalltag integrieren. Um die PVU neu in Systeme wie Schule oder Wohnmöglichkeiten einzubauen, wird mit einem Vorlauf von einem Jahr gerechnet. Kein Wunder, müssen doch alle Beteiligten ihre Sicht- und Arbeitsweise umstellen. Die Ergebnisse sind dann für die jeweils betroffenen Personen die beste aller Lösungen. Es lohnt sich also, dieses Projekt anzugehen.
Sehr genau wird der Unterschied zu ABA herausgearbeitet. Wichtig für alle, die sich mit dieser Thematik beschäftigen und sich einen fachlichen Hintergrund erarbeiten möchten. PVU ist das Gegenteil von ABA.
PVU hat an Schulen zu einer deutlichen Abnahme von Verhaltensauffälligkeiten geführt. Trotzdem gibt es auch Kritik an dem Konzept, insbesondere an der Verwendung von Token (Belohnungssystem). Am Ende des Buches sind zahlreiche Beispiele angeführt (auch für die Nutzung Zuhause).
Ein komplexes und umfassendes Fachbuch, das mittlerweile in der 5. Auflage erschienen ist. Gut und verständlich geschrieben und für viele Menschen immer noch ein Paradigmenwechsel, der dringend notwendig ist.
Bonus: Das eBook ist inklusive und kann mit zahlreichen Tools benutzt werden. #TheunissenPVU
Kohl/ Peinel/ Meer-Walter: Warum verstehen mich meine Lehrer nicht? Lehrerratgeber für Kinder im Autismus-Spektrum

Ein launiges Buch, das ungewöhnlich und originell mit einem in sich kommentierten Inhaltsverzeichnis beginnt. Hier wird bereits mit verschiedenen Schrifttypen gespielt, was sich im Buch fortsetzt. So wirkt der erste Teil wie ein Zwiegespräch zwischen Mutter und Sohn – durch verschiedenen Schriften dargestellt. Wobei für mich der „Mutter-Schrifttyp“ nicht leicht zu lesen war. Der Text ist herrlich ehrlich und direkt, wie man es von Aspergern erwarten darf. Mit Lust wird hier klar benannt, wozu man sich im direkten Gespräch mit Lehrern selten trauen wird: Deshalb ist das Buch besonders für Lehrende sehr hilfreich. Durch Fallbeispiele und Reflexion des selbst erlebten werden Bedürfnisse von AutistInnen klar benannt und wird mit Lösungsvorschlägen aufgewartet. Das driftet schon mal in das sehr Subjektive ab („Ton ist ekelhaft“), aber es kommt von Herzen. Der 1. Teil widmet sich dem „Was ich Lehrenden schon immer sagen und erklären wollte“ und trägt damit unbedingt zur Aufklärung aller Beteiligten bei. Beschrieben wird auch das Kullermodell – vielen möglicherweise als Löffel-Theorie bekannt. Eine gute Idee, den aktuellen Energiehaushalt auch in der Schule visuell darzustellen.
Der 2. Teil wurde von Stephanie Meer-Walter, einer anerkannten Fachfrau mit vielen Jahren Erfahrung als Lehrerin und Schulrektorin, verfasst. Sie hat selbst eine Diagnose und schreibt in ihrem Unterrichtsentwurf engagiert und kenntnisreich, auf fundierten theoretischen Grundlagen über ideale Faktoren, und wie diese das Lehr-Lern-Ergebnis beeinflussen. Eine echte Fortbildung für Lehrende mit Arbeitsmaterial am Buchende.
Insgesamt ist das Buch eine interessante inhaltliche Mischung, die für alle Seiten im Schulprozess neue Erkenntnisse bringt. #Kohl-Meer-Walter
Josephin Lorenz: Anders ist eine Variation von richtig. PEP und Kunsttherapie bei Autismus.

Rezension. Josephin Lorenz: Anders ist eine Variation von richtig. PEP und Kunsttherapie bei Autismus Die Autorin gewährt uns Einblicke in zwei Bereiche: Einmal die Kunsttherapie und darüber hinaus die Therapieform PEP, die ausgeschrieben „Prozess- und Embodimentfokussierte Psychotherapie“ heißt. Wobei Embod. in etwa bedeutet, dass der Körper für das psychische Wohlbefinden eingesetzt wird. Das wiederum hilft, sich auf kommende Situationen einzustellen. Beschrieben wird im Buch, wie die Therapeutin mit ihrer positiven Grundhaltung dem Autismus gegenüber, eine Beziehung zu den Klientinnen aufbaut und durch die besondere Therapieform Motivationssätze anbietet, die die Menschen in herausfordernden Situationen bestärken können. Es wird ‚gekurbelt‘ und ‚geklopft‘, wobei sich beim ‚Klopfen‘ der Klient selbst auf Akkupunkturpunkte klopft, also die volle Kontrolle über Intensität und Berührung behält. Wenn sich die Kinder, Jugendlichen oder Erwachsenen darauf einlassen können, wirkt es in jedem Fall beruhigend. Ziel ist aber auch eine Steigerung des Selbstwertgefühls und den dadurch besseren Umgang mit Stresssituationen in Schule oder Elternhaus. Die Autorin bietet zahlreiche Fallgeschichten an, die nicht nur von Fachlichkeit im Bereich Autismus, sondern auch von therapeutischer Reflexion zeugen. Auch für Eltern oder Geschwisterkinder eine gute Möglichkeit, die extra am Ende des Buches Erwähnung findet. PEP als Therapieform, auf die sich nicht alle Menschen werden einlassen können, bei Akzeptanz aber Stress reduzieren und neue Kraft und Selbstbehauptung geben kann. Die Kunsttherapie ist der Einstieg in die Beziehungsarbeit, um dann PEP einbinden zu können. Eine interessante Therapieform, die hier das erste Mal auch im Bereich Autismus Anwendung findet. #Lorenz
Lars Schmitz: Verborgene Intelligenz - auf der Suche nach Verständnis. Ein Förderschüler kämpft sich vom Förderschüler zum Abiturienten

Wenn jemand mit 18 Jahren seine Biografie schreibt, muss er schon viel erlebt haben und sich gut daran erinnern. Lars verfasst seit er früh schreiben gelernt hat Geschichten, Gedichte, Dramen und Drehbücher – das hilft ihm bei den Erinnerungen. Und er hat viel erlebt, vielleicht schon zu viel für sein junges Alter - aber sicher nicht ungewöhnlich für jemanden mit einer Autismus-Diagnose. „Ich meine, zwölf Jahre lang habe ich mich so verhalten, und er jetzt fängt es an aufzufallen (dass es Autismus ist)?“ - ist eine Anklage, als er seine Diagnose erhält. Mit seiner Odyssee durch verschiedene Schulen und Klassengruppen ist er leider kein Einzelfall. In der 8. Klasse, als Förderschüler, realisiert er seine Situation und beginnt, seine Intelligenz zu nutzen und durch Reflexion (die er nicht so nennt) sein oft aggressives Verhalten zu verändern. Für mich immer wieder beeindruckend, wenn Autisten ihre früheren Verhaltensweisen später erläutern und plausibel machen können. Davon können Lehrer und Eltern sehr viel lernen.
Herausragend ist für mich die Schilderung seines sechswöchigen Aufenthalts in einer psychiatrischen Klinik. Er ist zu diesem Zeitpunkt 7 Jahre alt! Erwachsene haben hier nachhaltig traumatische Erlebnisse produziert. Oft beschreibt er, dass seine Gefühle „zu viel“ für ihn sind und erläutert damit die „intens world theory“, ohne sie vermutlich zu kennen.
Das Buch ist sehr authentisch und vermutlich nur wenig lektoriert worden, was sich manches Mal ungewöhnlich liest. Trotzdem ist es spannend zu lesen. Er beschreibt seine Erfahrungen sehr reflektiert und treffend. Wer Kinder und junge Menschen mit „herausforderndem Verhalten“ verstehen möchte, dem sei dieses Buch empfohlen. #LarsSchmitz

Susanne Huber: Asperger als Chance. Die besonderen Fähigkeiten von Menschen mit Asperger erkennen und stärken

Der Untertitel des Buches beschreibt den Inhalt des Buches treffend: „Die besonderen Fähigkeiten von Menschen mit Asperger erkennen und stärken.“ Das scheint etwas verspätet, schließlich geht das Asperger-Syndrom in der Autismus-Spektrum Diagnose auf, wie die Autorin weiß und auch beschreibt. Die Beschäftigung mit dem Spektrums-Ausschnitt Asperger-Syndrom ist berechtigt, denn die Begrifflichkeit wird uns noch Jahrzehnte erhalten bleiben. Trotz des positiven Buchtitels beschönigt Huber dabei die Schwierigkeiten nicht, sondern beschreibt sie treffend. Sie hebt aber konsequent die Möglichkeiten der Diagnose hervor. Das tut gut und ist für Diagnostizierte, Angehörige und Fachleute ein Ausrufezeichen.
Im 1. Teil beschreibt sie in gut verständlicher Sprache alle Facetten der Diagnose, die Ursachen und räumt mit Vorurteilen auf. Der 2. Teil beschäftigt sich mit den Stärken und positiven Eigenschaften, sowie bekannten Asperger-Persönlichkeiten. Den 3. Teil überschreibt sie mit „Was sonst noch wichtig ist“. Dazu gehört die Diagnostik, aber auch die Möglichkeiten, eigene Lebensziele trotz Diagnose zu setzen und zu verfolgen.
Dass die Autorin selbst eine Diagnose hat, macht aus dem Fachbuch zusätzlich eine authentische und gut lesbare positive Auseinandersetzung mit dem Asperger-Syndrom. Die Stärken zu stärken und nicht in den Einschränkungen zu versinken, ist die wichtige Botschaft dieses Buches. In dieser Klarheit und Deutlichkeit ist das Buch ein Gewinn für die Beschäftigung mit dem Asperger-Syndrom. #huber

Stephanie Meer-Walter: Schüler_innen im Autismus-Spektrum verstehen: Praxishilfe zu autistischen Besonderheiten in Schule und Unterricht

Die besten Bücher für einen Themenbereich zu finden, ist oft schwer. Für den Bereich „Schule und Autismus“ ist dieses Buch meine Empfehlung. Die Autorin verfügt über 20 Jahre Schulerfahrung, war Fachberaterin und Schulleiterin und hat im Alter von 47 Jahren ihre Autismusdiagnose erhalten. Sie hat damit die perfekte Mischung an Erfahrungen und Fachkenntnissen, die dieses Buch auszeichnen.

Die Bucheröffnung mit Erläuterungen zum Autismus, den aktuellen fachlichen Hintergründen und den folgenden praktischen Fallbeispielen in der Schule: Klare Sprache, knackig auf den Punkt gebracht, jeder Schüler und Lehrer findet sich hier wieder. Sofort ist man im Thema und den Herausforderungen auf der Spur. Im Abschnitt „Autistischen Besonderheiten in Schule und Unterricht gerecht werden“ wird jede Ebene in der Schule beleuchtet und bis in die Tiefe eines jeden Fachs eingegangen. Es geht um die autistische Sprache, kommunikative und motorische Herausforderungen, Nachteilsausgleiche und vieles mehr. Am Ende kommt der Praxisteil, dem auch das große Format des Buches geschuldet ist: Sehr detaillierte Fragenbögen zur Analyse der Gesamtsituation aller Beteiligten (Schüler, Eltern, Lehrer) mit fundierter Auswertungsmöglichkeit, dessen Ergebnis in das pädagogische Konzept der Schule einfließen sollte. Die Fragebögen stehen als pdf zum Download zur Verfügung.

Ein fachlich fundiertes Werk, dass an jede Schule gehört und zukünftigen Lehrerinnen und Lehrern das notwendige Handwerkszeug mitgibt, um autistische Schülerinnen und Schüler bestmöglich im Klassenverband fördern zu können.#meer-beltz

Constanze Schwärzer-Dutta: Liebe mit Köpfchen. Tipps einer Autist*in für neurodiverse Beziehungen

Ich gebe zu, ich habe noch nie einen Beziehungsratgeber gelesen – es gibt sicher Menschen, die sagen würden: „Hättest Du das mal gemacht“. Da dieser Ratgeber von einer Autistin und Paarberaterin für neurodiverse Paare geschrieben wurde, landete es auf meinem Büchertisch. Was für eine außergewöhnliche und spannende Lektüre! Die Autorin schreibt nicht nur ausgesprochen klar und deutlich ohne Tabus, wie man es von einer Autistin erwarten darf. Sie kennt sich darüber hinaus auch mit den diversen Geschlechtermöglichkeiten und den daraus folgenden Paarkonstellationen aus. Ich neige dazu, dabei den Überblick zu verlieren und habe das mit der cisgeschlechtlichkeit noch immer nicht verstanden, aber hauptsächlich geht es um autistische/ neurotypische Paarkonstellationen in diesem Buch. Alle Zeitpunkte einer Beziehungsentstehung und -führung werden ausführlich erläutert und erklärt: Vor einer Beziehung, auf Beziehungssuche, während des Beziehungsbeginns und -verlaufs. Für AutistInnen (und sicher auch viele NTs) sind die Hinweise und Erläuterungen, was in den verschiedenen Phasen passiert oder passieren kann, sicher unendlich erhellend. Ein ausgesprochen gut lesbares Fachbuch von einer Fachfrau, was es dadurch von individuellen Beschreibungen abhebt (wie zum Beispiel die köstlich zu lesende autistische Beziehungs-Basis-Literatur: Peter Schmidt „Ein Kaktus zum Valentinstag“).

Alle Menschen, welcher neurodiversen Ausrichtung auch immer, finden hier ein wertschätzendes, offenes und gut verständliches Buch, das man in allen Lebensphasen zur Hand nehmen kann.#schwaerzer

Daniela Schreiter: Lisa und Lio

Die Schattenspringer-Bücher von Daniela Schreiter sind vielen bekannt: In den „am leichtesten zu verstehenden Fachbüchern“ wird Autismus ganz hervorragend erklärt. In „Lisa und Lio“ klärt Daniela Schreiter nun in klaren Bildern und einfachen Texten auch kleinere Kinder (und vielleicht auch Eltern und Geschwisterkinder) über Autismus auf. Die kurze und einfache Geschichte macht Autismus und die Bedürfnisse der kleinen AutistInnen hervorragend deutlich – das wird jeder verstehen können. Daher ist es ein Buch, dass unbedingt in Kinderarztpraxen und Autismusambulanzen gehört. Und am besten Weihnachten auch als Geschenk unter den Baum von Oma und Opa.

Da das Buch ausdrücklich „Band 1“ genannt wurde, dürfen wir uns sicher auf eine Serie freuen.

#lio1
=""> Elkie Kammer: Discovering who I am
Always a loner, yet longing for friends; trying to make sense of the world and to bring order into the chaos around me; academically gifted, but with little social understanding; treading different paths and being labelled with various conditions; forever searching for an answer until it suddenly stared me in the face: Asperger Syndrome. Now everything began to fall into place. Why did I have to wait 40 years to discover what makes me who I am?

Elkie Kammer now lives in Inverness,
where she is working with autistic
children in mainstream schools.

#Kammer-Engl . Direktbestellung

Temple Grandin: Ich bin die Anthropologin auf dem Mars - Mein Leben als Autistin

Autismus ist aktuell immer mal wieder Thema in den Medien, wenn es um die besonderen Fähigkeiten dieser Menschen geht. Filme wie „Rainman“ oder der Zahlenakrobat Daniel Tammet, der die Zahl Pi auf 22.514 Nachkommastellen aufsagen kann, sind beeindruckend.
Autismus wird erst seit Anfang der 1950er Jahre diagnostiziert, bekannt wurde die leichtere Form des Autismus, das Asperger-Syndrom, erst Anfang der 1990er Jahre.
Temple Grandin hat als erste Autistin ihren Weg und ihren Umgang mit der Diagnose Autismus beschrieben, sie ist die bekannteste Autistin weltweit. 2010 wurde sie vom Time Magazin zu den wichtigsten Persönlichkeiten der Welt in der Kategorie „Helden“ gekürt.
In diesem Buch beschreibt sie ihren Autismus, ihre Art des Umgangs damit und ihre Lebensgeschichte. Mittlerweile ist sie Dozentin der Tierwissenschaften. Mehr als die Hälfte der kommerziellen Tierhaltungsanlagen Nordamerikas beruhen auf ihren Entwürfen.

Dieses Buch ist persönlich, wissenschaftlich, geschichtlich und atemberaubend spannend. #TempleMars Direktbestellung

Ina Slotta: Autismus
Ein sehr vielschichtiger Ausflug in die Gefühlslagen eher schwer betroffener AutistInnen, zum Teil der nicht sprechenden AutistInnen. Wenn Menschen nicht sprechen bedeutet es nicht, dass sie nichts zu sagen haben. Früher wurden nicht sprechende Menschen in der Regel als geistig behindert abgestempelt – ohne auf Fördermöglichkeiten und Veränderungen zu achten. Gerade Dietmar Zöller und Katja Rohde wurden erst spät als ausgesprochen intelligent erkannt. Beide, genauso wie Gunilla Gerland, haben sich später in Büchern ausgedrückt, die die Autorin am Ende des Buches als Beispiele ausführlich würdigt und bespricht. Sie erläutert dabei zahlreiche Theorien, die sie zu Beginn des Buches bereits vorstellt.#slotta 
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Michael Schmitz (Hrsg.): Alles über Autismus

2. Auflage mit  200 Einträgen!

Alles in diesem Buch ist über Autismus: Bücher, Magazine, Blogs und Filme.
Ein Buch zum Blättern und Entdecken. Das Buch soll Anregungen und Informationen geben und die Möglichkeit, sich in den einen oder anderen Schwerpunkt weiter zu vertiefen.

Insgesamt wurden für dieses Buch über zweihundert Beiträge von verschiedenen Autoren zusammengetragen. Sie ergeben ein vielfältiges Bild – so vielfältig wie das Spektrum des Autismus.#AllesAutismus

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Elkie Kammer: Entdecken, wer ich bin. Mein Leben mit dem Asperger Syndrom

Eine bewegende und offenherzig geschriebene Biografie einer weitgereisten und intelligenten Frau. Ein brillant vorgetragener, autistischer Lebensweg. Immer auf der Suche nach dem eigenen Selbstverständnis und einem Platz in der Gesellschaft, immer wieder zurückgeworfen durch unpassende Ausbildungs- und Arbeitsverhältnisse und fehlende Wegbegleiter.Ihr 40-jähriger Weg zur Autismusdiagnose und später zur Sonderschullehrerin für autistische Kinder hätte kaum steiniger sein können.

Elkie Kammer lebt zurzeit in Inverness / Schottland, wo sie an staatlichen Schulen autistische Kinder unterrichtet.

Direktbestellung #kammer

dietrich Dietmar Zöller: Dietrich... Ein Autist erzählt.
Zöller schreibt über sein Leben. Er nimmt dabei die Rolle eines Außenstehenden ein, daher heißt der Protagonist des Buches Dietrich. Es ist beeindruckend, mit welcher Genauigkeit er seine Gefühlslage auch in frühester Kindheit beschreiben kann. Er ist sehr reizempfindlich, kann sich und seinen Körper nur schwer steuern. Dafür lernt er schnell die Gabe eines fotografischen Gedächtnisses zu nutzen. Es ist auch die Geschichte eines behinderten Menschen, der seine Umwelt sehr wohl reflektiert und alles mitbekommt, obwohl sein Umfeld ihm das nicht immer zutraut. Es wird über, statt mit ihm gesprochen. Er erkennt die hohen Belastungen, denen seine Familie durch sein Anderssein ausgesetzt sind – und kann es doch nicht ändern. Er „war um seine Brüder besorgt, weil er ahnte, dass er ihnen ein Stück Kindheit gestohlen hatte“. Ein spannender Bogen über sein Leben, mit Blick auf seine Familiengeschichte und seine Entwicklung #dietrich. Direktbestellung

Dietmar Zöller: Jenseits der Lebensmitte. Ein Autist erlebt und reflektiert das Älterwerden

Ein Buch mit vielen Aspekten. Es geht ums Älterwerden, den Veränderungen in der Körperwahrnehmung und Reflexion der Ereignisse der ersten Lebenshälfte. Freundschaften und auch Kommunikationsformen stehen im Fokus: „Es ist ein Problem der Körperwahrnehmung und des motorischen Ausdrucks, wenn ich die Konsonanten nur andeute und nicht richtig artikuliere.“
Zöller kann sich und seine Entwicklung sehr gut beschreiben, kann Verhaltensweisen deuten und erläutern: „Ich habe an manchen Tagen keine Orientierung an meinem Körper, d.h. ich habe kein Bild im Kopf, wo Arme und Beine sind und kann darum die Gliedmaßen nicht willentlich steuern. Es kommt mir manchmal so vor, als wären da mehrere Arme und Beine, die sich gegenseitig stören. Eine Hand z.B. übernimmt dann die Führung ohne Sinn und Verstand. Ich bin nicht Herr im Haus.“

Ein umfangreiches Buch, das zahlreiche Gedanken zur zweiten Lebenshälfte zusammenfasst und einen Einblick in das Leben und Wirken von Dietmar Zöller erlaubt. Direktbestellung #Lebensmitte

Luis Bayardo: Lebensreise eines Vaters. Der schwierige Weg zu meinen autistischen Söhnen.

Für Väter ist es anders schwierig, mit autistischen Kindern umzugehen. Als klassischer amerikanisch-mexikanischer Macho sowieso. Man hat Träume, welche Sportstars die Kinder werden können, trainiert hart mit den Jungs und es ist nicht das erwartete Ergebnis. Bayardo zweifelt an sich, seinen Jungs und versteht erst spät, dass er derjenige ist, an dem man arbeiten muss. Das beschreibt er schonungslos und will damit anderen Männern in ähnlicher Situation Unterstützung geben. Und das macht er beeindruckend. Dieses Buch hilft jedem Mann.

Er beschreibt auch die Therapien, die in den USA eingesetzt werden. Von ABA bis "Voodoo", wie er es nennt. Mit über 100 Therapeuten hat er es bei seinen beiden Jungs zu tun. Dazu stundenlange Förderplangespräche. Hier gibt es klare Worte, Erkenntnisse und immer das Verständnis dafür, dass jeder Autist anders ist. Von seinem Beispiel kann man trotzdem lernen.

Direktbestellung #bayardo

MChofmann: Die Arbeit ruft... und jeder hört etwas anderes. Redewendungen, Sprichwörter und cartoonierte Wege in den Job

Über 100 Seiten Cartoons vom jungen Künstler MChofmann.

Das Buch ist ein lustiger Cartoon, auch ein Buch über den Arbeitsmarkt, über die Tücken von Vorstellungsgespräch und Probearbeit, außerdem ist es eine einzigartige Zusammenstellung von Redewendungen und Sprichwörtern die bewusst machen, wie blumig wir unsere Sprache häufig nutzen.

Es ist auch ein Wimmelbuch, in dem man auch beim dritten durchlesen noch Neues entdeckt, es kann als Ausmalbuch genutzt werden, als intellektuelles Geschenk oder einfach zur persönlichen Erheiterung. Ein abwechslungsreiches und vielfältiges Buch.

Für Menschen, die sich mit dem Thema Autismus-Spektrum beschäftigen, bietet es darüber hinaus noch eine authentische Innensicht.

#MChofmann Direktbestellung

Beate Hermelin: Rätselhafte Begabungen. Eine Entdeckungsreise in die faszinierende Welt außergewöhnlicher Autisten

»Das Buch ist großartig erzählt und zeigt Beate Hermelins großes Engagement und ihre Leidenschaft für dieses Thema. Beate Hermelin steht für gründliche und wegweisende Forschung, die aber auch immer das Menschliche berücksichtigt. Ihr Buch ist - einfach gesagt - wunderbar geschrieben und wird, da bin ich sicher, eine breite Spanne von Lesern ansprechen und faszinieren.« Oliver Sacks

Christopher ist 37 Jahre alt. Er hat nie eine normale Schule besucht und lebt in einem Heim einer betreuten Wohngruppe. Aber er beherrscht sieben Fremdsprachen. Christopher ist das, was man früher einen »Idiot savant« genannt hat, also jemand, der trotz schwerwiegender Lernschwierigkeiten eine hervorstechende Begabung auf einem bestimmten Gebiet besitzt. Die international bekannte Autismusforscherin Beate Hermelin erzählt uns seine Geschichte und die anderer »Savants«, die sie über mehr als zwanzig Jahre beobachtet und betreut hat. Sie geht dabei der Frage auf den Grund, ob diese so erstaunlichen Phänomene ein Schlüssel sind zum Verständnis menschlicher Intelligenz und des menschlichen Denkens. Da ist zum Beispiel Kate, 40 Jahre alt, die nicht in der Lage ist, eine Konversation zu führen, und dennoch wunderschöne Gedichte verfaßt. Da gibt es den Kalenderrechner, der aus dem Stegreif den Wochentag eines beliebigen Datums in der Vergangenheit nennen kann, und da ist der »Savant«, dessen Rechenleistung die von Spitzenmathematikern übertrifft. Hermelin zeigt uns nicht nur, zu welch außerordentlichen Leistungen sie fähig sind, sie erklärt auch, wie sie dies anstellen. Es ist ein Buch, das viel von der Faszination, der Freude und der Neugier vermittelt, die die Autorin im Umgang mit diesen Menschen verspürt hat. Viele Leser werden von diesem Buch innerlich bewegt und fasziniert sein. #hermelin Direktbestellung

Robin Schicha: Außerirdische Reportagen vom Schulalltag. Ein junger Autist beschreibt seine Erdensicht

In diesem Buch berichtet Robin Schicha von seinen Erfahrungen, die er im alltäglichen Schulalltag als Autist unter nichtautistischen Mitschülern gemacht hat. Eindrucksvoll und sensibel reflektiert der Autor, wie undiszipliniert und feindselig sich seine Mitschüler ihm gegenüber verhalten und ihn ausgrenzen und mobben. Der Autor hat seine Erlebnisse während seiner Pubertät in der Schulzeit tagebuchartig notiert. So stellen sie ein authentisches Ergebnis eines jugendlichen Autisten dar. Robin hat intuitiv das Gefühl, nicht zu den Menschen dieser Welt zu passen, sondern ein Außerirdischer zu sein, der sich auf dem Erdenplaneten verirrt hat.

Immer wieder beschreibt der Autor das Unverständnis seiner Lehrer für seine autistischen Probleme. So wird er von einer Lehrerin wegen seiner Geräuschempfindlichkeit als Hypochonder diskriminiert. Wie viele autistische Schüler, die erst spät die Autismusdiagnose erhalten, hat Robin häufig die Schule wechseln müssen. Die unterschiedlichsten Schulen mit den verschiedenen Lehrern und den zahlreichen schwierigen Erfahrungen werden im Buch eindrucksvoll beschrieben. Ergänzt wird es durch seine Erfahrungen mit Schulbegleitern. Neben dem Text liegt ein Schwerpunkt auf den bemerkenswerten Illustrationen von Robin.

Der Autor und Zeichner ist ein langjähriger begeisterter Cartoon- und Comiczeichner. Mit klaren Strichen unterstreicht er eindrucksvoll die beschriebenen Situationen der einzelnen Kapitel. Das Buch schildert neben schwierigen Erlebnissen auch amüsante Ereignisse und trägt dazu bei, ein besseres Verständnis für die Eigenarten, Wahrnehmungen und Perspektiven eines autistischen Jungen zu erhalten. #schicha Direktbestellung

Kyra Müller: Autismus und Arbeit: Inklusion von Menschen im autistischen Spektrum in das Arbeitsleben

Die unausgewogenen Chancen von Personen im Autismus-Spektrum auf dem Arbeitsmarkt, die oft in keinem Verhältnis zu den nutzbaren Fähigkeiten stehen, waren die Grundlage für die Arbeit der Autorin. Sie erscheinen wie eine Verschwendung: Für die Gesellschaft, für die Arbeitgeber, aber auch als unnötige Einschränkung für die Menschen, die dadurch ihr Leben oft nicht selbstbestimmt führen können. Im Zeitalter von Inklusion und Fachkräftemangel muss es Wege aus dieser Fehlentwicklung geben.

Zum Einstieg in das Thema werden daher Erläuterungen der aktuellen Gesetzeslage, inklusive der UN-Behindertenkonvention gegeben. Der umfassende Überblick über die Arbeitsmarktstruktur und die verschiedenen Fördermöglichkeiten ist eine wichtige Grundlage, um Inklusion gelingen zu lassen. Dazu werden aktive deutsche Firmen, aber auch beispielhafte Unterstützungsmöglichkeiten in anderen Ländern vorgestellt. Besonders spannend und das Herzstück des Buches ist eine Untersuchung zum Bereich „Autismus und Arbeit“, an der insgesamt 344 Menschen teilgenommen haben. Von den 273 Teilnehmenden, welche die Online-Befragung komplett beendet haben, sind 241 im autistischen Spektrum. Sie geben einen sehr guten Überblick zur aktuellen Situation und den Unterstützungswünschen der Personen. Dies sind Ansatzpunkte, damit Menschen im Autismus-Spektrum ihre Fähigkeiten einsetzen können, um damit ihren Lebensweg in einem größeren Maße als bisher eigenverantwortlich zu gehen. Die Gesellschaft und die Arbeitswelt werden davon profitieren. #kyra Direktbestellung

Dietmar Zöller: Als nichtsprechender Autist in fremden Ländern. Das Unterwegssein als Chance begreifen. Mit einem Vorwort von Maria Kaminski

Dietmar Zöller ist einer der bekanntesten nichtsprechenden Autisten im deutschen Sprachraum. Mit seinen zahlreichen Buch- und Fachartikelveröffentlichungen hat er maßgeblich zum Verständnis von Autisten beigetragen. Dietmar Zöller reist gern. Fast jedes Jahr hat er mit seinen Eltern zusammen eine Reise unternommen: Als Kind, als Jugendlicher und als Erwachsener. Die Frage des Verreisens stellt sich für Eltern behinderter Kinder und Erwachsener häufig: Wie soll das gehen, welche Ziele kann man auswählen, kann ich eine ganz normale Pauschalreise buchen? Dietmar Zöller gibt in dem vorliegenden Buch die Antwort: Ja, alles ist möglich. Deutschland, Europa und die weite Welt.

Das Buch soll Eltern behinderter Menschen Mut machen, sich durch die Behinderung nicht zu sehr einschränken zu lassen. Es zeigt sehr deutlich, wie wichtig das Reisen auch für den behinderten Menschen ist: Eine Bereicherung, auch Herausforderung, an der man wachsen kann, ein einzigartiges Erlebnis. Dieses Buch ist eine großartige Sammlung von Reiseberichten aus nahen und fernen Ländern. Was mit Campingtouren durch Westeuropa bis hin zum Nordkap begann, konnte mit der politischen Wende auf Osteuropa ausgedehnt werden und ist mit geschichtlichen Einblicken ergänzt. Dann entschloss sich Familie Zöller auch mit Fernreiseunternehmen unterwegs zu sein: Grönland, Mongolei, China, Indien, Namibia und viele weitere Länder folgten.

Eine Inspiration weit über das Thema „Reisen mit behinderten Menschen“ hinaus. 78 Fotos aus dem Familienalbum der Zöllers illustrieren die Berichte und geben einen sehr persönlichen Einblick in ihre Reisen. #zoellerreise 

John Elder Robison: Schau mich an! Mein Leben mit Asperger

Als Ausdruck seiner ehrlichen Zuneigung tätschelt er andere Kinder mit Knüppeln, grinst erleichtert, wenn ein Unbekannter stirbt und hält Halloween mit kleinen Explosionen im Vorgarten kinderfrei: Verhaltensweisen, die immer ein strenges Schau mich an! seiner Eltern zur Folge haben. John Elder Robison gilt in seiner Kindheit als »unnormal« und wird häufig gemieden. Als er sein großes Talent für elektrische Geräte entdeckt, öffnet sich ihm eine neue Welt: Er konstruiert flammenwerfende Gitarren für KISS und entwickelt die ersten elektronischen Spielzeuge für mb. Doch was ihn als Kind zum Außenseiter macht, lässt ihm auch im Job keine Ruhe.

Erst mit vierzig Jahren erfährt er die Ursache für sein Verhalten: Er leidet am Asperger-Syndrom - einer leichten Form von Autismus. In Schau mich an! erzählt John Elder Robison aus seinem Leben, wie es wirklich war: manchmal traurig, manchmal komisch, aber immer ergreifend. #robison Direktbestellung

Schor/ Schweiggert: Autismus - ein häufig verkanntes Problem: Kinder und Jugendliche mit autistischen Verhaltensweisen in allen Schularten

Die Erziehungsverantwortlichen in allen Schularten sind meist nicht in der Lage, die schweren Mehrfachbehinderungen des Autismus und dessen Auswirkungen auf das soziale Handeln zu erkennen und wirksame Fördermaßnahmen zu ergreifen.
• Dieses Buch wendet sich an Lehrerinnen und Lehrer in Förderschulen, aber vor allem in Grundschule und Hauptschule, in Realschule und Gymnasium
• Es beschreibt autistische Störungen, ihre vielfältigen Symptome sowie Möglichkeiten zur Früherkennung.
• Es stellt vielfältige Formen der Therapie vor und informiert über besonders wirkungsvolle Therapieansätze.
• Es handelt medizinische, pädagogische und soziale Aspekte, die sich im Umgang mit autistischen Kindern ergeben.
• Es bündelt Erkenntnisse von Fachleuten und stellt Erfahrungen und Einschätzungen von betroffenen Eltern, von Mitgliedern aus Autismus-Verbänden, von Medizinern und Lehrern dar.
• Es liefert eine Fülle an Anregungen und beschreibt pädagogische Maßnahmen, die in der Schule zur Anwendung kommen können.
• Es zeigt pragmatische Möglichkeiten der Zusammenarbeit von Schule, Elternhaus und außerschulischen Fachdiensten im Sinne einer kompensatorischen und ganzheitlichen Erziehung und Förderung auf.

Dawn Prince-Hughes: Heute singe ich mein Leben. Eine Autistin begreift sich und ihre Welt.

Obdachlos, Stripperin, Gorillas – dann Dr. der Anthropologie: Die Lebensgeschichte von Dawn Price-Hughes, bei der mit 36 Jahren das Asperger-Syndrom diagnostiziert wird.
Sie beschreibt ihre Kindheit und das sie die Schule aufgrund von extremen Mobbing abgebrochen hat. Wenig später ist sie mit 16 Jahren auf der Straße und obdachlos. Jahrelang zieht sie durch die USA, ohne jedes Ziel und Perspektive.
Sie hat alle Tiefen der Gesellschaft durchlebt, hat in Strippclubs in Tierfellen getanzt – ohne dies so wahrzunehmen, ihr Ziel war es stattdessen, die „urbane Gesellschaft zu erkunden“. Als Gespielin lesbischer Frauen dachte sie immer eine Beziehung aufzubauen, dabei ging es immer nur um eine Nacht.
Dann geht sie in den Zoo, lernt die Gorillas kennen, beginnt zu forschen, verändert ihr Leben, beginnt ein Studium – eine unglaubliche Geschichte. Die Formen menschlichen Zusammenlebens erlernt sie durch die Beobachtung der Gorillas, erforscht sich selbst durch ihre Forschungen. Die Beobachtungen an den Gorillas nimmt sie sehr detailgetreu auf, das verschafft ihr schließlich eine Hochschulanstellung.
Im letzten Teil des Buches stellt sie ihre Familienmitglieder mit den jeweiligen Ticks und Auffälligkeiten vor: Sicherlich eine seltene Ansammlung! Sie erläutert die Notwendigkeit, diagnostiziert zu werden und den Weg dorthin. Dazu gehört die (Familien-)Planung innerhalb ihrer lesbischen Beziehung und ihre Unterstützung bei der Asperger-Diagnose eines Cousins.
In diesem Buch liest man über das chaotische Leben einer Asperger-Autistin, die immer auf der Suche nach sich selbst ist - und manchmal nicht einmal mehr das - und die glückliche Wendung. Und man lernt viel über das menschliche Verhalten von Gorillas. Ein rundum spannendes Buch, das zu Recht oben in den Verkaufscharts zu finden ist. #dawn

Wikipedia (Englisch), Audio mit Bild (55 Min., Englisch)

Gisa Anders: Eine Fantasie guckt aus dem Fenster. Vom frühkindlichen Autismus zum selbstbestimmten Leben

In der normalen Entwicklungsliteratur findet man viele positive Ansätze und Anregungen. In der Behindertenliteratur gibt es zwar Bestätigung, aber man wird als Eltern verängstigt und entmutigt. Wenn bei normalen Menschen die Phase der größtmöglichen Lernfähigkeit beginnt, sind die meisten autistischen Menschen schon nicht mehr erreichbar.
Ich werde oft gefragt: „Was macht Dirk?“ Ich sage dann voll Stolz: „Er ist jedes Wochenende in der Disco oder bei Freunden, ansonsten bereitet er sich intensiv auf seine Gesellenprüfung vor.“ Auf meine Frage: „Hätten Sie das je für möglich gehalten?“ folgt ein spontanes, klares „Nein“. Dirk war nicht in der Lage, sich selbst eine Grundlage zu schaffen. Daher stand seine Entwicklung in der Zeit der wichtigsten Lernphase fast still.
Dirk brauchte Hilfe, die hat er bekommen.
Dirk brauchte Mut, den habe ich ihm gemacht.
Auch ich brauchte Mut, den habe ich mir nicht nehmen lassen.
Viele Menschen haben sich immer wieder bemüht, mich zu entmutigen, sie haben mein Engagement belächelt.
Ich habe mich nicht von Behindertenliteratur verängstigen lassen, sondern habe die festgestellten Entwicklungsmöglichkeiten als Chance gesehen.
Dieses Buch ist das Zeugnis eines Kampfes gegen Vorurteile und Klischees – ein hartes Stück Arbeit, es hat sich gelohnt.

Dietmar Zöller: Kathrin ist autistisch. Die Geschichte eines besonderen Mädchens

Die Geschichte einer nonverbalen Autistin von der Kindheit bis zu ihrer Ausschulung und neuen Perspektiven. Geschrieben mit viel Insiderwissen: Denn der Text stammt von Dietmar Zöller, selbst nicht sprechender Autist. Er hat bereits zahlreiche Bücher geschrieben und stellt hier seine erste Erzählung vor. Diese ist so genau geschrieben, dass es ein Leichtes ist, dieses Buch als Biografie zu lesen.
Innenansichten und Empfindungen einer Autistin werden dargestellt, wie es nur von einem Autisten geschrieben werden kann. Immer wieder mit Details versehen, die autistische Menschen besser verstehen lassen.

Kathrins Mutter kommt als junge Frau mit der Idee der gestützten Kommunikation in Kontakt. Durch das ganze Buch ziehen sich die Erfahrungen mit dieser Kommunikationsform.
Auch wird das Leben als Mutter einer nicht sprechenden Autistin beschrieben. Viele Höhen und Tiefen: Ehemann, Freunde, Bekannte und Verwandte und deren Verhalten spiegeln die ganzen Facetten eines Lebens mit einem behinderten Kinde wieder. Besonders schwer bei intelligenten, nonverbalen Autisten: Die Beschulung. Auch dazu gibt es im Buch manche Idee.

Spannend, in einem flüssigen Schreibstil verfasst, will man unbedingt wissen, wie es weitergeht. #kathrin 

Dietmar Zöller: Wenn ich mit euch reden könnte. Ein autistischer Junge beschreibt sein Leben aus seiner Sicht.

Nicht nur ein sehr offenes und bewegendes Buch, sondern auch ein Stück Zeitgeschichte. Dietmar Zöller ist einer der ersten Autisten, die sich nur über Schreiben mitteilen können – und es auch tun. Eine einmalige Gelegenheit, die Entwicklung des autistischen Jungen mitzuerleben. Und wenn man viele Diskussionen und Entwicklungen aus der heutigen Zeit verfolgt, ist man erstaunt, wie aktuell das Buch von Dietmar Zöller ist.

So beschreibt er das Problem, adäquaten Unterricht zu erhalten: „Alles was ich lernen soll, kann ich schon. Sie wollen mich dumm halten.“ Viele Autisten in Fördereinrichtungen sprechen diesen Punkt an, da sie häufig als geistig behinderte behandelt werden, oft aber ganz andere Fähigkeiten haben. In diesem Buch ist der Leser mehrere Jahre quasi live bei der persönlichen Entwicklung dabei. Es liest sich wie ein Tagebuch. Als er älter wird, kommen auch sehr schöne Gedichte hinzu.

Es zeigt seine Entwicklung, sein reifer-werden und sein großes Verständnis der Welt um ihn herum. Nach außen wirkt er behindert, im Inneren ist er ein junger Mann, der sich selbst sucht. Ein schweres Los, dass er immer wieder thematisiert. Ich habe das Buch tatsächlich in einem Rutsch durchgelesen – das hatte ich vorher nicht vermutet.

Dietmar Zöller: Ich gebe nicht auf. Aufzeichnungen und Briefe eines autistischen jungen Mannes, der versucht, sich die Welt zu öffnen.

„Ich gebe nicht auf“ ist das zweite Buch von Dietmar Zöller. Das erste Buch „Wenn ich mit euch reden könnte…“ wurde zu einem überraschenden Erfolg und in mehrere Sprachen übersetzt. Durch das Erscheinen des ersten Buches konnte Zöller deutlich mehr Selbstbewusstsein entwickeln. Deutlich mehr Selbstvertrauen. Dadurch wirkt das Buch noch Reflektierter (er wird allerdings ja auch älter). Vielfach wird auf Reaktionen auf das erste Buch hingewiesen, der Briefverkehr abgedruckt. Zöller: „Seit ich Anerkennung bekomme, kann ich meine Behinderung akzeptieren.“

Sein zweites Buch finde ich fast noch besser, als das Erste. Dietmar Zöller erläutert seine sehr differenzierten Körperwahrnehmungen und gibt einen noch tieferen Einblick in das Sein eines Autisten. Für Außenstehende kaum nachzuvollziehen, beschreibt er seine besonderen Fähigkeiten der Augen und Ohren. Er musste bisher ja davon ausgehen, dass alle Menschen so empfinden, wie er. Nun merkt er, dass offensichtlich besonders die Sinneswahrnehmungen bei ihm andern funktionieren. Seine Wahrnehmungen sind dabei stark unterschiedlich in Entwicklung und Nutzung. Mit einem Löffel Tabasco spürt er auch seinen Mund.
Mit über 20 Jahren lernt er durch neue Therapieformen seinen Körper besser kennen, zu nutzen und zu verstehen – erkennt aber auch seine Grenzen, was häufig schmerzhaft ist.
Er beschreibt auch die Ablösung von der Psychotherapie und seine Erfahrungen mit Feldenkrais-Übungen.
Ein tolles Buch, ich bin immer wieder überrascht, wie mich gerade auch die Literatur von nichtsprechenden Autisten fasziniert.

Liane H. Willey: Ich bin Autistin - aber ich zeige es nicht. Leben mit dem Asperger-Syndrom

Einfach ein großartiges Buch: Die Tochter erhält die Diagnose Asperger und die Mutter erkennt sich - endlich - in dieser Diagnose wieder. Sie beschreibt im Rückblick ihre Lebensgeschichte und reflektiert es nun in Kenntnis der Asperger-Diagnose.

Ernst, lustig und voller Anekdoten. Dabei immer spannend, denn man wartet darauf, wie der nächste Lebensabschnitt bis zur Hochschullehrerin mit drei Kindern verlaufen wird - und welchen Anteil das Asperger-Syndrom dabei hat. Ein Extrakapitel widmet sie den Ereignissen, als Asperger-Autistin Kinder zu haben.

Sehr offen, in klaren Worten und schnörkellos beschrieben - und dabei doch sehr ins Detail gehend. Sie beschreibt Gefühle intensiver, als so mancher Mensch ohne Asperger. Sie muss die Gefühle für sich genau beschreiben, um sie zu verstehen. "Auch wenn es 38 Jahre lang gedauert hat - ich kann gar nicht deutlich genug sagen, was für eine Erleichterung es war, mich endlich selbst zu finden!"

Ein gelungenes Ende findet das Buch mit zahlreichen Checklisten für alle Lebensbereiche. Hier gibt Liane H. Willey viele wichtige Hinweise, worauf man als Asperger-Autist achten sollte (bei der Ausbildung, der Arbeit, in Beziehungen etc.). Mit einem sehr persönlichen Vorwort von Tony Attwood. #liane Direktbestellung

Temple Grandin: Durch die gläserne Tür. Lebensbericht einer Autistin.

Sicherlich eines der bedeutendsten Bücher zum Themenbereich Autismus. Das erste Buch, das von einer Autistin geschrieben wurde und ihren Lebensweg unter dem Eindruck des Autismus wiedergibt.

Der große amerikanische Kinoerfolg „Rain Man“ erzählt die Geschichte des Autisten Raymond mit anrührender Unmittelbarkeit und unpathetischer Leichtigkeit. Ebenso eindringlich und geradeaus ist die Geschichte der Autistin Temple Grandin, die übrigens mithalf, „Rain Man“ - Hauptdarsteller Dustin Hoffman auf seine anspruchsvolle Rolle vorzubereiten. Aus ihrer außergewöhnlichen Perspektive schildert Temple Grandin ihren zähen Kampf gegen die bizarren Symptome des Autismus: etwa das Unvermögen, ihre Bewegungen zu kontrollieren, die Besessenheit mit einer Beschäftigung, ihre Geräuschempfindlichkeit, die Überreiztheit ihres Nervensystems überhaupt, oder ihre anfängliche totale Unfähigkeit, mittels Sprache oder auch nur Körperkontakt eine Verbindung zur Außenwelt herzustellen - obwohl sie gerade dies sehnlichst wünschte. Dass es ihr schließlich dennoch glückte, sich aus ihrem gläsernen Gefängnis zu befreien, verdankt sie ihrem eigenen Erfindungsreichtum: Sie konstruierte einen Apparat, mit dessen Hilfe sie körperliche Berührung zulassen, aber auch kontrollieren konnte.
Diese „Zaubermaschine“ wie auch die liebevolle Zuwendung einiger weniger Menschen öffneten ihr den Weg durch die gläserne Tür in die reale Welt. #TempleTuer Direktbestellung

Temple Grandin: Ich sehe die Welt wie ein frohes Tier

Grundlage für den Film "Du gehst nicht allein" über Temple Grandin dieses Buch.
Dies ist das aktuellste, deutschsprachige Buch von Temple Grandin. Die Autorin, Wissenschaftlerin und Autistin ist nicht nur die bekannteste Autistin der Welt, sie ist auch Wissenschaftlerin der Verhaltensbiologie. Darüber hinaus hat sie über 50% der kommerziellen Tierhaltungsanlagen der USA und Canada entwickelt.
Ihr drittes Buch in deutscher Sprache widmet sich vor allem der Beziehung zwischen Menschen und Tieren. Dabei lernt man kuriose Dinge über Tiere, erfährt neue wissenschaftliche Hintergründe aus der Autismusforschung und die spannenden Erkenntnisse aus der Tierforschung für den Autismusbereich. Themenbereiche, bei denen man Zusammenhänge auf den ersten Blick nicht vermuten würde, werden spannend miteinander verwoben. #TempleTier

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Halfdan W. Freihow: Lieber Gabriel

Das Buch beschreibt sehr gefühlvoll die Beziehung zwischen Vater und Sohn und lässt sich Zeit dabei, es ist kein „schnelles“ Buch. Der Sohn hat Autismus und ADHS, ist 7 Jahre alt. Der Vater beschreibt fast beiläufig die Besonderheiten, die schwierigen Ereignisse – er beschreibt das alltägliche Leben mit seinem Sohn.
Er schreibt das Buch für seinen Sohn wie einen sehr langen Brief, spricht ihn dabei immer mit „Du“ an. Eine wunderschöne Schreibweise, die vom Stil her an „Der Hundertjährige, der aus dem Fenster stieg…“ erinnert.
Dramatisch, überraschend, grundsätzlich ehrlich und erschlagend offen: Auch die Schwierigkeiten innerhalb der elterlichen Beziehung und zu den Geschwistern werden nicht ausgespart. Überforderung. Ein großes Familienfest führt zum Eklat. Zukunftsangst.
Am Ende noch etwas zu den Diagnosen.
Das Buch zeigt die große Liebe des Vaters zu seinem Sohn – auch wenn es manchmal nicht einfach ist. Einfach schön zu lesen.

Ein Buch, ganz sicher für Eltern besonderer Kinder. Es zeigt einen faszinierend entspannten Umgang mit dem Kind - trotz der großen Herausforderungen, die solche Kinder darstellen.

Franz Uebelacker: Ich lasse mich durch wilde Fantasien tragen: Ein Leben mit Gestützter Kommunikation (FC)

Nachrichten aus der sprachlosen Tiefe eines Menschen.

Franz kann nicht sprechen. Er ist Autist und beginnt mit der „unterstützten Kommunikation“ schon zu Zeiten, da diese in Deutschland noch nicht bekannt ist. Die „unterstützte Kommunikation“ ist immer wieder faszinierend für einen Außenstehenden. Da teilt sich jemand mit, der nicht sprechen kann, intellektuell aber durchaus auf der Höhe ist: Man sieht es ihm aber überhaupt nicht an. Auch für Franz ist es immer wieder schlimm, für einen „dummen Spastiker“ gehalten zu werden.
Im Verlauf des Buches wird seine Kindheit, Schulentwicklung und Jugendzeit beschrieben. Nach 9 Jahren Schreibpause (wegen Liebenskummer, Pubertät und der Bewusstwerdung seiner Behinderung) beginnt er mit zahlreichen Texten über seine Sexualität, die Sexualität von Behinderten und den unerfüllbaren Träumen. Er reflektiert seine Behinderung und hadert damit, nicht aus ihr ausbrechen zu können. Er macht sch Gedanken über Gott und seine Situation im Leben.
Schon das Buch von Katja Rohde „Ich Igelkind“ mit der gleichen Thematik hat mich sehr bewegt. Franz Uebelackers Buch lässt einen ähnlich tiefen Einblick in den „autistischen Kerker“ zu. Einzig das Vorwort hätte man weglassen können. Es ist etwas unverständlich und nicht wirklich auf den Kontext bezogen.

Stefanie Perl: Hundgestützte Therapie für Menschen mit Autismus

Hundetherapie und Autismus… darauf muss man erst einmal kommen. Stefanie Perl berichtet aus ihrer Arbeit als Schulbegleiterin und erläutert die theoretischen Grundlagen der therapeutischen Arbeit mit einem autistischen Jungen. Was in anderen Ländern schon seit längerem praktiziert wird, wird sicherlich auch in Deutschland umgesetzt werden.
Interessantes Buch, gut geschrieben und mit neuen Ideen. Für Menschen, die sich für Autismus, Schulbegleitung oder Tiertherapie interessieren ganz sicher Neuigkeiten.

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Katrin Moser: Autismus-Spektrum-Störungen im kirchlichen Umfeld

Katrin Moser legt eine bisher einmalige Arbeit über die Autismus-Spektrum-Störungen im kirchlichen Umfeld vor. Dabei geht sie auf Menschen mit Behinderung im kirchlichen Kontext ein, erläutert die Ideen der Inklusion in diesem Rahmen und beschreibt vor allem, auf welche Besonderheiten die Mitarbeiter im kirchlichen Zusammenhang achten sollten, wenn sie mit Menschen aus dem autistischen Spektrum arbeiten.

In Auseinandersetzung mit christlichen Riten und Gebräuchen reflektiert sie die Bedürfnisse besonderer Menschen. Spannend und neu in der intensiven Auseinandersetzung mit diesem Thema.

Silke Lipinski, Aspie e.V.: Ein Pinguin unter Störchen
 

Der Satz „Kennst du einen Autisten, kennst du genau einen Autisten“ wird verständlich, wenn man von Lebenswelten der AutistInnen erfährt. Dazu ist dieses Buch eine schöne Einladung:  21 Menschen aus dem autistischen Spektrum stellen ihre unterschiedlichen Wahrnehmungen, Empfindungen und Lebensgeschichten vor. Es zeigt die unendliche Vielfalt und auch die Schnittmengen des Spektrums auf. Die Berichte sind faszinierend vielfältig, sowohl von den Lebensentwürfen, als auch vom Tiefgang her. Ich weiß nicht, nach welchen Kriterien die Reihenfolge der Berichte gewählt wurde, ich empfand es als immer tiefer gehend, umso länger ich las.
Nichtautistische Menschen können AutistInnen kennenlernen, indem sie ihre Wahrnehmung verstehen und nachvollziehen lernen. Mit diesem Wissen können sie Autisten am besten unterstützen – was viele Menschen, insbesondere Fachleute und Angehörige, meist möchten. Dieses Buch gibt die Gelegenheit dazu, sich in kurzer Zeit viel Wissen über individuelles Wahrnehmen anzueignen: Sehr zu empfehlen. #Lipinski2

Giesela Erdin: Gestützte Kommunikation mit nichtsprechenden Menschen: Eine empirische Untersuchung

Wissenschaftlichen Beiträge und im Zusammenhang mit den Analysen der vier Fallbeispiele werden viele Gesichtspunkte, die in der FC-Kritik eine Rolle gespielt haben, ausführlich beleuchtet werden. Ich nenne nur einige Beispiele: Spracherwerb als Teil der Gesamtentwicklung, dann Wahrnehmungs- und Handlungsstörungen, fehlendes Emotionsverhalten, Körperbewusstsein und Körperspannung, Beziehungsaufbau vom Säuglingsalter an, Störungen in den frühesten Mutter-Kind-Interaktionen u.a. 

Rezension von Dietmar Zöller.  #erdin

=""> Gabriele Schmitt-Lemberger: Das Leben, Autismus und die Villa Kunterbunt

Was für ein großer Korb voll Ideen, um Autismus besser zu verstehen. Eine fachlich versierte Mutter mit Hochbegabung, ADHS- und Aspergerdiagnose hat einen nonverbalen Sohn mit frühkindlichem Autismus bekommen. Nie wurden Verhaltensweisen von frühkindlichen Autisten so genau beschrieben und konkrete Handlungsmöglichkeiten aufgezeigt. Es ist wichtig, dass alle Eltern Hinweise in diese Richtung erhalten – auch wenn die Umsetzung häufig sicher schwer ist, weil sie viel Geduld, Verständnis und Zeit voraussetzt – alles Dinge, die meist nicht im Überfluss vorhanden sind. Kein Autist will seine Eltern ärgern! Also muss man verstehen, warum er häufig so Verhaltensoriginell reagiert - und wie man damit umgehen kann.
Die Texte lassen sich sehr gut lesen und weisen die Autorin als hervorragende Übersetzerin zwischen Nichtautisten und Autisten aus. In 72 knackigen Kapiteln nimmt sie Situationen einmalig klar wahr, analysiert sie, und erkennt und erläutert die Hintergründe der Verhaltensweisen.
Kein Meckern, keine Verbote ohne Alternativen anzubieten: „Radikale Akzeptanz“, gute Laune und „nicht alles schaffen müssen“ hilft bei der Bewältigung der gewaltigen Aufgaben im Alltag.
Ein wichtiges Buch nicht nur für Eltern nonverbaler Autisten, sondern auch bestens für das gesamte Autismusspektrum geeignet. #Kunterbunt

Jahn Georg Sebner-Brüx: Darum prüfe, wer sich ewig bindet ...

Ich habe das Buch in einem Rutsch an einem schönen Wintertag durchgelesen – das passiert mir selten. Die ausgesprochen pointierte Sprache ist herrlich zu lesen und selbst so mache Länge lässt sich dadurch genießen. Die Geschichte selbst auch, denn sie handelt von den Schwierigkeiten und Missverständnissen zwischen Mann und Frau und spart dabei intime Details nicht aus. Da der Autor die Diagnose Asperger Syndrom mit Anfang 50 erhalten hat, stellen sich die Ereignisse rückblickend in einem besonderen Licht dar.
Den fachlichen Rahmen schaffen Prof. Theunissen mit einem Vorwort und der Autor selbst mit einer fiktiven Gesprächsrunde aller Verflossenen am Ende des Buches. Beide gehen dabei auf die Besonderheiten von AutistInnen bei der Partnersuche ein, die im Hauptteil nur durch kursive Schrift thematisiert werden.
Sicherlich werden sich in den Berichten der sexuellen Entwicklungsstufen und Partnerfindung viele Menschen wiedererkennen – neurotypische wie auch AutistInnen. Wobei hier deutlich wird, dass sich Menschen im Spektrum deutlich mehr Zeit lassen, ohne es wirklich zu wollen. Kein Fachbuch, trotzdem mit vielen Fußnoten und Literaturhinweisen versehen und mit viel sprachlichem Witz
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Heiko Powell: Der Weg - Malbuch

Heiko Powell hat genau die richtige Beschäftigung für dunkle Wintermonate entwickelt: Ein Malbuch, mit dem man je nach Wunsch mehrere Möglichkeiten hat. Vorn im Buch sind die farblosen Ausmalbilder, die man je nach eigener Kreativität ausmalen kann. Hinten im Buch sind die ausgemalten Bilder des Künstlers in Farbe abgedruckt (aus denen man übrigens auch Wandbilder rahmen könnte). Nun kann man sich entscheiden, ob man vielleicht sogar versucht, die Bilder des Künstlers in seinen Farben nachzumalen. Schöne Idee.

Als Anregung: Mailt ihm eure Entwürfe, er wird sich sicher freuen. #powell

Ulrike Funke: Interaktion und Kommunikation bei Autismus-Spektrum-Störungen

Hier haben wir ein echtes Fachbuch vorliegen, das sicher neue Impulse in der Arbeit mit AutistInnen setzen kann. Es beschreibt das Konzept Komm!ASS und es macht Spaß, das Buch zu lesen. Denn hier geht es um das Wahrnehmen, die Einfühlsamkeit, die Wertschätzung auch von kleinsten Erfolgen und um Verständnis – es ist positiv und nicht defizitorientiert ausgerichtet. Im Wesentlichen richtet es sich an jüngere Kinder, meist nonverbal oder mit geistiger Behinderung, aber vieles lässt sich durchaus auf Erwachsene und Asperger übertragen.
Da wäre vor allem die Vorstellung der Wahrnehmungssysteme, der Reizmöglichkeiten; jeweils mit Übungen und Hinweisen zur Verbesserung des Umgangs damit. In den zahlreichen Fallbeispielen ist es faszinierend, wie das Team in ungewöhnlichen und stressigen Situationen Reize setzt, die den Kindern bei der Regulation helfen.
Unbedingte Empfehlung für Ergo- und Logotherapeuten, die mit AutistInnen arbeiten – aber auch für Eltern und Pädagogen, die unterstützen möchten. Sehr schön, dass hier ein kompletter Therapieansatz ausführlich beschrieben wird, um selbst diesen positiven Ansatz weitertragen und –nutzen zu können. Therapiebausteine, Entwicklungsverläufe, Einblick in die ersten Therapiestunden und ganz viel praktisches Handwerkzeug tragen dazu bei.#U-Funke

Tschirren, Hächler, Mambourg: ich bin Loris

Wie erklärt man Kindern Autismus? Gibt es dazu Literatur? Das sind zwei Fragen, die mir oft am Büchertisch gestellt werden, wenn ich auf Fachveranstaltungen Bücher zum Thema Autismus vorstelle. Dieses kleine Büchlein „ich bin Loris“ ist dafür genau das Richtige. Denn hier werden in einer netten kleinen Geschichte alle Merkmale vorgestellt, die es zu verstehen und zu erläutern gibt.
Es geht um besondere Interessen, Struktur und Zeit, Verwendung von Sprichwörtern verstehen, Mimik und Gestik, Freunde und Absprachen und einiges mehr. Ganz toll gemacht, weil auf so wenigen Seiten, mit so wenig Text wirklich alles Wesentliche erläutert wird.

Zusätzlich gibt es umfangreiches Download-Material, dass das Buch auch für den therapeutischen Bereich leicht und schnell einsetzbar macht. Man kann das Material sowohl dafür nutzen, Kindern in einer Schulklasse als auch in einer Kindergartengruppe das Thema Autismus vorzustellen. Außerdem ist es damit möglich, zusammen mit jungen Autisten die eigenen Besonderheiten herauszuarbeiten. Sehr gute Umsetzung der Idee und beste Empfehlungen für Eltern und Fachleute.#loris
Birke Opitz-Kittel: Mama lernt Liebe

Das Buch ist eine sehr schön geschriebene Autobiografie einer Mutter mit fünf Kindern, die erst mit 37 Jahren ihre Autismusdiagnose erhält. Eine abwechslungsreiche, spannend geschriebene Biografie, die eine offensichtliche Kraftleistung und Energie der Mutter offenbart, für die sie eigentlich keine Grundlage hat: eine schwierige Kindheit mit Eltern, die sie weder verstanden noch unterstützt haben. Sie will das besser machen, merkt aber, dass sie selbst anders ist als andere Menschen. Sowohl als Kind, als auch als Mutter.
Sie kümmert sich intensiv um ihre Kinder, die aus drei Beziehungen stammen und viele Schwierigkeiten in ihren ersten beiden Beziehungen andeuten. Sie hat Missbrauchs- und Gewalterfahrungen machen müssen und möchte ihre Kinder davor schützen – alles besser machen und eine gute Mutter sein. Das ist sie, keine Frage. Ihre Kinder haben unterschiedliche Diagnosen, eines hat Autismus. Über diesen Weg kommt sie, wie viele erwachsene Autisten, zu ihrer eigenen Diagnose.
Beeindruckend, wie sie trotz dieser vielen Aufgaben und zum Teil auch als alleinerziehende Mutter den Überblick behält. Da hilft nur Struktur, die sie gern gibt und die ihr auch den Halt vermittelt, den sie braucht, um das Leben zu bewältigen. Als Leser atmet man auf, als sie endlich den richtigen Mann kennenlernt und sogar noch ihr Abitur nachholt. Hochbegabung nicht nur bei ihr, sondern auch bei ihren Töchtern.
Eine beeindruckende Lebensgeschichte mit vielen kräftezehrenden Hürden, an denen die Autorin die Leser so lebendig teilhaben lässt, dass man das Buch auch gut in einem Rutsch durchlesen kann. Die Schwierigkeiten von Autisten in einer neurotypischen Gesellschaft werden laufend beschrieben, so dass sich sicherlich viele Autisten (auch die vielleicht noch keine Diagnose haben) darin wiedererkennen können. Die Bildungschancen, um die sie in ihrer Kindheit gebracht wurde, kann sie ihren Kindern geben. Das kümmern um die Kinder, die Aufmerksamkeit die sie ihnen schenkt, all das ist die Liebe einer Mutter.
Der Buchtitel ist sicherlich in der Marketingabteilung des Verlages entstanden und animiert hoffentlich viele Menschen, dieses Buch zu lesen. Insbesondere autistischen Frauen sei das Buch ans Herz gelegt.
#opitz-kittel

Julia Finley Mosca - Daniel Rieley: Das Mädchen, das in Bildern dachte

Tempel Grandin ist eine der bekanntesten, wenn nicht die bekannteste, Autistin der Welt. Sie hält viele Vorträge und ist in ihrem Hauptberuf Tierwissenschaftlerin. In 2010 wurde ihr Leben sogar verfilmt. Nun gibt es dieses kleine, wunderbare Buch, dass ihre Lebensgeschichte in einfachen Bildern und schönen Versen erzählt. Hier wird auf unterhaltsame Weise und durch die Einfachheit der Bilder und Reime ihre Andersartigkeit treffend erläutert und dargestellt. Sicher eine Herausforderung für Rainer Döhle von Aspies e.V., die englischen Verse so pointiert ins Deutsche zu übersetzen.
Ist es nun ein Kinderbuch? Ich denke nein, nicht nur, es ist auch für Erwachsene geeignet. Aber man kann Kindern mit diesem Buch sehr deutlich und auf angenehme leichte und verständliche Weise mögliche Besonderheiten durch Autismus erläutern – und auf Andersartigkeiten von Menschen eingehen.

Im Abspann des Buches wird die Lebensgeschichte von Tempel Grandin auf weiteren Seiten erläutert. Erst mit vier Jahren hat sie mit dem Sprechen begonnen, wurde in der Schule gemobbt und hat sich später in der männerdominierten Viehbrache durchgesetzt. Ihre Ideen im Bereich der Tierwirtschaft wurden weltweit umgesetzt. Heute ist sie als Vortragsrednerin für beide Bereiche – Tiere und Autismus – in der ganzen Welt unterwegs.

Insgesamt eine sehr gute Idee, das „Denken in Bildern“ leicht verständlich und originell vorzustellen. #temple-kind

Silke Bauerfeind: Diagnose Autismus - wie geht`s weiter?

Nach zwei sehr guten Büchern der Autorin war ich gespannt auf das Dritte. Was könnte als Ergänzung noch kommen? Es kam ein als Ringbuch gebundenes Werk, was mich erstmal überrascht hat, sich aber schnell als geniale Lösung für den Inhalt herausgestellt hat: das Buch ist voll von Kopier- und Druckvorlagen für alle Lebensbereiche.
„Viele Eltern wissen viel, aber die Umsetzung im Alltag ist schwer“: Dafür gibt es hier Vorlagen für alle Lebensbereiche, um genau das mit Struktur zu unterstützen. Sicherlich bleibt es viel Arbeit, aber durch die Struktur kann man die Ergebnisse gut verwenden – auch langfristig. Wenn man z.B. die Vorbereitung auf Kostenträger-/ Schulgespräche nutzt, ergibt es einen Roten Faden auch für zukünftige Gespräche – und man ist immer bestens vorbereitet.

Das positive Denken und die Motivationsfähigkeit der Autorin erkennt man in jedem Satz des Buches: Das ist sooo hilfreich für Eltern von autistischen Kindern. Die Themen der Formulare ziehen sich durch alle Altersgruppen bis hin zur Zukunftsgestaltung. Eine Nutzung mit bereits älteren Kindern ist somit auch möglich. Es sind gute Werkzeuge, sich selbst und die Verhaltensweisen der Kinder kennenzulernen: „Jedes Verhalten hat einen Grund.“
Nach der Diagnose bleiben Eltern meist erstmal allein damit – durch das Buch kann man handfeste Hinweise bekommen, wie es weitergehen kann: Therapieauswahl, Wahrnehmung schärfen und strukturieren, Unterstützungsmöglichkeiten kennenlernen, Übergänge gestalten. Eine sehr gute Hilfe für alle Eltern, die etwas Praktisches in der Hand haben möchten.#Bauerfeind3

Stephanie Walter-Meer: Den inneren Suizid besiegen

Das Buch geht in die Tiefe – und tiefer. Die Autorin öffnet ihr ganzes Ich vor den Lesenden, offen und schonungslos. Wenn dabei der Buchtitel und das Cover nicht schon Triggerwarnung genug wäre, müsste man warnen: Nichts für zarte Gemüter.

Die Beschreibung ihrer Suizidalität, der Depressions- und Familiengeschichte ist heftig und so detailliert, dass keine Fragen offen bleiben.
Die Frage der Frühpensionierung bewegt die Autorin weiter. Sie ist Lehrerin aus Überzeugung und für sie ist es extrem unbefriedigend, dass im Schulkontext kein Platz mehr für sie gefunden worden ist. Von der Diagnose Autismus bis zur Frühpensionierung sind keine 2 Jahre vergangen. Da sind nach meiner Einschätzung seitens der Schulbehörde nicht alle Möglichkeiten ausgeschöpft worden.
Eine schöne Beschreibung hat die Autorin mit der „Kontakt-Unverträglichkeit: allergische Reaktion“ für alles rund um Wahrnehmung und Kommunikation gefunden.
Ein weiteres Schwerpunktthema im Buch sind mit 120 Seiten ihre Erfahrungen während der verschiedenen Psychotherapien. Sie hat zahlreiche Notizen, Tagebücher und Beschreibungen aufgehoben, die chronologisch einen ausgezeichneten Einblick in die Abläufe geben. Der „Therapie-Comic“ ist dabei eine gute und ungewöhnliche Idee, der für meine alten Augen aber nicht gut lesbar war.
Die Zukunft der Autorin liegt in der Annahme ihres autistischen Seins, das sie beschreibt und das sich zu entwickeln beginnt. In den letzten Jahren und Monaten hat sich ihr Leben so grundsätzlich verändert, dass das sicherlich noch eine Weile dauern wird. #walter-meer-suizid

Silke Lipinski: Autismus. Das Selbsthilfebuch

Das perfekte Buch für erwachsene Menschen im Autismus Spektrum: Kurz, klar, knackig, fachlich und ohne Schnörkel. Dieses Buch ist dafür da, Ihre Fragen zu beantworten. Die Fragen, die Sie über sich selbst schon immer gestellt und nach Antworten gesucht haben. Sie lernen durch dieses Buch sehr viel über Autismus - und sich selbst besser kennen, versprochen.
Eine der Grundlagen des Buches ist eine Umfrage unter Menschen aus dem Spektrum, bei der Wünsche nach Unterstützung und Information geäußert werden konnten. Die Wünsche sind aus allen Bereichen und werden hier klar und präzise beantwortet: Was ist Autismus („Eine besondere Weise der Wahrnehmung und Informationsverarbeitung“), was mache ich mit der Diagnose, Mythen, Stärken, Gefühle, Stress, Gesundheit und Hilfen.
Die einzelnen Kapitel sind sehr gut aufgebaut: Leicht verständlicher und gut lesbarer fachlicher Input und am Ende „Anregungen“. In den Anregungen werden sehr konkrete Fragen gestellt, um sich mit der eben gelesenen Thematik sehr persönlich zu beschäftigen. Toll gemacht. Die Fragen eignen sich auch sehr gut für eine Zusammenarbeit mit einer Vertrauensperson.
Dazu passt auch der „Diagnose-TÜV“, um nach der Diagnose zu überprüfen, ob Einschätzungen über sich selbst möglicherweise erneuert und aktualisiert werden müssen.
Der große Vorteil des Buches ist das Kompakte. Da traut man sich ran, an ein dickes Fachbuch vielleicht eher nicht. Dazu gibt es einige Arbeitsblätter zum Download, was eine sehr schöne und hilfreiche Ergänzung ist.
Fazit: Für spätdiagnostizierte Menschen im Spektrum dringend empfohlen. Auch für Angehörige und Fachleute finde ich es sehr hilfreich, weil man aus einer neuen Perspektive das Hinschauen lernt und für vielleicht ungewöhnliche Verhaltensweisen Verständnis aufbringen wird.#Lipinski

Clemens G. Arvay: Mit den Bäumen wachsen wir in den Himmel

Der Autor bringt eine interessante Kombination mit: Biologe und Waldforscher sowie Vater eines autistischen Sohnes. Schon während seines Zivildienstes hat er Kinder mit Autismus begleitet, das war ungewollt eine gute Vorbereitung auf seine Vaterschaft. Seinem Sohn sagt er als Gute-Nacht-Lied jetzt übrigens das 1x1 auf, das beruhigt ihn am besten.
Schon damals ist er mit den Kindern viel in den Wald gegangen und nutzt den naturalistischen Ansatz der Waldtherapie für die AutistInnen. Das stellt er in diesem Buch sehr kompetent vor, immer auch mit Belegen aus der Wissenschaft unterstützt. Kein Sensorik-Parcours der Ergotherapie ist besser als die Natur. Wahrnehmung und Reize sind seine wichtigen Themen, die Natur das Werkzeug. Beeindruckend, wie er beschreibt, wie er die Vielfalt und Möglichkeiten des Waldes für dieses Thema einsetzt. „Ruhelos im Alltag, entspannt im Wald“.
Er nutzt den Wald auch für Waldmusik und bringt für die Kinder Instrumente mit. Die Interaktionen und Weiterentwicklungen in den unterschiedlichen Kommunikationswegen, die sich durch die Waldaufenthalte ergeben, belegen die tollen Möglichkeiten – übrigens ganz sicher auch für Kinder ohne Autismus.
Mit klassischen Therapien hat der Autor schwierige Erfahrungen gemacht, oft gab es gegensätzliche Empfehlungen. Immer wieder liest man, dass Eltern die beste Therapie selbst auswählen und zwischen sinnvoll und weniger sinnvollem entscheiden müssen. Eltern sind die Fachleute für ihre Kinder.
Ein sehr schönes Buch, das die heilenden Möglichkeiten des Waldes und die vielfältige Nutzung der Natur im Allgemeinen für Kinder mit besonderen Bedürfnissen schlüssig und mit vielen Anregungen vorstellt. #arvay

Peter Schmidt: Aus dem Rahmen gefallen. Praktische Autismuskunde von einem, der es wissen muss

Peter Schmidt ist ein Bestseller-Autor, der zahlreiche Vorträge im In- und Ausland hält. Wer seine Vorträge kennt der weiß: Es ist sehr unterhaltsam – und ernst zugleich. Das schaffen nur Wenige und die Übertragung seines Humors und seiner Lebendigkeit gelingt in dieses Buch. Er reflektiert das autistische in seiner Persönlichkeit einzigartig und findet beste Bilder und Beschreibungen für seine Empfindungen. Jeder Autist ist anders, empfindet anders und sieht die Welt anders: darauf weist Peter Schmidt oft hin, wenn er sich beschreibt. Aber ihm gelingt auch die Übertragung, die Darstellung häufig ähnlicher Wahrnehmungen und Bedürfnisse von AutistInnen.
Zahlreiche Anekdoten machen das Buch lebendig und anschaulich und weisen darauf hin, wie Bedürfnissen von AutistInnen entsprochen werden kann, ohne Neurotypische einzuschränken. So könnte ein entspannteres Miteinander möglich werden. Das beschreibt er in der Schule und im Übergang zum Beruf. Er empfiehlt eine langfristig gewährleistete Beratung und Unterstützung bei Konflikt- und Krisensituationen.
Er lässt wie schon in seinem Erstlingswerk „Ein Kaktus zum Valentinstag“ tiefe Einblicke in Familie und Partnerschaft zu. Seine Kinder hatten einen „anders anderes Vater“ und auch seine Frau kommt mit einem längeren Beitrag über ihn zu Wort. Es ist sehr lohnenswert, von endlosen Diskussionen über vermeintliche Belanglosigkeiten zu lesen die nötig sind, damit die Ehe funktioniert.  
Schmidt setzt sich auch mit der deutlichen Zunahme von Autismusdiagnosen auseinander und plädiert für Ausschlusskriterien zur Diagnostik. Z.B. wenn Smalltalk entspannt möglich ist, kann es kein Autismus sein u.ä. Hochinteressant auch seine Texte und Einschätzungen zur Abgrenzung zu anderen Diagnosen wie ADHS und zur ABA-Therapie. Man merkt an jeder Stelle des Buches, dass er nicht nur Fachmann für sich selbst ist, sondern sich auch mit allen Aspekten des Autismus beschäftigt hat. Es ist im besten Sinne eine Autismuskunde und dass er es weiß – wissen wir. Fazit: Das richtige Buch, um das komplexe Thema Autismus auf unterhaltsame und aktuelle Art besser zu verstehen und AutistInnen eine bessere Teilhabe zu ermöglichen. #SchmidtRahmen 
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Georg Theunissen, Mike Sagrauske: Pädagogik bei Autismus. Eine Einführung

Für angehende Fachleute ist das genau das richtige Buch, damit das Thema Autismus modern und unterstützend, nicht alt-traditionell und defizitorientiert erlernt wird. Es beginnt mit der interessanten Geschichte des Autismus und widmet sich dann den pädagogischen Praxisfeldern ‚Frühe Hilfen‘, Schule, Arbeit, Wohnen, Stressabbau sowie Beratung und Psychoedukation.
Theunissen löst damit alte Buchausgaben von 2011 und 2014 ab und hilft, bisherige Vorstellungen von Autismus zu revidieren. Empowerment und positive Anerkennung der individuellen Leistungen sollten die zukünftigen Strategien im Umgang mit Autismus sein. Theunissen ist klarer Verfechter dieser Richtung – und übrigens auch die Position der amerikanischen Selbsthilfe. Diese Einstellung spiegelt sich auch in der Vorstellung von Therapieformen wieder: Weg von intensiven verhaltenstherapeutischen Maßnahmen und hin zur Unterstützungsperspektive.
Autistische Kinder sind keine fehlentwickelten oder entwicklungsgestörten Heranwachsenden, sondern junge Menschen mit einer atypischen Entwicklung, vor allem mit einer von Natur aus anders ausgerichteten Wahrnehmung“ (S. 122).
Gerade im Bereich Schule wird häufig auf eine Veröffentlichung von Kluth 2003 Bezug genommen. 2003! Sinnvolle Ideen gibt es also schon sehr lange, schade, dass sie so zögerlich Einzug in den Alltag finden.
Im Bereich Arbeit/ Studium/ Wohnen nimmt Theunissen oft Bezug auf Beispiele aus den USA. Das ist gut, um neue Idee aufzuzeigen. Beispiele aus Deutschland sind hier etwas zu selten.
Hervorgehoben werden Themen wie „Unterstützte Beschäftigung“ und auch das BTHG mit vielen Beispielen, so dass das Buch sehr aktuell ist und die laufende Diskussion bereichern wird.
Wichtig und daher sehr detailliert mit Umsetzungsbeispielen beschrieben, wird das Thema Psychoedukation.
Insgesamt ein tolles, aktuelles Lehrbuch, damit das Thema Autismus grundsätzlich neu und ohne alte Vorurteile verstanden werden kann. #theunissenPaedagogik

Poser Cornelia Poser: Echsenkönig

Ein gelungener Roman mit einem sehr informativ und geschickt verpacktem Inhalt: Er klärt über Autismus und dessen unterschiedliche Ausprägungsmöglichkeiten auf. Dabei ist er in sehr gut lesbarem – jugendgerechten – Schreibstil verfasst.
Die wirklich spannende Geschichte – man fiebert zum Ende hin regelrecht mit – beschreibt die Lebens- und vor allem Schulsituation von zwei Jugendlichen. Janne trägt eine dicke Brille und liest viel, Anders ist Autist. Beide sind dadurch Außenseiter in der Klasse.
Die autistischen Verhaltensweisen und die Gründe dafür werden ganz hervorragend eingeflochten. Dadurch erfahren Jugendliche und Erwachsene die das Buch lesen, sehr viel darüber. Ideal, um in Schulklassen oder im Zusammenhang mit Jugendgruppen diese Thematik zu besprechen.
Eine kleine Hommage an den Klassiker Rainman ist auch nett untergebracht, als Anders auf Anhieb die Anzahl der Kirschkerne in der Hand von Janne erkennen kann. Das Spezialinteresse von Anders – die Echsen – ergeben den Buchtitel und zeigen im Verlauf seine Fantasie bei Wortfindungen. Die Eltern der beiden Protagonisten spielen auch eine weitere Rolle – aber lesen Sie selbst.
Sehr empfohlen für Jugendliche – aber auch für Erwachsene, die sich dem Thema Autismus nähern möchten.#poser
schreiner1 Marion Schreiner: Denkmomente 1

Die bekannte Bestsellerautorin (Psychothriller) erhält mit 48 Jahren ihre Diagnose. Sie beschreibt in diesem Buch ausführlich Begebenheiten in ihrem Leben und zeigt den Zusammenhang zu ihrem Autismus auf. Das macht sie in einem ausgesprochen gut lesbaren Buch, das bei vielen Menschen neues Verständnis für Asperger erzeugen wird. Denn sie erklärt viele alltägliche und familiäre Situationen und begründet ihre Verhaltensweisen, die sich möglicherweise für Außenstehende nicht erschließen.
Alltag, Familie, das eigene Helfersyndrom inkl. des ausgenutzt werdens: Einige Themen aus der reichen Vielfalt eines erfahrenen Lebens. Das Buch lässt sich sehr gut von vorn bis hinten am Stück durchlesen, auch wenn die Autorin empfiehlt, sich immer nach Interesse einzelne Kapitel vorzunehmen.
Besonders spannend finde ich, wie sie selbst die richtige Einstellung der Medikamente bei ihrem Diabetes herausfindet, weil sie den Autismus berücksichtigt. Damit verblüfft sie auch ihre Ärztin, der das nicht gelungen ist.

Ein sehr gut lesbares, autobiografisches Buch, um AutistInnen besser zu verstehen. Viele Aha-Momente sind garantiert.#schreiner01
meer-walter
Stephanie Meer-Walter: Eine unerhörte Antwort! …auf die vermeintliche Erfolgsgeschichte
Die Autorin ist Lehrerin und in ihrem Beruf schon seit vielen Jahren mit Begeisterung tätig. Mit 47 Jahren hat sie ihre Autismus-Diagnose erhalten. Auf den ersten 40 Seiten ihres Buches beschreibt sie ihr bisheriges Leben und die vielen Hürden, die sich für sie aufgetan haben - und auch darüber, wie sie damit umgegangen ist. Das liest sich sehr interessant und öffnet die Augen für Belastungen von Autistinnen im Beruf, die NTs nicht wahrnehmen würden.
Kern des Buches sind aber ihre zahlreichen Fotografien, die sie mit einem Smartphone oft sehr detailliert aufgenommen hat. Zu jedem dieser Fotos hat sie sehr eindringliche Texte geschrieben, die unter die Haut gehen und jeweils auf der gegenüberliegenden Seite abgedruckt sind. Die Texte beschreiben ganz toll ihre Empfindungen als Autistin; eine Diagnose hatte sie zu diesem Zeitpunkt noch nicht. 
Unterteilt werden die Bilderreihen durch Zwischenkapitel, die jeweils einen einleitenden Text haben. Besonders schön: das Theaterstück mit Szenen zwischen Hoffnung, Depri, Mensch und Autist. 
Ehrlicherweise gefällt mir das Layout nicht wirklich, es wirkt lieblos. Und das bei Texten und Bildern, die sooo viel Gefühl ausdrücken. Aber das ist sicher Geschmackssache. 
Insgesamt ein sehr empfehlenswertes Buch, wenn man sich gut auf Gedankenwelten durch Bilder und Texte einlassen kann.#meer-walter
Birgit Saalfrank: Ich, Birgit, Autistin und Psychotherapeutin
Was für eine starke Autobiografie. Birgit Saalfrank leidet unter heftigen Depressionen und erfährt erst mit 39 Jahren, dass sie Asperger-Autistin ist. Das verändert die Sicht auf ihr Leben und ihre Person grundlegend. Beides kann sie hervorragend beschreiben: Ihr Weg durch die Depressionen mit zahlreichen Therapeuten, Klinikaufenthalten und Arbeitswechseln und dem Wissen „da ist noch was Anderes“ – und die Autismus-Diagnose mit Coming-out und dem Umgang damit. Extrem reflektierte Autorin, die auch mit Unterstützung ihrer jahrelangen Tagebuchaufzeichnungen ihren Lebensweg interessant und spannend aufgeschrieben hat.
Ausführlich geht sie auf ihre Familiengeschichte ein, die Schul- und Jugendzeit und beschreibt auch den Umgang in der Therapie mit Familie, Beziehungen (Hetero, Homo, Bi, ach wer weiß das schon) und Arbeitsverhältnissen. Ihre innere Zerrissenheit, häufige Kraftlosigkeit, ihr nicht-zu-sich-selbst-finden, kein klares „Ich“ zu haben sondern auf zwei Bereiche aufgeteilt zu sein: Alles sehr verständlich beschrieben.
Die Autismusdiagnose ist nicht nur Erleichterung, sondern auch Sorge vor dem, was nun kommt. Es gibt quasi „autistische Schübe“, in denen sie sich so zeigt und entwickelt, wie sie ist, sich nicht mehr verstellt (vermeidet Sprechen und Blickkontakt, beginnt zu wippen, ist sehr Reizempfindlich, trägt auch in Innenräumen eine Sonnenbrille etc.). Die Depression scheint aber „obenauf zu liegen“, die autistischen Erkenntnisse und der offene Umgang damit führen nicht dazu, das Depressionen ausbleiben.
Ein sehr empfehlenswertes Buch insbesondere für Menschen, deren Komorbidität zum Autismus eine Depression ist, was häufig vorkommt – und für erwachsene Autisten, um sich mit der eigenen Lebensgeschichte auseinanderzusetzen.#saalfrank
wilczek

Brit Wilczek: Wer ist hier eigentlich autistisch?

Ein wirklich gutes Buch, das zum Verständnis von neurotypischen Menschen für Menschen mit Autismus beiträgt - aber genauso wichtig auch umgekehrt menschliches Verhalten erklärt, um es verständlich und erlernbar zu machen.
In einer sehr wertschätzenden und praxiserfahrenen Art beschreibt die Autorin, die 29 Jahre Erfahrung in der Arbeit mit Menschen mit Autismus hat, alle Aspekte des Spektrums. Nach der Frage „Was heißt eigentlich Autismus“, geht es vor allen Dingen darum, was es bedeutet, autistisch zu sein. Hier werden unterschiedliche Wahrnehmungen sehr genau beschrieben und erläutert. Und zwar einmal so, dass nichtautistische Menschen diejenigen mit Autismus besser verstehen können, aber eben auch andersherum: Damit autistische Menschen sich neurotypische besser erklären können – sehr gut gemacht und für „beide Seiten“ absolut hilfreich.
Das Buch ist fachlich sehr gut und kenntnisreich geschrieben. Der Schreibstil erlaubt ein flüssiges Lesen, weil die Autoren häufig auf ihre Erfahrungen in ihrer Arbeit zurückgreift und das Ganze sich dadurch sehr persönlich liest.
Das Verständnis für beide Seiten und die ausgesprochene Wertschätzung für Menschen mit Autismus machen dieses Buch so besonders. Während neurotypische einen sozialen Autopiloten besitzen, reagieren Menschen mit Autismus mit Logik und Klarheit, um sich den Autopiloten erklären zu können. Ein sehr schönes Bild.
Die Autorin schreibt von Menschen „auf dem Spektrum“ statt „im Spektrum“, das finde ich persönlich ungewöhnlich, aber ist vielleicht regional unterschiedlich. Auch den Titel des Buches finde ich nicht so glücklich gewählt. Er wird zwar erläutert, aber erinnert zu stark an den umgangssprachlichen Vorwurf, der so oft und falsch klischeehaft genutzt wird. Der Inhalt ist aber wirklich ganz klasse, da kann man darüber leicht hinwegsehen.
Das Buch ist sehr gut geeignet für Menschen mit Autismus, sehr gut für Fachkräfte, die wertschätzend mit ihren Teilnehmerinnen arbeiten möchten, und natürlich auch für Eltern, Verwandte und Freunde, die ihre Angehörigen besser verstehen möchten. Auch wer sich erstmalig informieren möchte, findet hier den richtigen Lesestoff. #wilczek

Martina Grünebaum: Alle anderen sind komisch

Das kleine, 100 Seiten starke Buch hat es in sich: Viele kurze Geschichten über einen 14-jährigen Asperger Autisten. Vor allem über seinen Schulbesuch, aber auch über seine Freizeit und sein Zuhause. Geschrieben aus der Perspektive des Jugendlichen sind die Geschichten absolut treffsicher und geben einen hervorragenden Einblick in das Denken und Gefühlsleben des jungen Menschen. Man kann die Welt mit seinen Augen sehen, wie man so schön sagt, und aus seinem Blickwinkel leicht und deutlich erkennen: Alle anderen sind komisch. Er versteht die Handlungen von Mitschülern oft nicht, weil sie sich unlogisch verhalten – und das Gleiche kann man im Wesentlichen auf den Rest der Welt übertragen. Und die Autorin zeigt mit dieser Sichtweise des Jugendlichen: Er hat aus seiner Perspektive Recht mit seiner Einschätzung!
Durch dieses Buch kann man seinen Blick auf die Dinge sehr gut nachvollziehen und dadurch hilft es, Menschen mit Autismus in Schule und Freizeit besser zu verstehen. Klasse gemacht. Das Buch hat einen unschlagbar günstigen Preis und ist das perfekte kleine Geschenk für Bekannte, Verwandte und Interessierte am Thema. #gruenebaum

Lorenz Wagner: Der Junge, der zu viel fühlte: Wie ein weltbekannter Hirnforscher und sein Sohn unser Bild von Autisten für immer verändern

Entstehung der intensworld theory of autism und Einblick in die Autismusforschung.

„All seine vielbeachteten Aufsätze und Preise halfen ihm nicht, wenn er ratlos im Kinderzimmer stand“. Auf dieser Grundlage gründet die Motivation des bekanntesten Hirnforschers der Welt, seine wissenschaftlichen Fähigkeiten für die Erforschung des Autismus einzusetzen. Und er wäre kein begnadeter Forscher, wenn er nicht eine völlig neue Theorie entwickelt hätte, die auf neuronalen Nachweisen und Versuchen basiert: Autisten fühlen wesentlich mehr als Nichtautisten, sind wesentlich empfindlicher und emphatischer als bisher angenommen. Obwohl Eltern (und Henry Markram selbst) davon schon seit Jahren berichten, wurde der Hintergrund nie beleuchtet. Das ist Markram gelungen und wurde von Lorenz Wagner in diesem Buch sehr verständlich vorgestellt. Darin liegt auch die Kunst des Buches: Ein Nicht-Wissenschaftler berichtet über die Wissenschaft – dann ist das Ganze gut verständlich und daher führt uns hier ein Spannungsbogen durch das Leben einer Wissenschaftlerfamilie. Das macht den zusätzlichen Reiz des Buches aus: Man lernt den Wissenschaftsbetrieb kennen. Von Projektfinanzierung, dauernden Umzügen und familiären Herausforderungen bis hin zu Tierversuchen und Publizierungshandwerk.
Aus seiner Forschung leitet Markram auch eine Therapieempfehlung ab: In den sensiblen Phasen der Hirnentwicklung eine gefilterte, geschützte und behütete Umgebung – ein von ihm persönlich erlebter und plausibler Rückschluss seiner Forschung – die ab dem 6. Lebensjahr mit einer „behutsamen Gewöhnung“ fortgesetzt wird.
Ein spannendes Buch und ein Highlight der Veröffentlichungen im Bereich Autismus.

„Wir sagen Autisten fehlt Empathie. Nein. Uns fehlt sie. Für die Autisten.“ #wagner Direktbestellung

Edith Sheffer: Aspergers Kinder: Die Geburt des Autismus im "Dritten Reich"

Ein spannendes und sehr aufklärendes Buch über die Euthanasie. Mit unglaublichen Zahlen über Ermordung, Tötung und missbrauchendem Verhalten von Menschen – die Millionen von getöteten Menschen übersteigen das Vorstellungsvermögen. Sheffer beleuchtet das historische und politische Umfeld der Zeit, als Asperger seine Diagnose entwickelte. Wien, die Stadt der namhaften Psychologen wie Freud und anderen, Wien als Nazihochburg, aus dem tausende Juden fliehen müssen und ein Österreich, das sich erfreut und sehr offen über den Einmarsch der Deutschen zeigt.
Und Asperger? Er hangelt sich durch diese Zeit hindurch, ist eher eine Randfigur und doch Protagonist dieses Buches. Er bleibt katholisch, tritt der NSDAP nicht bei (obwohl das seiner Karriere sicher gut getan hätte) und ist eng verbandelt mit den Menschen, die die Euthanasie an Kindern organisieren und durchführen. Allerdings wirken die Bezüge, die Edith Sheffer zwischen der Euthanasie und Asperger herstellt, oftmals etwas erzwungen (das kostet einen Bewertungsstern). Man hat den Eindruck, dass das Ergebnis ihrer Forschung vorher feststand, und sie nun nach Verbindungen sucht, die aber immer rudimentär bleiben. Ganz sicher hat Asperger von der Euthanasie gewusst und nichts Nachweisbares dagegen übernommen. Hat er selbst Kinder in den Tod geschickt? Das lässt sich konstruieren, aber nie direkt und nachweisbar, daher würde ich das eher verneinen. Deshalb wundern mit Rezensionen der letzten Monate, die in namhaften Zeitungen erschienen sind. Da scheinen einige Menschen das Buch nicht komplett gelesen zu haben. Trotzdem hat er von der Nazizeit profitiert: Er hat Posten und Verantwortungsbereiche bekommen, die durch die Flucht tausender Juden erst frei wurden.
Viele Kapitel widmen sich der schrecklichen Euthanasie, auch dem unterschiedlichen Umgang mit Jungen und Mädchen, einzelnen Lebensgeschichten und den unmenschlichen Bedingungen, die Pfleger, Sozialarbeiter, Ärzte und am Ende auch die Bevölkerung zugelassen haben. Es gab Proteste, Helfende und Mahner, die werden aber eher am Rande erwähnt.
Wäre Lorna Wing nicht gewesen und Asperger nicht kurz vor ihrem wegweisenden Artikel gestorben (deshalb hat sie ihn so ausdrücklich erwähnt) – der Name Asperger wäre wohl niemandem bekannt geworden.
Das Buch ist sehr empfehlenswert, um sich mit der Geschichte der Autismusdiagnose auseinanderzusetzen und um mehr über das Wesen und die Entstehungsgeschichte der Euthanasie zu erfahren. Als Ergänzung dann noch das Buch von Steve Silberman „Geniale Störung“ und man hat sich bestens mit den Hintergründen der Autismusdiagnosen beschäftigt. #sheffer

Siehe dazu auch Arnold Pollak: Auf den Spuren Hans Aspergers.

Silke Bauerfeind: Autistische Kinder brauchen aufgeklärte Eltern

Sie wollen ein Kind mit Autismus verstehen? In diesem Buch sind so viele Anregungen, Beispiele und Ideen versammelt, so dass man sagen kann: Hier ist die Anleitung dazu. Dabei stellt die Autorin klar, dass jeder Autist anders ist, man immer wieder neu überlegen und herausfinden muss, was das Kind möchte oder was es bewegt. Das macht das Buch für Eltern so hilfreich, denn es schafft eine Grundlage, um mit autistischen Kindern gut umzugehen und auf sich selbst aufzupassen. Es gibt zahlreiche Erklärungen und sorgt damit für Verständnis.
Die Autorin ist selbst Mutter eines autistischen Kindes und hat einen sehr verständlichen und klaren Schreibstil. Bemerkenswert ist ihr durchgängig positiver und wertschätzender Umgang mit dem Thema. Dadurch kann sie anderen Eltern Kraft und Verständnis geben, was diese sonst im Alltag möglicherweise selten erfahren. Das Kapitel „Die Situation der Eltern“ ist deshalb fast ein Coaching in Buchform.
Inhaltlich klar strukturiert geht es nach einer kurzen Einführung um alle denkbaren Besonderheiten, unterteilt in die Bereiche Wahrnehmungen, Emotionen, Kommunikation und Verhalten. Mir ist nichts Fehlendes aufgefallen und ich werde dieses Buch gerade Eltern empfehlen, die sich neu mit dem Thema Autismus auseinandersetzen wollen. Es schützt sie vor falschen Therapieversprechen und gibt ihnen das wichtigste an die Hand, was sie brauchen: Verständnis und Erklärungsmöglichkeiten für das Verhalten ihres Kindes. #Bauerfeind2 

Hans Jürgen Boxberger: Kleine Brötchen backen?

Was für ein kurzweiliges Buch! Dem Autor wurde schon in der Schulzeit die Fähigkeit zu „spöttischen Formulierungen“ attestiert. Dieser besondere Schreibstil macht das Buch zum Genuss und zeigt trotz aller beruflichen Schicksalsschläge, dass Boxberger der Humor nicht abhanden gekommenen ist.
Er lässt die Geschichte seines Protagonisten Armin in der Kindheit beginnen, beschreibt die Schulzeit, wo er besonders für den Sportunterricht schöne Bilder findet. So bewegt er sich bei Ballspielen in der „Geschwindigkeit von Wanderdünen“ und sei auch in der Lage, sich auf einem leeren Sportplatz zu verlaufen. Köstlich.
Er schafft mit Schwierigkeiten das Abitur und wird Doktor der Biologie, wo er einen aussichtsreichen und unbefristeten Posten beim Max-Planck-Institut bekleidet. Vielleicht zu früh, denn er will weiter ziehen und ahnt nicht die Unwegsamkeiten, die ihn erwarten. Sicherlich hat er viele Zeichen nicht erkannt und kann das heute zum Teil mit seinem Autismus erklären, aber es ist schon ein Drama, wie schnell man „plötzlich arm“ werden kann. Diese Wegstrecke kann er ausgezeichnet wiedergeben und die Missstände in der (Arbeits-)Gesellschaft offenlegen. Unterstützungsinstitutionen wie Bundesagentur für Arbeit, Rentenversicherung und Jobcenter geben in seinem Fall im Wesentlichen ein so klägliches Bild der Inkompetenz ab, dass es beim  Lesen fast wehtut. Schwerbehindertenvertretungen, Integrationsamt etc. - „bitter“ kann man da nur konsternieren. Heutzutage sind diese Institutionen oftmals besser aufgestellt, aber bei Armin ist es eine einzige Bankrotterklärung.
Erst mit 52 Jahren erhält er „das Prädikat Asperger Autismus“, zu spät um seine Berufslaufbahn rechtzeitig auf seine Bedürfnisse anzupassen. Heutzutage wird Autismus meist frühzeitiger diagnostiziert und brauchbare Förderinstrumente können rechtzeitig greifen. Das kann man jungen Menschen nur wünschen und ihnen gleichzeitig dieses Buch empfehlen.
Was er im Buch nicht macht, ist der laufende Bezug seiner Lebensereignisse auf seinen Autismus. Diese Reflexion würde auch nur bedingt passen, da er erst spät von seiner Diagnose erfährt. Der Leser weiß das aber bereits beim Aufschlagen des Buches und kann so selbst im Verlaufe von Armins Leben die Ereignisse entsprechend deuten.
Klare Leseempfehlung für alle, die sich mit dem Thema „Autismus und Arbeit“ beschäftigen, auch wenn der Preis im Vergleich etwas hoch angesetzt ist. #boxberger

Daniela Schreiter: Schattenspringer 3 - Spektralfarben

Das lange Warten auf den dritten Band hat sich mehr als gelohnt: Ein tolles Werk. Nach Kindheit und Jugendalter in den ersten beiden Schattenspringern, sind nun erwachsene Autisten Schwerpunkt. Sie berichten von ihren Erfahrungen und diese werden dann in eine unglaublich treffende Bildsprache umgesetzt. Der Schattenspringer ist für mich das am leichtesten zu lesende Fachbuch überhaupt. Das gilt für diesen Band ganz besonders.
Abgesehen von Rückblicken älterer AutistInnen auf ihre Schulzeit (auch sehr lohnenswert), geht es um erwachsene Themen: Studium, Beziehung, Freundschaften, Tücken im Alltag (Arztbesuch, Einkaufen), Diagnostik und (in diesem Fall unwissende) Psychiater. Ein Schwerpunkt ist außerdem das Thema Arbeit, das für erwachsene AutistInnen von besonderer Bedeutung ist.
Die Herausforderungen von AutistInnen werden brillant auf den Punkt gebracht und für jeden verständlich gemacht. Unglaublich, wie Daniela Schreiter es schafft, mehrere sonst enggedruckte Fachbuchseiten treffend in wenigen Zeichnung zu erläutern.
Klare Leseempfehlung für alle Menschen – wie neurodivers sie auch sein mögen - ohne Differenzierung. Und wenn sich mal wieder jemand mit Ahnungslosigkeit hervortut und „Steine in den Weg rollt“ (Ärzte, Ämter, Bildungsbereich): Dieses Buch in die Hand drücken. Jetzt schon an Weihnachten denken. #Schatten03

Leo M. Kohl: Asperger. Mein Leben zwischen Intelligenz und Gefühlsleben

Um es vorweg zu nehmen: eine einmalige Ergänzung zu bisherigen Biografien von Menschen mit Autismus. Ein Buch, das authentisch, ehrlich und in einer sehr lockeren Schreibweise das Leben eines Autisten im Schulalltag und mit seiner Familie beschreibt. Dem Autor gelingt es bereits mit 18 Jahren, auf seine junge Vergangenheit sehr reflektiert zurückzublicken. Wir kennen zahlreiche Autobiografien von Autisten, aber da bedarf es in der Regel deutlich mehr Jahrzehnte, um einen Rückblick zu ermöglichen. Hier hat man Gelegenheit, die Verhaltensweisen eines jungen Autisten verstehen zu können. Sein Ausrasten, sein Schreien, seine Zweifel, seine Ängste und Panik. Und für all jene, die Nachteilsausgleiche bisher nicht nachvollziehen konnten: Lesen Sie dieses Buch, danach wissen Sie Bescheid.
Das Werk ist kein fehlerfreies Fachbuch, das will es auch nicht sein. Es wird dafür von jedem Vater, jeder Mutter, jeder Kitamitarbeiterin, Lehrern und Schülern leicht gelesen und verstanden. Einzigartige Literatur für Menschen, die hinter die Kulissen schauen und den Alltag eines Aspergers schon immer genauer kennenlernen wollten.
Auch wenn der Autor seine Familie als chaotisch bezeichnet: er hat eine sehr liebevolle und tolle Familie. Dass seine Mutter selbst Asperger Autistin ist, ist ganz sicher ein Vorteil für ihn.
Sein Durcheinander im Kopf, sein zum Teil wirklich besserwisserisches und schräges Verhalten anderen Schülern gegenüber: Nichts wird ausgelassen. Super Leistung des Autors, das alles so offen beschreiben zu können.
Kleines Manko: Vom Verlag hätte ich mir ein Lektorat gewünscht, Fehlerkorrekturen sind aber für die nächsten Auflagen angekündigt.
Klare Leseempfehlung für alle, die junge Asperger verstehen möchten / sollten / müssen und wollen. #kohl 

Dr. Brita Schirmer: Elternleitfaden Autismus

Der Untertitel ist besonders wichtig: Das Kind erlebt die Welt anders, als die Eltern! Nun gilt es herauszufinden, wie das Kind die Welt sieht und wie man es mit welcher Therapie am besten unterstützen kann. Die Anzahl der verschiedenen Therapieansätze in diesem Buch ist dabei beeindruckend groß. Und es wird deutlich: Jedes Kind ist anders, es gibt keine „Wundertherapie“, alle Therapie-Bausteine müssen individuell auf ein Kind zugeschnitten werden. Dazu gibt das Buch bestes Grundlagenwissen an die Hand.
Das Werk ist in sechs Abschnitte klar unterteilt. Die wesentlichsten sind: Was ist Autismus? Wie erlebt das Kind die Welt (sehr vielfältig im Hinblick auf mögliche Reizüberflutung); Auffälligkeiten im Sozialverhalten und Unterstützungsmöglichkeiten auf dem Lebensweg. Durchgängig ist das Buch leicht verständlich und die klare Sprache von Fr. Dr. Schirmer ist immer sehr erfrischend (schauen Sie sich auch mal ihren youtube-Kanal „1000 Fragen zum Autismus“ an).
Hilfreich finde ich die regelmäßig wiederkehrende Rubrik „Aus dem Leben“. Hier finden sich Zitate von Autistinnen und Eltern zu den jeweils beschriebenen Themen. Dadurch erhält das Buch eine gewisse Bodenständigkeit und ist eben kein abgehobenes Fachbuch.
Für alle (Eltern) die sich neu mit diesem Thema beschäftigen, gibt es eine Checkliste „Frühe Hinweise auf das Autismus-Spektrum“ im vorderen Teil des Buches. So kann man versuchen, die Situation des eigenen Kindes einzuschätzen.
Insgesamt ein wirklich guter Elternleitfaden, der nicht nur Wissen vermittelt, sondern auch die ganze Breite des Spektrums anspricht. So sind auch dem Thema Ernährung einige Seiten gewidmet, was Eltern hoffentlich davor schützt, Quacksalbern und Scharlatanen in die Hände zu fallen, die es auf diesem Gebiet ausreichend gibt. #SchirmerLeitfaden

Arabella Carter-Johnson: "Iris Grace" sowie "Iris und Thula"

Ein umfangreiches und schön geschriebenes Buch. Die Mutter einer frühkindlichen und zu Beginn nicht sprechenden Autistin beschreibt mit guter und detaillierter Wahrnehmung den Weg mit ihrer Tochter Iris Grace.
Ihre Katze spielt dabei eine wesentliche Rolle, um das Mädchen in Beziehung zu bringen. Faszinierende Geschichte und eine andere Chance, als teurere Therapiehunde oder Delfintherapie (der Versuch „Therapiehund“ hat es bei Iris nicht funktioniert).
Es ist auch eine dramatische Familiengeschichte, die aus einer lieblich/ lilagefärbten englischen Hochzeitsfotografin eine willensstarke durchsetzungsfähige Frau macht, deren Lebensentwurf plötzlich völlig anders verläuft. Wie gut, dass sie eine starke Familie im Rücken hat - das ist ja leider nicht immer so.
In jedem Fall ein gut lesbares Buch, das auch die Komplexität und Heterogenität von Autismus gut beschreibt - und außerdem eine anrührende Katzengeschichte ist.

Schon kurios: Das Taschenbuch hat den Untertitel "Die Katze, die unsere Familie rettete". Viel platter kann man den Marketingeffekt nicht in den Vordergrund stellen. Am Ende erreicht der Verlag dadurch höherer Verkaufszahlen und das Buch mehr LeserInnen, was für die Lobbyarbeit im Bereich Autismus durchaus von Vorteil ist.
Das Buch hat wunderschöne Fotos und der Aufbau ist sehr gut - also nicht vom Marketing ärgern lassen. #iris

Fabienne Sieger: Einsortiert. Fragmente aus dem Leben einer Sortagefachfrau

Was für ein brillantes Buch! Ich kannte Fotos ihrer Sortagen, die Bruchtassenquadraturen und Würfelei, die mich hin und wieder über Twitter erreichten. Nun war ich auf die Buchform sehr gespannt: Quadratisches Buch (natürlich!), Großformatig 28x28 cm und 120 Seiten. Worauf ich überhaupt nicht vorbereitet war: Ein herausragender Text.
„Wenn ich mich sehr mag, fühle ich mich quadratisch“ begründet sie ihr Stimming, in dem Sie Würfel zeichnet. Dieses Stimming ist nötig, damit sie sich beruhigen kann, niemand anderen auf die Nerven geht oder gar Kriege anzettelt. Daher „Würfeln für den Weltfrieden“. Die Zeichnungen haben durchaus eine künstlerische Klasse erreicht.
Mit einem unvergleichlichen Wortwitz auf hohem intellektuellem Niveau beschreibt sie ihre Wahrnehmung der Welt und ihre Empfindungen – da traut man sich schon keine Rezension mehr zu schreiben, die unmöglich an diese Qualität heranreichen kann. Sie beschreibt alle klassischen Merkmale einer Asperger-Autistin wunderschön klar und positiv verpackt mit so viel tiefgreifender Ironie: Der Text ist ein einziges Vergnügen.
Köstlich, wie sie von Fettnäpfchen zu Fettfass hüpft und ihre Begründungen und Empfindungen so perfekt beschreibt: Hier bekommt man Innenansichten einer Aspergerin geliefert, wie es nur sehr wenige beschreiben können. So ist z. B. der schwierigste Teil der praktischen Fahrprüfung nicht die eigentliche Prüfung, sondern der Smalltalk mit dem Fahrlehrer. Intensiv wird das Thema „Reisen“ vorbereitet. Es stellt sich heraus, dass der Lehrer nicht gerne verreist. Damit ist die Fahrprüfung fast verloren – und zwar nicht wegen des Verkehrs.
Die Bilder der Sortagefachfrau sind natürlich auch einzigartig: Die Bestandteile eines Birchermüslis oder die Kartoffeln-Lauchsuppe hat man noch nie so ordentlich sortiert und quadratisch angeordnet gesehen.
Es ist ein Kunstbuch, ein literarisches Meisterwerk, eine quadratische Augenweide und so umschmeichelnd wie in Foulard.

Bestellbar direkt über den Verlag.#sieger

Rudy Simone: Asperger im Berufsleben

„Die meisten Menschen im Asperger-Spektrum würden am liebsten ihre Arbeit erledigen und nach Hause gehen, aber so einfach ist das Leben eben nicht.“ Das Arbeitsleben ist sehr komplex, wesentlich komplexer als die Schul- und Ausbildungszeit vorher, die viele Menschen im Spektrum und deren Angehörige schon oft an ihre Grenzen bringt. Rudy Simone (übrigens auch eine begnadete Sängerin und Songwriterin) beschreibt das in ihrer Einleitung sehr schön: „Zur Arbeit zu gehen hat nicht allein mit der Arbeit zu tun“. Es geht eben auch darum „welche Kleidung man trägt, was man isst, wie die Umgebung aussieht, wie man dieses empfindet“ etc. Davon handelt dieses Buch. In einem ausführlichen Vorwort von Temple Grandin, die es schafft, ihre Arbeitserfolge und den Zusammenhang mit ihrem Asperger-Syndrom auf nur vier Seiten zu formulieren, wird das sehr deutlich.
Am Ende eines jeden Kapitels gibt es die Kategorie "Was der Arbeitnehmer tun kann" und "An Arbeitgeber und Unterstützer". Der erste Teil dient vor allem der Reflexion des Menschen mit Asperger und scheint mir sehr sinnvoll zu sein, um das eigene Arbeitsleben nicht nur zu reflektieren, sondern auch bewusst zu gestalten. Wirklich gut gemacht - es wird nichts verklausuliert, sondern alles direkt angesprochen. Klasse.
Alle Aspekte des Arbeitslebens finden Berichte und Hilfestellungen. Dem Klatsch und Mobbing sind besonders lange Kapitel gewidmet, weil beide Aspekte für Asperger große Hürden darstellen. Auch Arbeitgeber werden hier klar aufgefordert, etwas gegen diese Unarten zu tun - denn am Ende kosten beide sehr viel Geld. Das sollte jedem Arbeitgeber bewusst sein.
Das Buch ist ganz sicher eine tolle Hilfestellung für Menschen im Spektrum, aber auch für Arbeitgeber und Angehörige. Es geht ausgewogen mit der Frage um, ob man Arbeitgeber und Kollegen von der Diagnose berichten soll. Rudy Simone ist nicht bevormundend - fordert aber die eigene Verantwortung ein und den Abschied von einer möglichen Opferhaltung.
Das Buch wurde vom Autismusverlag.ch herausgegeben. Das ist in sofern besonders, als dass dieses Buch in Ringbuchform produziert und von Autisten übersetzt und hergestellt wird.
Eines der aktuell wichtigsten Bücher im Bereich „Autismus und Arbeit“. #rudy 

Robin Schicha: Autistische Gestalter und Gestalterinnen. Ein Blick auf ausgewählte Maler und Malerinnen, Zeichner und Zeichnerinnen aus dem Autismusspektrum

Das großformatige Buch (28 x 20 cm) Autismus und Gestaltung beschäftigt sich mit erfolgreichen autistischen Gestaltern und Gestalterinnen, MalerInnen und ZeichnerInnen.
Es ist durchgängig farbig und von Robin Schicha illustriert.

Vorgestellt werden der berühmteste Maler und Bildhauer der Hochrenaissance Michelangelo, der bekannte Designer Andy Warhol, der Kultregisseur und Zeichner Tim Burton, der Kinderbuchautor und Zeichner Janosch, die Comiczeichnerin Daniela Schreiter, die Autorin und Künstlerin Gee Vero und die künstlerischen Savants Stephen Wiltshire, Richard Wawro und Gottfried Mind #schicha2

Daniela Schreiter: Die Abenteuer von Autistic-Hero-Girl

Bei diesem Titel denkt man sofort an Super-Spezialinteressen, an Ausnahmefähigkeiten wie einem fotografischen Gedächtnis, 5 Sprachen fließend als 5-jähriges Kind, auswendig gelernte Bahnfahrpläne von Paris bis Tokio oder Streichhölzer im freien Fall zählen zu können. Das grimmig-entschlossene Gesicht auf dem Cover, immer bereit, das nächste Zahlenrätsel zu lösen oder die Zahl Pi bis zur letzten Zahl auswendig aufzusagen, ohne Luft zu holen. Und dann… einfach köstlich: Die Herausforderungen des Alltags, die die Superheldin bis aufs Äußerste herausfordern! So was wie vor-die-Tür-gehen, obwohl der Nachbar im Flur steht, oder ein Telefonat anzunehmen, einzukaufen, sich dem Overload zu stellen oder eine Party zu besuchen. Jede Seite eine neue Geschichte, ein neues Abenteuer. Wieder gelingt es Daniela Schreiter, die Herausforderungen für autistische Menschen originell, selbstironisch und leicht verständlich zu Papier zu bringen. Für alle Nachahmer ist die Superheldenausrüstung übrigens im Buchdeckel aufgeführt. Tolle Idee. Und man erfährt sogar, was Prokrastination bedeutet.

Es ist übrigens keine Fortsetzung vom Schattenspringer, sondern quasi eine Auskopplung. Einen nächsten Schattenspringer wird es im nächsten Jahr geben und weitere Abenteuer des Autistic-Hero-Girls sind auch möglich. Wir warten auf den ersten Zeichentrickfilm! #schreiter03 

Mirco von Juterczenka: Wir Wochenendrebellen. Ein ganz besonderer Junge und sein Vater auf Stadiontour durch Europa

Ein völlig anderes, fast revolutionär zu nennendes Buch über den Umgang mit dem Asperger Syndrom, aus Sicht des Vaters geschrieben. „Papsi“ entwickelt eine Entspanntheit, die sehr eindrücklich ist: Ihm wird klar, dass er seinen Sohn nicht an die klassischen gesellschaftlichen Normen anpassen kann und will – also muss sich das System an seinen Sohn anpassen. Eine Herangehensweise, die im Prinzip schon lange von vielen Autisten gewünscht wird. Dass das nicht ohne Konflikte für beide Seiten abgeht, ist offensichtlich.
Vater und Sohn kennen einige vielleicht schon aus deren Podcasts. Die muss man vor dem Lesen des Buches nicht gehört haben, aber nett ist es schon, wenn man den Stimmenklang der beiden im Ohr hat. Man kann dann die konsequenten Ansichten von Jason (dem 11-jährigen Sohn) sehr gut nachvollziehen.
Jason hat eine „besondere Logik“, so umschreiben die Eltern die Autismusdiagnose in seinen jungen Jahren. Er ist radikal in der Umsetzung von Regeln, die sich nur langsam verändern lassen – und es gibt für alles Regeln. Diese Radikalität treibt Familie und Umfeld durchaus an die Grenzen des jeweiligen Nervenkostüms. Genauso radikal wird er von seinen Eltern aber auch geliebt und unterstützt. Manchmal bis zur Grenze der Selbstaufgabe, wenn ich an die Kloszene beim FC St. Pauli denke. Apropos Fußball: Vater und Sohn suchen einen Fußballclub für den Sohnemann, von dem er Fan sein kann. Die Reisen in die Stadien stellen das Rahmenprogramm des Buches dar. Allerdings ist es kein Buch, für das man Fußballfan sein muss, eher im Gegenteil, denn die absolut kuriosesten Ereignisse rund um den Erst- bis Drittligafußball bieten zahlreiche neue Erkenntnisse und interessante Geschichten. In diesem Rahmen muss sich Jason oft anpassen, seine Regeln verändern oder abwandeln.
Das Buch ist mit sehr viel Herz geschrieben, und dem unerschütterlichen Willen, den Sohn zu unterstützen. Ob er und die Familie das richtig machen? Ach, wer weiß das schon. In jedem Fall ist es so krass anders, als alle Therapien es empfehlen würden. Das macht das Buch kontrovers. Für Kinder ohne Autismus ist es ganz sicher nicht der richtige Weg der Erziehung, dessen ist sich auch der Vater vollständig bewusst.
Es wird nur wenige Familien geben, die diesen Stil durchziehen können. Bei einem Sohn mit völlig anderer Wahrnehmung ist die Herangehensweise der Familie aber möglicherweise genau richtig. Die Zukunft wird es zeigen, aber ich glaube, dass Motto der „familiären Leitkultur“ wird - trotz der Zugeständnisse an den Sohn bis zur Schmerzgrenze - funktionieren: Keiner darf sich zum Arsch entwickeln.
Das Buch ist absolut empfehlenswert und wird möglicherweise die Diskussion um den Umgang mit Menschen mit Autismus zumindest bereichern, wenn nicht verändern. Ein Zitat bringt es dabei auf den Punkt (S. 201):
„Es wäre unverantwortlich gewesen, sich mit einem vollen Terminkalender nur auf das beseitigen von Schwächen zu konzentrieren und ihm nicht den Raum zu geben, sich mit Dingen zu beschäftigen, die ihn interessieren.“
#wochenendrebellen.

Stephanie Fischer: Diagnose Asperger - es geht weiter

Nun geht es endlich weiter. Im ersten Band ging es um die ersten acht Jahre von Tim, nun ist er fast 13 Jahre alt. Die Autorin beschreibt sehr authentisch die Höhen und Tiefen mit ihrem Sohn, zeigt dabei aber auch Unterstützungsmöglichkeiten auf. Im zweiten Band wird nun die zunehmende Erschöpfung der Mutter deutlich und die Notwendigkeit, Entlastung zu schaffen. Die Ganztrageschule ist einer der Versuche, die nicht funktionieren. Absprachen mit den dortigen Betreuerinnen werden nicht eingehalten, was zu massiver Unlust und Frust bei ihrem Sohn führt. Außerdem wird Tim zunehmend unberechenbarer. Die Wohnung muss zwischendurch einem Trümmerfeld geglichen haben. „Ich erreiche ihn nicht mehr“, drückt die verzweifelte Lage der Mutter aus.
In dieser Situation wird ein Klinikaufenthalt des Sohnes die einzige Lösung. Ein wesentliches Element des Buches ist die Beschreibung der Zeit vor, während und nach dem Klinikaufenthalt. Handlungsempfehlungen der Klinik und deren Wirksamkeit im Alltag werden erläutert. So erhält man einen sehr guten Einblick in die Abläufe, und was dabei gut nutzbar ist.
Das die Therapeutin auch die Sozialpädagogische Familienhilfe übernimmt, ist sicher ein Glücksfall. Die Schulsuche und –besuche sind eine Herausforderung, der Tim nicht standhält. Nur mit cleverer Intervention der Therapeutin schlittert Tim an der Schulverweigerung vorbei.
Fazit: Der Klinikaufenthalt scheint ein Wendepunkt gewesen zu sein und mit dem Älterwerden entspannt sich einiges.
Toll zu lesen und für Eltern sehr empfehlenswert. Hier werden Hilfsmöglichkeiten und Ideen aufgezeigt, die man in eigene Überlegungen einbeziehen kann. #fischer02

Christiane Preißmann: Autismus und Gesundheit: Besonderheiten erkennen - Hürden überwinden - Ressourcen fördern

Ein Buch zum Thema Autismus und Gesundheit war schon lange überfällig und wer könnte es besser schreiben, als Frau Dr. Preißmann: Selbst Ärztin, Autistin und bekannte Referentin zum Thema Autismus. Sie hat mit diesem Buch sicherlich ein Standardwerk zu diesem Thema verfasst.
Das Buch geht auf jeden Aspekt der Gesundheit an. Angefangen von den Möglichkeiten der Behandlung und der Unterstützung beim Arztbesuch zu Ernährungstipps, Sport, Wahrnehmungsbesonderheiten, über die Sexualität, Entspannungsmöglichkeiten und den ein bisschen zu intensiv vorgestellten Diagnostikmöglichkeiten. Das Inhaltsverzeichnis ist beeindruckend lang.
Für alle Bereiche gilt, dass das Buch sehr gut für ärztliche Fachkräfte zur eigenen Weiterbildung geeignet ist, aber auch für Angehörige und AutistInnen selbst. Denn es fehlt vor allem an einem am meisten: Verständnisvollen Ärztinnen und Ärzten, die etwas Vorkenntnis über Autismus haben und dadurch autistische PatientInnen rücksichtsvoll behandeln können.
Sehr gut gefallen haben mir die zahlreichen Berichte von AutistInnen, manchmal auch von deren Eltern, über Erfahrungen bei Arztbesuchen. Oftmals hat Frau Preißmann eigene Erfahrungen zu den verschiedenen Kapiteln im Buch eingebracht.
In neuen Publikationen wird deutlich, dass der O-Ton von Menschen mit Autismus der wichtigste ist, um Menschen mit Autismus zu verstehen. Und häufig kommen Menschen mit Autismus selbst auf gute Ideen, auf die Nichtautisten nicht kommen würden – dafür führt die Autorin zahlreiche Beispiele an. Sei es eine Checkliste für den Arztbesuch, eine “Bedienungsanleitung für Notfälle“, oder Möglichkeiten der Ablenkung, eine Spritze doch zulassen zu können etc. Natürlich ist es bei jeder Person anders, aber aus vielen Beispielen ergibt sich bald ein Repertoire an Möglichkeiten. Autisten sind Experten in eigener Sache!

Besonders im zweiten Teil des Buches geht es inhaltlich deutlich über „Autismus und Gesundheit“ hinaus, nachdem zahlreiche – wenn nicht sogar alle - Komorbiditäten vorgestellt wurden. Immer wieder auch Einschübe zu den Themen Autismus und Arbeit, Schule, Mobbing, Verlassen des Elternhauses etc.
Zum Ende hin erscheinen thematisch abgearbeitete Inhalte mit einigen anderen Aspekten erneut, so dass hier vielleicht etwas mehr Struktur gut getan hätte. Überlegungen, was wir uns wünschen würden in diesem Themenkomplex, und Forderungen/Ideen an Verbände und Politik beenden das umfassende und empfehlenswerte Werk. #preissmanngesundheit

Proft, Schoofs, Krämer, Vogeley: Autismus im Beruf. Coaching-Manual.

Ein für Projektentwickler, Unterstützer und Autisten geniales Buch. Warum für so unterschiedliche Zielgruppen? Für die Ersten sind es geniale Denkanstöße für eigene Projektideen, für die anderen der deutliche Hinweis: Erstaunliches ist möglich, wenn man die richtigen Institutionen, Fördermittel und Menschen zusammenbringt.
Die Grundlage beim Kölner Modellprojekt ist allerdings so fantastisch, dass man sich in anderen Bundesländern nur ungläubig die Augen reiben kann. Man nehme 1. einen öffentlicher Träger, der einen engagierten Integrationsfachdienst aufgestellt hat und auch noch finanziell potent ist, 2. DIE vorzeige Autismus-Diagnostik-Ambulanz in Deutschland und 3. einen Bildungsträger, der sein Handwerk so richtig verstanden hat, dass es schon zu perfekt klingt: zertifiziert, engagiert, Zeitarbeitsunternehmen und finanziell verknüpft mit einer WfbM.

Bevor wir zum „Inhalt für alle“ kommen, nämlich dem Gruppencoaching: Die vorn im Buch ausführlich und für Projektmanager sehr spannend zu lesenden Fördergrundlagen des Modellprojekts sind einzigartig, das gibt es sonst nirgendwo. Aber vielleicht lässt sich auf dieser Grundlage zusammen mit den jeweiligen regionalen Kostenträgern etwas entwickeln. Nur Mut - in diesem Buch gibt es ausreichend Ideen, um auf Kostenträger zuzugehen und gemeinsame Projekte anzugehen.

Die Fallbeispiele im Buch belegen das Zusammenspiel verschiedener Förderinstrumente sehr gut und strukturiert: Problemaufriss, Benennung der Unterstützungsbedarfe, aufzeigen der Fördermöglichkeiten und als Zusammenfassung die Reaktionen von Arbeitgeber und Arbeitnehmer.
Bei allen Fallbeispielen spielt das Kölner „Budget für Arbeit“ eine zentrale Rolle. Es ist ein sehr flexibles Förderinstrument, was nicht mit Programmen gleichen Namens in anderen Bundesländern verwechselt werden darf. Deutlich wird hier, wie wichtig eine Einzelfallabhängige, flexibel eingesetzte Förderung für die Teilnehmer ist.

Hauptteil des Buches sind die Erläuterungen und die Materialien zum Gruppencoaching, welches wesentlicher Bestandteil der Arbeitsintegration ist. Maximal sechs Teilnehmer, flankiert bei Bedarf mit Einzelcoaching. Die einzelnen Sitzungen sind sehr detailliert beschrieben und in Verbindung mit dem downloadbaren Arbeitsmaterial sehr gut selbst durchführbar, wenn man entsprechendes Fachpersonal hat. Die Sitzungen bauen aufeinander auf, Hausaufgaben für die Teilnehmer werden beschrieben, und so mancher „Knackpunkt“, der zu erwarten ist. Alles zusammen für künftige Gruppenleiter eine perfekte Arbeitsgrundlage. Beeindruckend, dass wirklich das komplette Arbeitsmaterial inklusive Arbeitsblättern und Powerpointpräsentationen mitgeliefert wird. Trotzdem wird die Umsetzung und die Anpassung an die jeweilige Gruppe eine Herausforderung und Fachleuten vorbehalten bleiben. An dieser Stelle wären ggf. auch Fachleute mit Autismus eine gute Idee.

Fazit: Ein Buch für Fachleute und Leitungskräfte, die neue Programme umsetzen möchten und inhaltliche und Finanzierungsideen suchen. Gruß und Dank an die Autoren, die das Arbeitsmaterial zur Verfügung stellen. In Deutschland ist man weit davon entfernt, ausreichend Angebote für diese Zielgruppe vorzuhalten, insofern kann jedes Angebot auf dieser Grundlage begrüßt werden.

In den Fallbeispielen wird deutlich, dass auch für Arbeitgeber die Förderung von Menschen mit Autismus wichtig und hilfreich ist, denn hier verbirgt sich ein großes und gesuchtes Arbeitskräftepotenzial. #proft

Heike Drogies: AUTISTIN

Das Buch ist ja schon ein Ereignis, wenn es ankommt: Überformat. Dann das Cover: Es sollte bei künftigen Wettbewerben eingereicht werden - sehr gelungen.
Nun zum Inhalt: Ein Buch über Autismus, in dem es menschelt. Zwar gibt es auch wichtige fachliche Beiträge, man kann sich also mit der Thematik intensiver beschäftigen. Der Hauptfokus liegt aber auf Menschen mit Autismus. Kinder, Jugendliche, Eltern, Firmen als Arbeitgeber von Menschen mit Autismus, professionelle Einrichtungen, die über ihre Arbeit berichten: Alles ist dabei. Ein buntes Bilderbuch, welches alle Aspekte des Autismus beschreibt und dabei noch Hilfestellung und Anregungen gibt. Über Diagnostik, Unterstützungsmöglichkeiten, Arbeitsleben und Freizeit. Auffällig dabei: Die Fähigkeiten und das Können der Menschen stehen im Vordergrund, nicht deren Defizite. Erstaunlich, wie oft Menschen mit Autismus in ihrer Jugend falsch eingeschätzt wurden, z. B. Förderschulen besuchten, um später dann mit Abitur zum Studium durchzustarten. Die Schulzeit bleibt eine große Herausforderung für AutistInnen.
Das Buch wäre ideal für das Wartezimmer jeder Arztpraxis geeignet: Es bietet Stil und Inhalt an. Passender Weise gibt es extra Hinweise für Ärzte in dem Buch, die einem Menschen mit Autismus einen Arztbesuch erleichtern würden.
Die Texte lesen sich locker und leicht, manchmal wirken die Beiträge wie Werbung für Institutionen und Firmen. Durch die großformatigen Bilder und abwechslungsreichen Inhalte kann man das Buch kaum aus der Hand legen. Und wenn man es dann doch irgendwann durchgelesen hat, findet man ganz sicher einen besonderen Ort im Wohnzimmer, um das Cover wirken zu lassen. Mit Gästen oder Besuchern hat man dann sofort ein Smalltalkthema, wenn sie es erblicken. Es ist sogar ein Thema, zum dem auch Menschen mit Autismus meist gern Gespräche führen.
Ein wunderschönes Buch mit starkem Inhalt: Rundum gelungen. #Drogies

Melanie Matzies-Köhler, Gee Vero: Meine Brücke zu dir: Menschen inner- und außerhalb des autistischen Spektrums im Dialog

Was für eine tolle Idee: zwei Frauen, beide mit viel Fachwissen über Autismus, schreiben sich über etwa ein Jahr Briefe zu unterschiedlichen, Autismusrelevanten Themen.
Gee ist Autistin, die darüber hinaus einen nicht sprechenden, autistischen Sohn hat. Sie ist Künstlerin, Autorin und Referentin. Mel ist Psychologin und hat über viele Jahre Erfahrungen in der Arbeit mit autistischen Menschen gesammelt. Sie gehörte zum „Team Birger Sellin“ und hat später mit Nicole Schuster zusammen gearbeitet.
Der Briefwechsel ist erholsam auf Augenhöhe, es geht nicht darum „wer weiß es besser“. Mel ist ehrlich interessiert und stellt Fragen, die sie aus der Innensicht einer Autistin schon immer hören wollte. Gee kann ihren Autismus toll in Worte fassen und ist schon damit ein Fundus für Menschen, die Autismus verstehen wollen.
Zahlreiche Themen haben die beiden erörtert: Smalltalk, Therapien, Schule, aber auch allgemeines wie Freundschaft, Weihnachten, wie entsteht ein Autismus etc. Immer wieder wird auch auf die persönlichen Lebenshintergründe beider Frauen eingegangen, zum Beispiel Gees Zeit in England.
Der Austausch ist sehr kompakt, manchmal sogar philosophisch, wenn es z. B. um das Verständnis des „Selbst“ geht. Vor allem ist der Austausch ein tiefer Blick in Gees Autismus – und das macht das Buch so wertvoll. Autismus ist eine andere Wahrnehmung! Und wie wahrgenommen werden kann, dafür gibt es in diesem Buch zahlreiche Beispiele. Mal lustig, mal erschütternd, aber immer nachvollziehbar.
Das persönliche Treffen der beiden, das gut im Schriftverkehr vorbereitet wird, fällt den Umständen geschuldet leider eher knapp aus, was etwas schade ist. Dem schriftlichen Austausch der beiden tut das keinen Abbruch, fleißig werden weitere Themen diskutiert. Fazit: Eine beeindruckende Begegnung auf Augenhöhe, die so oft nicht stattfindet. Zwei Fachfrauen, die sensibel und ehrlich das Ziel verfolgen, die jeweils andere Wahrnehmung nachvollziehen zu können.
Am Ende hätte eine gemeinsame Zusammenfassung oder ein Resümee dem Buch noch gut getan – aber gibt dafür gibt es möglicherweise eine Fortsetzung, auf die wir uns schon freuen können.
#MeGe

Doro May: Das Leben ist schön – von einfach war nicht die Rede. Meine besondere Tochter ist erwachsen.

Die Tochter von Doro May hat das Down-Syndrom. 5% der Menschen mit Down-Syndrom sind außerdem wie ihre Tochter autistisch. Was das für den Alltag mit ihrer nicht sprechenden Tochter bedeutet, beschreibt Doro May immer mit einem Augenzwinkern und einem hohen Reflexionsgrad. Sie liebt das offene Wort auch für heikle Themen und ihre eigenen Gefühle. Schon beeindruckend, wie sie über ihren eigenen Tod und ihre Verantwortung für ihre besondere Tochter schreibt, die Widersprüchlichkeit der Inklusion aufdeckt oder durchaus amüsant darstellt, wie ihre Tochter die Sexualität entdeckt. Aber auch die Zerrissenheit beim Abschied in der Wohneinrichtung, dem Erkennen, wie gern die Tochter mit der Mutter nach Hause fahren würde, es aber nicht möglich ist. Toll, wie Doro May hier ihre Gefühle ausdrücken kann und damit sicherlich sehr vielen Eltern die Möglichkeit bietet, ihre eigenen Gefühle ehrlich reflektieren zu können.
Die Pferdetherapie, verschiedene Unterbringungsformen, selbstverletzendes Verhalten und die eigene Aufgabe als lebenslange Betreuerin: In einer lockeren und herzlichen Art versteht die Autorin, ernste Themen gut rüberzubringen. Sehr schön, wie sie trotz vieler Schwierigkeiten die Arbeit von Betreuern und Pflegekräften differenziert würdigt und alle Standpunkte und Rahmenbedingungen anerkennt.
Es ist ein erleichterndes und motivierendes Buch, weil es die Schwierigkeiten ernst nimmt, aber schöne Momente darüber erstrahlen lässt. Der Buchtitel ist brillant gewählt – er passt perfekt zu dieser Veröffentlichung.
Das Thema Autismus ist nicht Schwerpunkt des Buches, es ist für alle Eltern von besonderen Kindern geeignet, die natürlich erwachsen werden. Es ist wichtig, sich mit dem Erwachsenwerden der besonderen Kinder zu beschäftigen, denn das ist noch immer ein eher selten angesprochenes Thema. Und dieses sehr persönliche Buch macht Mut und spricht wesentliche Fragen und Erfahrungen an. #may

Peter Myers: Das Ausmalbuch für Autisten und andere Detailverliebte

Na, das ist ja mal eine erfrischende Idee! Es gibt viele Autisten, die gut zeichnen können, einige sogar sehr gut. Andere nutzen das Zeichnen als Stimming-Möglichkeit, d.h., um sich zu beruhigen und einen Ausgleich im stressigen Alltag zu finden. Andere malen einfach nebenbei, z. B. um sich auf ein Seminar konzentrieren zu können. Es gibt zahlreiche wunderschöne Beispiele.
Auf die Idee, Myers autistisch geprägte Zeichnungen als Grundlage für ein Ausmalbuch zu nutzen, ist eine Gruppe ehrenamtlicher Psychologiestudenten der Universität York gekommen. Sie haben es sich zum Ziel gesetzt, Myers Kunst bekannt zu machen. Ein tolles Projekt.
Man kennt seit einigen Jahren Ausmalbücher für Erwachsene, die ersten wurden von Johanna Basford publiziert. Aber Myers Kunst ist deutlich anders, wesentlich abwechslungsreicher und überraschender. So gibt es verschiedenste Muster, manchmal auch Gebäude und hin und wieder versteckt sich eine Hand in der Vorlage. Hände malt er besonders gern, denn die werden schon seit zehntausenden von Jahren als Grundlage genutzt und man kann sie auch in Felshöhlen finden.
Auf den ersten vier Seiten im Vorwort beschreibt Myers sich und seine Kunst, dann kann es endlich losgehen. Wie beeindruckend man seine Vorlagen ausmalen kann, zeigt er übrigens auch auf seiner Website, wenn aus einem farblosen Druck eine bunte Fantasiewelt entspringt.
Ein wundervolles Buch, das nicht nur Autismus-Interessierte anspricht, sondern alle kreativen Ausmal-KünsterInnen. #myers

Tony Attwood: Das Asperger-Syndrom. 4. Auflage

Das Buch beschreibt alle Aspekte des Lebens und gibt einen umfassenden Überblick über das Asperger-Syndrom: Vom Verdacht über die Diagnostik bis hin zu Fördermöglichkeiten und möglichen Bedarfen. Es ist das umfassendste und damit empfehlenswerteste Buch in diesem Bereich. Dazu ist es gut lesbar geschrieben, damit neben Therapeuten auch Eltern und Nicht-Fachleute Informationen daraus gewinnen können. Attwood lässt oft erwachsene Autisten zu Wort kommen (z. B. Temple Grandin), um die wissenschaftlichen Erkenntnisse zu unterstreichen. Ihm ist es bewusst, wie wichtig es ist, Autisten zuzuhören, um von ihnen zu lernen.
Dem Bereich der Diagnostik widmet er sich ausführlich, was für viele Eltern wichtig sein wird, um möglicherweise selbst einen Verdacht auszuräumen oder ihn zu erhärten. Im Anschluss wird in jedem Fall angeraten, sich an einen Diagnostiker zu wenden.
Sprachliche Besonderheiten, Spezialinteressen, Motorik sowie sensorische und kognitive Auffälligkeiten bespricht er in seinem Werk. Er bietet auch zahlreiche praktische Möglichkeiten an, wie man Menschen im Spektrum unterstützen kann. Am Ende der Kapitel gibt es außerdem die "Strategien im Überblick" zu jedem Themenfeld.
So schwierig oft die Kindheit für Menschen mit Autismus ist (den Erwartungshaltungen von Eltern, Lehrern und weiterem Umfeld ist schwer zu entsprechen): Erwachsene Autisten kommen nach Attwood mit ihrem Autismus meist besser zurecht.
Im abschließenden "Service"-Teil werden zahlreiche Fragen ganz im Sinne einer FAQ-Auflistung besprochen - sehr hilfreich.
Die 4. Auflage ist beeindruckend für ein Fachbuch in diesem Themenbereich - und berechtigt. Nach wie vor eines - wenn nicht das - Beste auf dem Büchermarkt. Kleinigkeiten wurden dankenswerterweise überarbeitet (z. B. Link- und Bücherliste). Mir wird aber zu oft von Autismus als "Krankheit" geschrieben und dass Menschen unter dem Asperger-Syndrom "leiden". In aktuellen Büchern wird das mittlerweile anders und nicht mehr defizitorientiert ausgedrückt.
Klare Empfehlung für Eltern und Fachleute. #AttwoodAsperger

Steve Silberman: Geniale Störung. Die geheime Geschichte des Autismus und warum wir Menschen brauchen, die anders denken

Ein unglaublich gutes und spannendes Buch, um sich mit Autismus und der Geschichte des Autismus zu beschäftigen. Endlich macht sich jemand die Mühe und recherchiert sehr detailliert, deckt dabei zahlreiche Mythen, Lügen und Missverständnisse in diesem Themenfeld auf. Silberman entdeckt, wie Menschen dieses neue Forschungsfeld nutzen, um sich Renommee innerhalb der Ärzteschaft zu erarbeiten und Fördermittel einzusammeln. Dabei werden rücksichtslos Fakten versteckt und Ergebnisse beschönigt, damit Theorien stabil bleiben. Das Feld der Psychologie bietet sich dafür an, wie kaum ein anderes: Es gibt keinen Bluttest für Autismus, es ist eine psychologische Diagnose. „Jahrzehntelang haben sich Psychiater Theorien über kindliche Psychosen ausgedacht“ – ohne wissenschaftliche Belege.
Der Autor beginnt mit bizarren Autismustherapien, die belasteten Eltern das Geld aus der Tasche ziehen, Quacksalbern, die mit „alternativer Medizin“ und Heilung locken, von Impfgegnern, die ganze Generationen verunsichern und denen aufgrund falscher Aussagen schließlich die Approbation aberkannt wird. Er beschreibt den „Volksstamm der Exzentriker“, der gerade das digitale Zeitalter erfindet und weiterentwickelt. Dann taucht er tief in die Geschichte eines Leo Kanners und Hans Aspergers ein. Beide haben zufällig zu gleicher Zeit den Autismus erstmals wissenschaftlich beschrieben. Zufällig? So steht es bisher geschrieben, aber überraschend haben wissenschaftliche Mitarbeiter Aspergers, die im Krieg aus Österreich fliehen mussten, im Team von Kanner gearbeitet. Erwähnt hat Kanner das nie. Und Bettelheim, der gute Rhetoriker, hat unendlich viel Leid über Familien mit autistischen Kindern gebracht, indem er Kanners Thesen der gefühllosen Mütter „nachplappert“ und sich medial in Szene zu setzen weiß. Das Ganze ist ein wissenschaftliches Drama. Man kann das Buch kaum aus der Hand legen, obwohl es manchmal kleine Längen hat, wenn Seitenthemen intensiv beleuchtet werden. Das deutsche Euthanasieprogramm ist allerdings auch sehr spannend eingebunden und hatte bei Kindern mit Autismus seinen schrecklichen Ursprung.

Eltern und später Autisten selbst begründen langsam aber vehement eine neue Sicht auf den Autismus. Untermauert von Wissenschaftlern wie Lorna Wing, die ernsthaft an das Thema herangehen, ohne eigene Lorbeeren ernten zu wollen. Die Geschichte des Science-Fiction, des Amateurfunks und natürlich der Raumfahrt werden beschrieben und autistische, historische Lebensgeschichten eingeflochten. Auch der Hintergrund des alles verändernden Films „Rain Man“ ist spannend zu lesen.
Die Theorie der Vererbung kommt durch Elternvertreter ins Spiel, erste Organisationen werden gegründet. Durch Lovaas Theorien inklusive Elektroschock-Therapie und anderen Foltermethoden nimmt die Entwicklung aber zuerst keine gute Wendung. Wieder jemand, der Geld und Ruhm durch eine vermeidliche Autismus-Therapie verdienen will und Besserung verspricht, wieder eine krasse Lüge. Andere Eltern erstreiten mehr Teilhabe und einige beschreiten einen konsequent unterstützenden Weg für ihre Kinder, wägen Therapien selbst ab und verlassen sich nicht mehr auf teure Versprechen.
Am Ende wird auch die Geschichte der Diagnostik und des DSM beschrieben, der eine Diagnostik einigermaßen fundiert möglich macht. Es entwickeln sich Selbstvertretungsstrukturen von Autisten in den USA, die es hoffentlich in dieser Art und Intensität auch bald im deutschspracheigen Raum gibt und die es dort in kurzer Zeit zu beeindruckender Einflussnahme auf Politik und Gesellschaft gebracht haben.
„Nicht ohne uns über uns!“
Ein packendes Buch und ein Muss für alle Menschen, Fachleute, Familien und Autisten, die sich mit dem Hintergrund des Autismus beschäftigen wollen. Bevor Sie für ein Heilwasser oder eine „40-Std. pro Woche“-Therapie viel Geld ausgeben, sollten Sie dieses Buch lesen. #silberman

Silberman beim TED-Vortrag (Englisch)

Silke Bauerfeind: Ein Kind mit Autismus zu begleiten, ist auch eine Reise zu sich selbst.

In diesem Buch erwartet die Lesenden über 350 Seiten geballte Erfahrung in Sachen Autismus. Geschrieben von einer Mutter, die nicht nur einen aktuell 16 jährigen, autistischen und nicht sprechenden Sohn hat, sondern die auch wirklich gut schreiben kann. Sie nimmt den Autismus ihres Sohnes als Bestandteil seiner Persönlichkeit an und lehnt jeden therapeutischen Zwang ab. Das Buch ist eine Informationsreise zu Erläuterungen über Reizempfindungen, dem spannenden Aufbau von Kommunikation (Gebärden), Arztbesuchen, Geschwisterkind, Therapien, Schulbegleitungen und vielem mehr – es deckt die ganze Lebensvielfalt ab. Aber es ist mehr: Auf der Grundlage der eigenen Erfahrung und einer Elternbefragung mit 183 Rückmeldungen geht es um Gefühle, Erwartungen und Erlebnissen von Eltern mit Freunden, Verwandten, der Umwelt und den Institutionen. Schonungslos offen und ohne Tabus wird jeder Lebensbereich angesprochen, eine Kraft- und Erkenntnisquelle für Eltern und Fachkräfte.
Die Autorin profitiert viel von Kontakten mit autistischen Menschen, die ihr manchmal helfen, ihren Sohn zu verstehen. Sie setzt sich auch mit den Gemeinsamkeiten und Unterschieden der frühkindlichen und TV-Autisten auseinander und stellt die große Breite des Autismus-Spektrums vor.
Urlaub und Entspannung ist ein wichtiges Thema, um Kraft zu schöpfen – kann aber auch die stressigste Zeit des Jahres sein. Auch hier sehr große Unterschiede im Spektrum, welche die Autorin sehr gut herausarbeitet. Ihr Reflexionsgrad auch in Extremsituationen und unter Schlafentzug ist beeindruckend, hilft aber anderen Eltern sicherlich, in ähnlichen Situationen neue Handlungsstrategien zu entwickeln. Ein jahrelanger Kraftakt, der Stärke und Standhaftigkeit benötigt, um sich selbst nicht zu verlieren. Der sehr gut gewählte Buchtitel kommt hier zur vollen Entfaltung – auch wenn so einiges erst im Rückblick deutlich wird…
Das Buch schließt mit Gedanken zur Zukunft ab, die nicht weniger aufwühlend sind als die Gegenwart.
Allen Eltern, Verwandten und Fachleuten, die mit Menschen im Autismus-Spektrum leben und arbeiten, sei dieses Werks ans Herz gelegt. Es beinhaltet eine aktuelle Sicht auf den Autismus, gibt viele Hinweise und macht Mut – trotz der oft übermenschlichen Anstrengung. #bauerfeind

Georg Theunissen: Autismus verstehen: Außen- und Innensichten

Von der Defizitorientierung der Autismus-Diskussion hat sich Georg Theunissen schon seit einigen Büchern verabschiedet und hier legt er nun ein neues Bekenntnis vor. Von der Pathologisierung zur Neurodiversität. Er versteht Autismus als "Form des menschlichen Seins" und hat nach seinen Worten in den letzten Jahren mehr aus den Sichtweisen von Autisten gelernt, als aus zahlreichen Fachbücher. Deshalb ist dieser Band in die Außensicht (nämlich die eines Nichtautisten) und Innensichten (nämlich Berichten von Autisten) aufgeteilt.
So schafft er es, wissenschaftliche Theorien zum Autismus durch Erfahrungsberichte von Autisten zu erläutern und macht sie dadurch verständlich. Auch die abschließende Zusammenfassung gibt es aus beiden Sichtweisen. Darüber hinaus ist das Buch ausdrücklich in einfacher, verständlicher Sprache konzipiert, wobei es trotzdem wissenschaftlich fundiert ist. Wirklich einfache Sprache ist es dann nicht immer, aber doch sehr gut lesbar (in einem Teil werden hochaktuelle Studien beschrieben, der trotz wissenschaftlichem Text sehr lohnenswert ist).
Der Autor zitiert sehr viel aus Büchern von Autisten (u. a. Robison, Willey, Grandin, Barnett (Eltersicht)), die er intensiv durchgearbeitet und markante Sätze herausgearbeitet hat. Ein hoher Wiedererkennungswert, wenn man einige davon gelesen hat.
Die "autistische Intelligenz" wird in 12 Formen unterteilt und darauf hingewiesen, dass diese Denkmuster so bei Nichtautisten nicht vorliegen. Obwohl der Fokus und die Fallbeispiele eher bei hochfunktionalen Autisten liegen, macht Theunissen deutlich, dass auch vermeintlich geistig behinderte Autisten bei einzelnen Tests höhere Werte als Nichtautisten erreichen!
Die Beiträge der Autisten sind nach Themenschwerpunkten unterteilt. So beschreibt Gee Vero z. B., dass ihr System immer auf "höchster Gefahrenstufe" läuft und sie daher meist gestresst und angespannt ist, um auf alle Eventualitäten vorbereitet zu sein.
Imke Heuer und Ralf Drenkhahn schreiben über die Formen des Denkens. Sehr faszinierend, was hier an Wissen über die unterschiedlichen Denkmodelle zusammengetragen wurde. Dietmar Zöller (z. B. „Als nichtsprechender Autist in fremden Ländern“) schreibt zu motorischen Auffälligkeiten, die er "für Menschen aus dem autistischen Spektrum, die nicht so stark betroffen sind" und daher nicht so gern von "Behinderung" sprechen, als "atypische Bewegungsmuster" bezeichnet. Er persönlich schreibt weiter von "motorischen Verhaltensstörungen", da sie ihn oft sehr beeinträchtigen.
Peter Schmidt ist auch als Autor dabei und befasst sich mit dem Bereich ‚Routine und Ordnung’. Imke Heuer in einem weiteren Beitrag mit dem Thema ‚Sprache’. Hajo Seng beeindruckt mit einem Beitrag über sein "autistisches Erwachen" und dem Bekenntnis, das er erst mit Mitte 30 den Weg zur Interaktion mit anderen Menschen gefunden hat. Vorher waren eher Steine und Schnecken Interaktionspartner - ein fesselnder Artikel.
In der Zusammenfassung stellt Theunissen mit zahlreichen Anmerkungen die bisherige Autismusforschung durchaus in Frage. Insbesondere die Blickwinkel auf Spezialinteressen und repetitives Verhalten.
Mit dem neuen Thema "Veränderungen Autismus-typischer Merkmale im Zuge des Älterwerdens" umreißt er abschließend ein neues Forschungsfeld, das für die Zukunft weitere interessante Bücher verspricht. Nach unterschiedlichen Untersuchungen würden zwischen drei und 25% der als Kinder mit Autismus diagnostizierten Menschen im Verlauf ihres Lebens keine Diagnose mehr erhalten. Woran liegt das, was heißt das für die Therapien und den Unterstützungsprozess: Spannende Fragestellungen.

Tolles Buch, sehr empfehlenswert.#theunissenInnensichten

Susanne Strasser: Wahrnehmungsbesonderheiten bei Menschen mit Autismus.

Die Autorin hat ein Kind mit Autismus und ist u. a. Psychologin. Ihre Fachlichkeit wird schnell deutlich und das macht dieses Buch besonders: Sie stellt nicht die bekannten Theorien vor und erörtert Fakten, die auf den ersten 50 Seiten eines jeden Buches über Autismus zu finden sind, sondern sie setzt einen neuen, klaren Schwerpunkt. Autismus wird ausschließlich aus dem Blickwinkel der Wahrnehmung betrachtet. Wie nehmen Menschen mit Autismus ihre Umwelt wahr und aufgrund welcher Wahrnehmung folgt eine – möglicherweise auffällige – Reaktion. Was löst welches Verhalten aus und wie kann man das herausfinden, um das Verhalten zu beeinflussen. Genau der richtige Ansatz, denn Autisten wollen niemanden ärgern, wenn Sie ungewöhnliche Verhaltensweisen zeigen.
Es macht in der Regel keinen Sinn, Verhaltensweisen psychologisch zu erklären, stattdessen ist geradezu detektivisches Geschick gefragt, um auf die Ursache einer Handlung zu kommen. Mittlerweile gibt es zahlreiche Bücher, in denen Autisten die Gründe ihres Verhaltens während der Kindheit beschreiben können und es gibt immer wieder erstaunliche Erklärungen dafür, auf die man selbst nur schwer kommen würde.
Häufig setzen Therapien bei den Symptomen, nicht bei den Ursachen an und so kann es passieren, dass Therapien das Gegenteil dessen bewirken, was sie beabsichtigen. Einfühlungsvermögen ist hier gefragt. Was für den einen Autisten gut und hilfreich ist, kann für den anderen sinnlos und demotivierend sein. So ist das mit der Wahrnehmung: Was der eine als gut riechend empfindet, stinkt einem anderen.
Im Buch beschreiben viele Autisten ihre Wahrnehmung und die daraus resultierenden Handlungen. Die Autorin zitiert dabei viel aus vorhandener Literatur (z. B. Gee Vero).
Die große Fülle an unterschiedlichen Wahrnehmungen ist nach Sinnen geordnet. Drei Dinge sind für die Autorin wichtig, um die Lebensqualität von Autisten zu verbessern: (1) Verhalten erkennen und verstehen. (2) Die Umwelt zu gestalten, damit Autisten sich darin wohlfühlen und (3) passende therapeutische Maßnahmen.
Das Buch schließt mit über 20 Seiten mit Übungsmöglichkeiten, um eine sensorische Überforderung im Alltag zu vermeiden. Bei allen Maßnahmen zur „Förderung der Wahrnehmung“ ist es der Autorin wichtig, das kein Zwang ausgeübt wird: Es sollte den Menschen Spaß machen. Gerade der letzte Teil des Buches bringt zahlreiche Idee und Anregungen mit, die man gut im Alltag nutzen kann.
Ein gelungenes Buch zu einem wichtigen Aspekt, um Autismus zu verstehen.#strasser

Peter Schmidt: Der Strassensammler - die unglaublichen Erlebnisse eines autistischen Weltreisenden

Das Peter Schmidt seit frühster Jugend Straßen sammelt, wissen die zahlreichen Leser seiner Besteller. Nun gibt es endlich das Buch dazu. Es enthält Reiseberichte aus der ganzen Welt, sehr beeindruckend, abwechslungsreich und immer mit einer Prise „anders reisen“. Denn grundsätzlich steht der Autor in China vor den gleichen Herausforderungen „wie im nahen, heimatlichen Deutschland“: Die zwischenmenschliche Beziehungsebene bleibt für ihn „so gut wie unsichtbar“. Er ist ausgeschlossen von der Universalsprache „Gestik, Mimik und Befindlichkeiten“. Das führt zu zahlreichen kuriosen Begebenheit, wenn er sich zum Beispiel aus dem fahrenden Auto wirft, weil er die Unfähigkeit eines Reiseleiters, die richtigen Sehenswürdigkeiten zu finden, nicht mehr ertragen kann. Am liebsten setzt er sich selbst hinters Steuer, bei vielen exotischen Reisezielen ist das aber so nicht möglich. Hauptsache, er kann die Straßen einsammeln und geplante Ziele erreichen. Es geht in Halbschuhen auf die Wildspitze, mit der Transsibirischen Eisenbahn durch Russland und zur Not auf dem Sozius eines Motorrads durch Vietnam.
In Pakistan übersetzt seine Frau Martina kulturelle Vorgaben, sein Sohn hilft manchmal beim Gesichterlesen, denn die kann Peter Schmidt kaum erkennen, geschweige denn deuten. In Tibet wird er offiziell zum Alien erklärt: Endlich ist offiziell, wie er sich schon lange fühlt. Reiseleiter haben es nicht leicht mit ihm, seine Sonderwünsche sind nicht verhandelbar. Und so gibt es manchmal Beschwerden über ihn bei der heimischen Agentur.
Es geht abenteuerlich und durchaus lebensbedrohlich durch den Himalaya, er sitzt in Indonesien auf einem Riff fest und geht auf gefährliche Expedition in die sudanesische Danakil-Wüste; die Mücken fressen ihn in Alaska fast auf und die Panamericana wird vollendet. Wenn es sich anbietet, erklärt er mit beruflichem Fachwissen die geologischen Formationen von Gesteinen und Vulkanen in der Welt.
Manche Reisen macht er mit seiner ganzen Familie, wobei die durchaus spontanen Elemente beinhalten und nicht so durchgeplant sind, wie es manch einer erwarten würde. Denn auch das Unerwartete kann ein Plan sein.
Das Straßensammeln ist aber auch ein Zwang, den er erkennt, als er unplanmäßig richtig Urlaub in Vietnam mit Erholung machen „muss“. Und wenn er vor einem Vortrag von einer neuen, spannenden Straße erfährt, sollte er die vorher gesehen haben, damit der Vortrag gut wird, sonst bleibt er in Gedanken immer bei der zu besuchenden Straße hängen.
Insgesamt ein Buch spannender Reisegeschichten, die zum Ende hin immer wieder Einblicke in seine autistische Sicht- und Verhaltensweisen auf die Welt geben. Es ist ein beeindruckender Ausschnitt aus seinen Reisen und eine Inspiration für eigene Planungen. #schmidtreise 

Aleksander Knauerhase: Autismus mal anders: Einfach, authentisch, autistisch

Der Untertitel des Buches bestätigt sich beim Lesen: Einfach, authentisch, autistisch. Und das macht das Besondere dieses Buches aus: Es ist in einem lockeren Ton geschrieben, gut verständlich, immer mal wieder mit etwas Humor gewürzt aber auch mit „klarer Kante“, wie man im Norden sagt: Der Mann vertritt deutliche Standpunkte.

Das Buch ist klar strukturiert und trotzdem sehr abwechslungsreich, weil die Texte oft denen eines Blogs entsprechen: Kurz und knackig und schnell auf den Punkt kommend.

Der Autor schreibt sehr persönlich immer auch darüber, wie es ihm mit den einzelnen Themen geht. „Keine Gefühle gibt es nicht“, Overload, Gesichtsblindheit, Stress und Wutausbrüche als Flucht aus Situationen (der „Dampfdrucktopf-Effekt“). Aber auch über Gebärdensprache, sinn- und unsinnige Therapien (klarer ABA-Gegner), Tiere als Unterstützung (es müssen keine Delphine sein) bis hin zu autogenem Training und Ernährung. Schule und Grad der Behinderung werden auch erörtert: Jedes Thema wird bis in die Tiefe angesprochen, Argumente abgewogen und das alles in einem gut lesbaren Schreibstil.

Also klare Empfehlung für dieses Buch, das übrigens mit einer Crowdfunding-Aktion finanziert wurde, an der wir uns damals auch beteiligt haben. #knauerhase

Rolf Knippers: Autismus, genetisch betrachtet: Veränderungen der Gene als Ursache und Auslöser

Ein Fachbuch, das sich sehr spezifisch den aktuellen Erkenntnissen und dem Stand der Genforschung bei Autismus widmet. Viele interessante Aspekte für das „Fachpublikum Autismus“, aber selbst die werden überfordert sein, wenn es in die Details der Grundstruktur und Veränderbarkeit von Genen geht. Macht aber nichts, es lohnt sich trotzdem. Für Humangenetiker ganz sicher eine echte Fundgrube.
Der Autor arbeitet sich abseits der pädagogisch/ psychologischen Fachdiskussion sympathisch an das Thema und die Geschichte des Autismus heran. Er kommt aus dem Bereich der Molekulargenetik und ist sehr genau in der Herangehensweise. Alle Fakten und Studien die zur Auslösung von Autismus betragen könnten, werden zusammengetragen und erläutert. Der Leser gewinnt erstaunliche Erkenntnisse aus Vererbungs- und Zwillingsstudien und zu Einflüssen auf die menschlichen Gene. Rolf Knippers schaut das Gehirn anatomisch an, nicht psychologisch. So ist das Gehirn von Autisten bis ins Jugendlichenalter größer, als bei Nichtautisten. Und die Idee mit den Spiegelneuronen bespricht er auch als mittlerweile klar widerlegt. Belegt hingegen ist, dass das Risiko ein autistisches Kind zu bekommen, bei Männern mit zunehmendem Alter steigt. Ab 50 J. gibt es ein 2,2faches Risiko. Die Erläuterungen dazu im Buch sind einleuchtend. Nach bisherigen Erkenntnissen haben weibliche Gene hingegen einen besseren Schutz gegen Autismus-Risikogene (Ursache noch unbekannt).
Ab der Buchmitte wird es sehr fachlich, was bei dieser Thematik zu erwarten ist. Es geht um Gene, Synapsen und Aminosäuren. Dabei ist es überraschend, wie viele (Knockout-)Mäuse im Dienste der Autismusforschung in den Laboratorien herumlaufen. Besonderheiten wie dem Rett-Syndrom und dem fragilen X-Chromosom widmet der Autor Extrakapitel.
Die Anzahl großangelegter Studien, die auf der Suche nach Autismus-Risikogenen sind, ist erstaunlich. Allerdings häufig mit enttäuschenden Resultaten: So wurde die Methode auf die Exom-Sequenzierungen verändert, da diese erfolgversprechender ist.
In der Erforschung von Autismus-Risikogenen sind Datenbanken ein großes Thema. Die Datenerfassung, um Gene zu bestimmen, nimmt gewaltige Ausmaße an, so dass die Forschungseinrichtungen mit Googlen kooperieren, die sich mit großen Datenmengen auskennen. Intensiv bei der Erforschung beteiligt ist die stark in der Kritik stehende Stiftung Autism speaks. Ziel sind 10.000 sequenzierte Genome von Autisten und nahen Verwandten.
Zwischenfazit: Es gibt bisher mehr als 1000 gefundene Risikogene. Des Autors Vorschlag zur Nutzung der Genfoschung wäre aktuell, dass man Kinder von Risikofamilien nach der Geburt routinemäßig auf Riskiogene untersucht, um dann frühzeitig mit therapeutischen Maßnahmen beginnen zu können. Das ist aber noch Zukunftsmusik, denn „Zehn Jahre Genotypisierungen und genomweiter Assoziationsstudien haben mit Sicherheit eines gezeigt: Die Genetik des Autismus ist komplex.“
Wer sich mit diesem Thema wirklich auseinandersetzen möchte, dem sei dieses Buch als unverzichtbar empfohlen.
#knippers

Peter Vermeulen: Autismus als Kontextblindheit

Das neue Buch von Peter Vermeulen ist der Nachfolger des Buches „Das ist der Titel“. Das autistische Denken beschäftigt den Autoren schon viele Jahre und hat ihn zu diesem Buch inspiriert. Dabei betont er ausdrücklich, dass er damit keine neue Theorie aufstellen möchte, zeigt aber durchaus die Schwächen bisheriger Ansätze auf. Um die drei bisherigen Erklärungsansätze (fehlende Theorie of mind, schwache zentrale Kohärenz, exekutive Dysfunktion) scheint mir die Bezeichnung „Kontextblindheit“ eine gute Klammer zu bilden. „Kontextblindheit ist die mangelnde Fähigkeit, Kontext unbewusst und spontan zu nutzen, um Bedeutungen zu bestimmen.“
Man erfährt in diesem Buch sehr viel mehr, als nur über das autistische Denken. Es erinnert mich ein wenig an Temple Grandins „Ich sehe die Welt wie ein frohes Tier“, das sich auch viel mit Autismus beschäftigt, aber darüber hinaus unglaublich viele spannende Details über Tiere und Biologie enthält. Das Buch von Vermeulen ist spannend und leicht verständlich geschrieben und vermittelt sehr viele Informationen, Untersuchungen und auch kuriose Entdeckungen über unser Gehirn, über Kommunikation, Wahrnehmung, Wissen etc.. Z. B. geht es zu Beginn um die Funktionsweisen des nicht autistischen Gehirns, um die Bedeutung des Kontextes hervorzuheben und die Kontextblindheit des autistischen Gehirns zu verdeutlichen. Dabei wird sehr bewusst, wie schwer das Leben mit Kontextblindheit ist.
Botschaft: Nichts hat eine feste Bedeutung und nichts ist absolut richtig. Alles ist abhängig vom Kontext. Kontextsensitivität ist wesentlich für die soziale Interaktion.
Auch bei der Sprache ist der Kontext wichtig: Man erkennt einen Satz wesentlich schneller, wenn man den Kontext kennt. Menschen mit Autismus brauchen daher oft länger, einen Satz zu erfassen.
Autisten haben Probleme mit Details, sie können wichtige nicht von unwichtigen unterscheiden, da sie den Kontext oft nicht erkennen = Kontextblindheit.
In jedem Fall ist die Idee der Kontextblindheit ein wichtiger neuer Ansatz, der möglicherweise dazu beiträgt, Verhalten von Autisten besser zu verstehen und das Lernen von Autisten besser zu ermöglichen. Es ist wesentlich wichtiger das Leben von Autisten lebenswerter zu machen, als herauszufinden, welche 130 Gene zum Entstehen von Autismus beitragen.
Am Ende des Buches gibt es zahlreiche Beispiele, wie Fachleute und Eltern auf die Kontextblindheit eingehen und damit arbeiten können, z. B. anders zu formulieren und dabei Kontexterklärungen einzubinden. Das ist wichtig, um Autisten zu unterstützen.
Ein Ziel sollte sein: Nicht den Autismus heilen oder behandeln, sondern die Umwelt autismusfreundlicher gestalten. Ein sehr gutes empfehlenswertes Fachbuch, das sich auch an Autisten und Eltern wendet. #vermeulen

Regine Winkelmann: Früher war ich falsch ... heute bin ich anders: Erzählungen einer Autistin

Ein ganz tolles Buch, um eine Autistin besser zu verstehen. Ehrlich, offen und unendlich viele Erklärungen für Handlungen und Missverständnisse anbietend, so dass man als Nichtautist viele Dinge verstehen kann, die uns manchmal rätselhaft bleiben. Es ist daher auch ein gutes Buch für Angehörige und Fachleute. Aufgrund des lebhaften Schreibstils lässt sich das Buch kaum aus der Hand legen. Sehr nah, gut und verständlich beschreibt die Autorin die Schwierigkeiten, mit anderen Menschen zu kommunizieren.
Herzerweichend, wenn sie wortlos vor einem Lehrer steht und um Hilfe gegen Mobbing bitten möchte: "Bitte helfen Sie mir - dachte ich so laut ich konnte."
Während sie ihre Lebensgeschichte erzählt, gibt es immer wieder Rückblicke in ihr Leben. Viele Begebenheiten werden im Nachhinein mit der Diagnose erklär- und für sie verstehbar. Häufig hätte sie sich eine „Übersetzungshilfe“ gewünscht. Sowohl bei Arbeits- als auch bei Überforderungssituationen.
Ihre beeindruckenden Fähigkeiten als Zeichnerin (einige Beispiele sind im Buch zu finden) und als Musikerin (sie lernt Instrumente durch ausprobieren und muss die Melodie im Kopf haben... spielt ohne Noten!) blitzen manchmal durch. Das sie in Bildern denkt, merkt sie erst durch Bücher von Temple Grandin. Vorher denkt sie (natürlich), dass alle Menschen so denken wie sie. Die Übersetzung der Bilder in gesprochenes Wort dauert etwas, daher kommen Verzögerungen zustande.
Sie beschreibt sehr gut den Unterschied zwischen alleine sein und Einsamkeit. Einsamkeit schafft keine Entspannung: "Erst wenn er da war, konnte ich allein sein." Mit Baby im Bauch war sie dann nicht mehr einsam.
Während sie im letzten Drittel des Buches von ihren Kindern erzählt, die alle Autisten in verschiedenen "Ausdünnungsgraden" sind, berichtet sie nicht mehr von ihren Bedürfnissen. Keiner darf in sie hineinschauen, sie funktioniert und versucht persönliche Tiefs zu verstecken.
Während sie ihre Kinder versorgt, vergisst sie ihre eigenen Bedürfnisse - auch Essen und Trinken. Sie beschreibt ihre Liebe zu den Kindern so schön.
Auch ihre Kinder müssen zur Schule, dabei sind sie ihr doch so ähnlich und müssen viele Ungerechtigkeiten erleiden. Mobbing, Schulwechsel - wie so häufig.

Beste Leseempfehlung! Man darf auf eine Fortsetzung der Lebenserfahrungen von Regine Winkelmann hoffen, denn das wird für alle Nichtautisten sicher eine Bereicherung sein. Aktuell ist sie viel auf Lesungen und Vorträgen unterwegs und propagiert zu recht: "Vor allem sind wir mitwirkungsberechtigt, wenn Nichtautisten erklären wollen, wie wir Autisten die Welt verstehen."#regine

Marlies Hübner: Verstörungstheorien: Die Memoiren einer Autistin, gefunden in der Badewanne.

Ich habe das Buch an einem Tag durchgelesen: Was gibt es für ein besseres Lob? Toll geschrieben, abwechslungsreich und mit einer Prise Erotik (und damit meine ich natürlich ausdrücklich nicht die Missbrauchsszenen!). Die Autorin beschreibt vorrangig ihren Autismus in verschiedenen Alters- und Bewusstseinsstufen, wechselt gekonnt zwischen den Erzählzeiten und geht auf jede Nuance des autistischen Spektrums ein. Dabei ist es ein „autobiografischer Roman“ – keine Biografie. An einigen Stellen tauchen dabei Textfragmente aus Blog- oder anderen Texten von ihr auf, die man wie gute Freunde wiedererkennt.
Was einer Autistin alles passieren kann und wie sie dabei empfindet, streift alle Facetten des Lebens: Kindergarten, Schule, Ausbildung, Arbeits- und Liebesleben. Von schrecklich bis amüsant ist alles dabei. Immer wieder bestürzend, wie vermeintlich professionelle Helfer (hier vor allem Hausarzt und Bundesagentur für Arbeit) in der Auswahl der Unterstützung bei Autisten danebengreifen können.
Wie unterschiedlich Wahrnehmung, Wünsche und Entwicklung im Liebesleben sein können, wird in diesem Buch deutlich. Solch handfeste Berichte findet man sonst eher nicht in Bücher zum Thema Autismus. Die Grenzen bzw. besonderen Anforderungen an eine Partnerschaft werden klar.
Das Buch schildert den Weg eines Mädchens und später einer jungen Frau ohne Autismus-Diagnose auf den Irrwegen der Kommunikation in einer kommunikationsintensiven Welt. Die anderen Kinder im Kindergarten „können Mensch“ – als Autistin muss sie alles mühsam und missverständlich lernen. Das Selbstbewusstsein ist im Keller, kein Wunder. Die Autismusdiagnose mit 23 Jahren ändert das erst einmal nicht, macht aber vieles im Rückblick verständlich und generiert langsam eine neue, persönliche Stärke – für vermeintliche Schwächen gibt es nun eine plausible Erklärung und neue Umgangsmöglichkeiten.
Ein beeindruckendes Erstlingswerk, das unaufgeregt und umfangreich ein Bild von Autismus vermittelt, damit Nichtautisten nun besser Autismus verstehen können. Klasse!#robo

Gee Vero: Autismus - (m)eine andere Wahrnehmung

Nicht nur, weil ich die Autorin persönlich kenne und Ihre Vorträge großartig sind, sondern weil ich selbst Vater eines jungen Mannes mit Autismus bin und ich mich ehrenamtlich sehr für das Thema Autismus engagiere, habe ich dieses Buch gekauft und gelesen, ich kann es nur empfehlen, weil es neben der Welt von Gee Vero und ihrem Sohn auch eine große Menge Hintergrundinformationen liefert, die für das Gesamtverständnis der Thematik eine große Rolle spielen, dieses Buch kann ich "Einsteigern" und auch "Fortgeschrittenen" empfehlen und es macht Mut!
Es sind nicht nur Informationen über die Hintergründe zu finden, es sind keine wissenschaftlichen Erklärungen in einer Form, die sich - wie in einigen anderen Büchern, die ich gelesen habe - dem Leser nicht erschließen, es sind Beispiele aus dem tatsächlichen Erleben, die daher ausgesprochen nachvollziehbar und verständlich sind. Aber nicht nur diese Erklärungen und Zusammenhänge, die hier dargestellt werden, machen dieses Buch lesenswert, ja nicht nur lesenswert sondern wertvoll. Es sind die Möglichkeiten, die Anregungen und Hilfen beim Zusammensein, beim Umgang mit autistischen Menschen, die den Wert ausmachen.
Gee Vero ist eine mutige Frau, die uns mit diesem Buch an Ihrem Leben und Erleben teilhaben lässt und die nicht zuletzt durch ihr großartiges Kunstprojekt "The Art of Inclusion" eine wunderbare Idee in die Wirklichkeit umgesetzt hat mit der sie etwas Einzigartiges geschaffen hat, was lebt und wächst und Mut macht, so wie ihr Buch.
Ein Muss für alle, die das Thema Autismus interessiert.
Rezension: Torsten Hansen, www.elternzentrum-berlin.de #vero

Ina Blodig: Hochfunktionale Autisten im Beruf: Navigationshilfen durch die Arbeitswelt

Ein wirklich gelungenes Buch mit Handreichungen für alle, die sich mit Autismus und Arbeit beschäftigen. Schon das Buch zum Projekt MAASarbeit war sehr gut, hier wird nun alles pointiert, auf das Wesentliche reduziert und es geht um die Sache, nicht um wissenschaftliches Feintuning. Wie bringt man Autisten in Arbeit – oder besser noch: Wie bringen sich Autisten selbst in Arbeit. Das Buch richtet sich in der Schreibweise an Autisten, spricht sie direkt an. Richtig so! Experten für sich sind die Autisten selbst. Jeder mit der persönlichen Individualität. Deshalb ist als Unterstützung individuelles Coaching/ Jobcoaching das Mittel der Wahl. Viele Fragen werden aufgeworfen, mit denen sich jeder beschäftigen sollte und es werden Unterstützungsmöglichkeiten aufgeführt die hilfreich sein können. Wichtig immer wieder: Selbstreflexion, die eigene Person kennenlernen, Reizüberforderungen erkennen und die Ursachen einschränken oder vermeiden. Der Weg zur Festanstellung ist schwer, aber er lohnt, um sich entfalten und das Leben selbst gestalten zu können.
Das Buch ist sehr gut gegliedert und beginnt mit den Bewerbungsunterlagen. Hier verwendet die Autorin Hesse/ Schrader als Standard. Danke, denn so ist es auf dem Arbeitsmarkt. Kreativität gern bei kreativen Berufen, aber ansonsten bitte schnörkellos.
Jeder Unterpunkt wird durch Erfahrungsberichte von AutistInnen bereichert und dadurch direkt in der Praxis beschrieben. Auch Fördermöglichkeiten sind Thema – aber dafür sollten Fachleute da sein, die durch diesen Dschungel führen, daher ist dieser Teil nur kurz. Dafür geht es um Arbeitsplatzsuche, Arbeitsaufnahme mit den Tücken der ersten Tage, Meetings, Mobbing, Betriebsausflüge und Pausen/ Freizeit/ Urlaub. An jeden Aspekt des Arbeitslebens wird gedacht. Schön: Strategien für einen entspannten Arbeitsalltag. „Bewusst Rosinen essen“ hat mir gut gefallen.
Die Anlagen mit Musterbewerbungen und der „Checkliste durch die Arbeitswelt“ sind eine schöne Ergänzung.
Für Autisten aber auch für Fachleute ein wichtiges Buch: So soll die Arbeit mit der Arbeitsaufnahme von autistischen Menschen zukünftig gestaltet werden. Ich bin auch in diesem Bereich tätig und freue mich, dass wir es genauso machen, wie in diesem Buch beschrieben. #blodig 

Josef Schovanec: Durch den Wind. Savant und Autist: Ein einzigartiges Zeugnis.

Was für ein einzigartiges Buch: Feinsinnig, intelligent, ironisch, bissig und doch lustig und anregend. Schovanec hat einen einmaligen Schreibstil, der jede Seite zum Erlebnis macht. Dabei stellt er seine Fähigkeiten in keiner Weise in den Mittelpunkt, sondern nutzt sie, um dem Leser einen tiefen Einblick in den Umgang mit Autismus in Frankreich zu geben, seinen Autismus zu beschreiben und viele Therapien und Medikamente zu entlarven. Dabei hält er den Nichtautisten regelmäßig einen häufig durchaus komischen Spiegel vor.
In der Schulzeit verzweifeln Lehrer ihm. Danach bewegt er sich zwischen Genie und Lebensunfähigkeit, besucht eine Elite-Universität und lernt zahlreiche Sprachen. Vorrangig eher exotische Sprachen – denn diese Kurse sind meist wenig besucht. Die Versuche, sich behandeln zu lassen, kosten ihn viel Geld, seine Gesundheit und Lebenszeit – die Diagnose Autismus ist eine Erlösung. Er entdeckt währenddessen durchaus das „humoristische Potential“ der Psychoanalyse und führt auch bekannte Protagonisten regelrecht vor.
Was ist schon „normal“? Von Faust bis Rosemary Kennedy gehen seine Gedanken dazu. Außerdem wäre ein Autist in anderen Ländern sicherlich eher unauffällig – bis hin zu Musterschülern in buddhistischen Klöstern.
So viel schlauer Text! Natürlich auch über Autisten, die Helfer- und Forscherszene (wo trifft man sicher keine Autisten? Bei einem Kongress über Autismus).
Dieses Buch sei jedem empfohlen, der ein tiefgründiges Werk zu einem spannenden Thema lesen möchte. Erheiterungen kommen nicht zu kurz.
In Frankreich ist Schovanec eine bekannte Persönlichkeit, häufig in Funk und Fernsehen als Fachmann für Autismus (auch wenn er von seinen Fähigkeiten nicht wirklich überzeugt ist). #schovanec

Bestellung über www.spheres.cc

Brita Schirmer, Tatjana Alexander: Leben mit einem Kind im Autismus-Spektrum

Das Buch erfüllt ein ganz wichtiges Anliegen: Informationen für Eltern, deren Kinder eine Autismus-Diagnose erhalten haben. Erstaunlich, wie allein Eltern danach häufig gelassen werden.
Nachdem zu Beginn des Buchs eine kurze Einführung zum Autismus mit neusten Erkenntnissen gegeben und auch die Diagnostik beschrieben wird, geht es erst einmal um die Eltern. Heutige Eltern sind ziemlich allein mit der Erziehung und ohne Erfahrungshintergrund, den große Familienverbünde oder Dorfgemeinschaften früher gebildet haben. Es tut gut, das mal knackig zusammengefasst auf wenigen Seiten vor Augen geführt zu bekommen. Auch die Paar- und Beziehungsebene wird offen angesprochen: Sehr wichtig für jedes Elternpaar mit einem besonderen Kind. Selbst wenn das Paar die Herausforderung aushält, geht es mit einem völlig anderen Ablöseprozess der Kinder weiter, der sich gänzlich anders gestaltet, als bei „normalen“ Kindern.
Zahlreiche Interviews mit Eltern bilden den Kern des Buches. Ehrliche, klare Interviews. Es werden gezielt Fragen gestellt, es bleibt nicht bei Selbstdarstellungen, wie man sie oft in Büchern von Müttern findet. Hilfreich ist sicherlich, dass die Autorin die InterviewpartnerInnen häufig schon viele Jahre kennt. Die Interviews sind für andere Eltern mit „frischer“ Diagnose ganz sicher hilfreich, zumal sie diese Situation aus verschiedenen Blickwinkeln beleuchten. Für mich war dabei auffällig, dass alle Eltern ihr Leben als wesentlich intensiver beschrieben haben, als ohne Kind mit Behinderung. Durchaus im positiven Sinne, auch wenn es eine Berg- und Talfahrt ist. Die Menschen wachsen an schwerwiegenden Lebensereignissen („postraumatic groth“) – wenn auch ungewollt.
Sehr professionell ist für dieses Buch, dass die Interviews nicht einfach stehen gelassen werden, sondern eine Auswertung und Zusammenfassung durch eine qualitative Textanalyse erfolgt. Ein sehr wertvoller Buchteil, der die Gemeinsamkeiten, den „Schatz an Erfahrungen“ herausarbeitet.

Im Literaturverzeichnis sind vor allem Bücher von Fachautoren genannt, nicht von Autisten. Eltern, die eine frische Diagnose erhalten haben, sollten Bücher von Autisten als nächstes lesen, um deren Sicht kennenzulernen. Beides zusammen verspricht die richtige Grundlage, einen „intensiven Lebensabschnitt“ zu meistern. #schirmer

Christine Preißmann: Glück und Lebenszufriedenheit für Menschen mit Autismus

Zu Beginn gibt die Autorin einen Überblick über die aktuelle Glücksforschung. Den Unterschied zwischen Glück (kurz und schnell) und Zufriedenheit (langfristig) ist dabei interessant. Aus der Forschung leiten sich dann tatsächlich Tipps ab, wie man selbst glücklicher werden kann. Zwar keine Überraschungen dabei, aber sicherlich trotzdem hilfreich.
Der zentrale Bestandteil des Buches sind Beschreibungen von Autisten über das, was für sie Glück bedeutet. Diese zahlreichen Berichte sind spannend zu lesen. Häufig gehen die Beiträge in Lebensberichte über. Lebensentwürfe, Ziele, Wünsche und Ideen von Autisten kommen dabei zur Sprache. Sehr unterschiedlich, authentisch und abwechslungsreich. Allein für diese zahlreichen Beiträge autistischer Menschen und die Einblicke in deren Biografien ist die Lektüre sehr lohnenswert.
Als wesentlicher Faktor, der das Glücksempfinden bei Autisten beeinflusst, wird Stress herausgearbeitet, beziehungsweise die notwendige Vermeidung von Stress. Möglichkeiten für die Vermeidung von Stress werden daher intensiv thematisiert.
Wichtig für ein glückliches Lebensgefühl werden auch soziale Kontakte und der Umgang mit Emotionen bewertet. Daneben kann Proedukation das Glücksgefühl fördern, da Autisten dadurch Kenntnisse über den eigenen Autismus erlangen und sich besser kennenlernen. Anschließend gelingt es ihnen besser, auf Entlastung und Stressvermeidungen zu achten, was beides zur Entspannung beiträgt.
Die Autorin wirft in diesem Zusammenhang eine interessante Frage auf: Kann die Diagnose an sich eine Grundlage für das Glücklichsein sein? Die Frage wird bejaht, da es die Erkenntnis über den eigenen Autismus fördert. Hier muss natürlich jeder Autist seine eigene Antwort finden.

Dass die Schauspielerei als Möglichkeit genannt wird, um Glück zu empfinden ist interessant – denn Schauspielerei bedeutet natürlich auch Stress. Jeder nimmt das anders war, deshalb kann es möglicherweise einigen sehr helfen, während es für andere keine relevante Idee ist.

Ergebnis des Buches: Glück ist schwer zu definieren und sollte mehr als die Abwesenheit von Unglücklichsein bedeuten. Als Anregung für Freunde und Verwandte: Man könnte autistische Menschen oft fragen, ob sie aktuell glücklich sind oder was die Person möglicherweise stört. So ist man nicht auf Deutungen angewiesen. #glueck 

Klara Westhoff: In Felix Veritas

Das „Tagebuch einer Asperger-Mutter“ ist tatsächlich ein Tagebuch. Der ganze Weg von der Geburt bis kurz vor dem Abitur wird beschrieben. Was für eine Geschichte! Ein Bericht über die verschiedenen Stadien der Diagnostik zu Beginn, und vor allem über Ämter und die Kämpfe mit den Institutionen. Hier wird mit so manchem Seitenhieb über deren Vorgehensweisen nicht gespart, was verständlich ist bei dem dadurch entstandenen Frust und den finanziellen Nachteilen. Der unbändige Wille, sich gegen die Behörden durchzusetzen, ist beeindruckend. Der „Weg durch die Instanzen“ ist mühsam und leider nicht immer von Erfolg gekrönt. Die Mutter hat oft das Gefühl, das hinter den Kulissen gemauschelt und abgestimmt wird, „Amtsstubenspielereien“, es werden Daten weitergegeben, was am Ende sogar zu einem Verfahren wegen Verdacht auf Kindeswohlgefährdung führt. Das war gefährlich. Klagen, Briefe an Ämter – alles ist im Tagebuch dabei.
Während der Schulzeit wird die Schulbegleitung zum Lotteriespiel – man gewinnt leider selten. Mobbinggeschichten, Unverständnis der Lehrkräfte und Mitschüler – wie so oft. Das dann die Mutter in der Not selbst zur Schulbegleiterin wird, kommt überraschend. Da hätte ich gern mehr drüber gelesen. Mit wenigen Sätzen werden ein Hausbau und die dadurch entstehenden Veränderungen erwähnt. Die Doppelbelastung dürfte an jede psychische Grenze gegangen sein.
Das ein Schulabschluss erreicht wird, ist sicher nicht das Verdienst der Behörden, sondern der Mutter (oder Eltern? Der Vater findet kaum Erwähnung).
Durch den chronologischen Aufbau des umfangreichen Tagesbuchs (290 Seiten) fehlen manchmal Erläuterungen zwischendurch, wenn wenig Zeit zum Schreiben blieb. Auch ein Inhaltsverzeichnis und ein ehrliches Lektorat hätten dem Buch gutgetan. Trotzdem eine Leseempfehlung für alle, die es mal genauer wissen möchten, wie es denn so ist mit einem Asperger-Kind.
Warum das Buch kurz vor dem Abitur endet, ist nicht überliefert. Gibt es ein Happyend? Man weiß es nicht, aber eine Fortsetzung ist gewiss, denn nach dem Schulabschluss geht es ins Berufsleben und da warten ganz ähnliche Aufgaben auf die Autorin. Dann heißt der Protagonist vielleicht Felix, denn im Vorwort wird von „meinem Sohn Felix“ geschrieben, während das ganze Buch von Justus handelt. #felix

Eva Daniels: Geliebter Fremder. Wie Frauen ihren Asperger-Mann lieben und verstehen

Eine neue und gute Buchidee: Wie kann frau mit einem Asperger-Mann zusammenleben? Ohne zuviel zu verraten: Es ist etwas für starke und reflektierte Frauen sowie Männer, die ihre Diagnose verstehen und bereit sind, gemeinsam zu lernen.
Das Buch will kein Fachbuch sein und stellt Erfahrungen von Frauen in den Vordergrund. Es beginnt wie ein Liebesroman, so dass Männer versucht sind, den Deckel gleich wieder zuzuklappen. Dass es für Frauen geschrieben wurde, verrät die Autorin auch gleich zu Beginn, wobei AS-Männer und andere Interessierte durchaus viel Neues erfahren. Durch beschriebene Lebenssituationen liest sich das Buch sehr praktisch und lässt vieles gut nachvollziehen.
Das AS-Partner ihre Zuneigung anders zeigen, darf erwartet werden, dass Frauen es damit nicht leicht haben, auch. Frauen müssen sich demnach dringend Ausgleiche suchen, damit sie nicht „unterversorgt“ sind. Das kann gelten für lange Gespräche, soziales Miteinander, Spontaneität und z. B. Flexibilität.
Kommunikationsprobleme sind das vorherrschende Thema einer AS/NT-Beziehung. Die Beispiele im Buch dazu sind sehr gut gewählt. Wichtig ist immer zu wissen, dass ein AS-Mann niemandes Gefühle verletzten möchte – auch wenn es manchmal schwer zu glauben scheint. Die gemeinsame Sprache eines Paares nennt die Autorin daher auch "aspergisch" oder "Lingua Logicorum".
Am Ende des Buches werden die Stufen einer AS/ NT-Beziehung sehr schön als Kulturveränderung, als Umgang mit einem Kulturschock zusammengefasst. Die "sieben Phasen des Kulturschocks" beschreiben ausgezeichnet den Ablauf des Gefühlslebens für eine NT-Frau in einer solchen Beziehung.
Final wird dann noch der MIBF-Test erläutert, damit jeder sich ein Bild von seinen eigenen Charaktereigenschaften machen kann.
Insgesamt ein tolles Buch für Frauen mit AS-Partner, aber auch für alle Menschen, die ein Zusammenleben mit AS-Männern erleichtern möchten. Das Fazit ist, dass ein Zusammenleben mit einem AS-Mann nicht leicht ist, einer Frau aber auch sehr viele einzigartige Momente und Erlebnisse gewiss sind, die es mit NT-Männern so nur selten gibt.
Nun warten wir auf ein entsprechendes Buch über Asperger-Frauen. #geliebterfremder

Hugo Horiot: Der König bin ich

Ein französisches Buch, geschrieben von einem Autisten und auf Deutsch übersetzt: Nach meiner Kenntnis bisher einmalig. Hugos Autismus wurde früher schon von seiner Mutter, der französischen Schriftstellerin Francoise Lefevre beschrieben, nun schreibt er selbst ein ganz besonderes Buch.
Mit vier Jahren spricht Julian noch nicht. Bewusst, und nur manchmal rutscht ihm ein Wort heraus. Er beschreibt im Rückblick sehr genau, warum er nicht spricht, sich auf den Boden wirft, schreit und durchdreht. Er begründet viele seiner Verhaltensweisen in einer nie dagewesenen Art und Plausibilität. Hier können Fachleute eine Idee bekommen, welche Hintergründe bei diesem Verhalten vorliegen können.
Mit sechs Jahren bringt er den nicht sprechenden Julian um und nennt sich fortan Hugo, da er merkt, dass es anders nicht mehr geht. Er will seinen Autismus verdammen, kämpft mit ihm: Sehr beeindruckend, wie er diesen Kampf immer wieder dargestellt.
Er leidet in der Schulzeit, verachtet seine Klassenkameraden und lässt sich doch zum Klassensprecher wählen. Mit einer ausgeklügelten Kampagne, die er der Politik abgeschaut hat. Er wird gemobbt, hasst sich selbst, fliegt von der Schule. Fast schon das Übliche für einen Autisten im Schulsystem, muss man leider sagen.
Er vergleicht die Therapien für Autisten (in Frankreich) mit Guantanamo. Vergleichbares gibt es aber durchaus auch in Deutschland. Umso mehr man von Innenansichten der Autisten erfährt, desto abstoßender werden bisherige und immer noch gebräuchliche Therapiemethoden.
Das Buch endet mit einem dramatischen Schlusswort der Mutter, die regelrecht geschockt ist von den Erkenntnissen und Berichten ihres Sohnes und nun viel aus den letzten 30 Jahren deuten kann.

Dieses Buch von Huriot ist in jedem Fall ein ganz besonderes Buch, das jedem Interessierten empfohlen sei. #huriot

Inci Auth: „Sind die Knöpfe spitz?“ Ein Erfahrungsbericht über das Leben mit meinem herzkranken, autistischen Kind

“Inci Auth schreibt in Ihrem Erfahrungsbericht auf eindrucksvolle und gleichermaßen sensible Art und Weise über ihr Leben mit ihrem herzkranken und autistischen Sohn Dennis, über die oft mühsame Bewältigung des „ganz normalen“ Alltags und die Hürden, die beide täglich zu bewältigen haben.
Schicksalsschläge wechseln sich mit Hoffnungsschimmern ab, Erwartungen weichen Rückschlägen. Und dennoch: Stets siegen Hoffnung, Zuversicht, Mut und unerschütterliches Gottvertrauen.
Die Autorin verwendet eine prägnante und gefühlsstarke Schreibweise und versteht es vortrefflich, ihre Erlebnisse für den Leser nachvollziehbar in Worte zu fassen und in eine „etwas andere Welt“ eintauchen zu lassen. Auf diese Weise erhält er einen eindrucksvollen Einblick in das Leben einer „starken“ Mutter und ihres „besonderen“ Sohnes.
Sie beschreibt die besondere sensible Wahrnehmung der Außenwelt ihres Sohnes authentisch. So authentisch, dass ich mich, selbst vom Asperger-Syndrom betroffen, in vielen Episoden an meine Kindheit und teils immer noch an meine Jetztzeit erinnert fühlte. Es schien zeitweise, ich blickte nicht nur auf eine Buchseite – sondern auch in einen Spiegel.
Inci Auth ist es eindrucksvoll gelungen, mit „Sind die Knöpfe spitz?“ eine literarische Brücke zwischen einem ernsten und zuweilen betroffen machenden Thema und einer „spannenden“ Lektüre zu schlagen.
Nicht nur Betroffene und deren Angehörige profitieren von diesem Buch. Auch Menschen, die erfahren möchten, warum Knöpfe auch spitz sein können, empfehle ich diesen packenden Lesestoff.”
(Rezension: Rolf Piotrowski, Heilpraktiker für Psychotherapie)


Daniela Schreiter: Schattenspringer 2. Per Anhalter durch die Pubertät

Endlich der zweite Teil! Wie gut, das ich den ersten Teil erst vor kurzem gelesen hatte, so konnte ich quasi gleich weiterlesen. Das erste Werk hatte ich als "das am besten lesbare Fachbuch" gelobt - Schattenspringer 2 schließt da nahtlos an. Ein grandioses Buch, um die Welt von Menschen mit dem Asperger-Syndrom besser verstehen zu lernen. Natürlich ist jeder Autist anders, aber auch in diesem Teil werden ganz viele Gefühle und Empfindungen von Autisten so schön verdeutlicht, dass man keinen Fehler machen kann, diese zu kennen.
Die Pubertät ist ohnehin eine schwierige Zeit für alle Menschen, die sich damit aus der Kindheit verabschieden müssen - ein Wirbelsturm der Gefühle. Für Asperger-Autisten ist das mindestens doppelt so schwer. Und Daniela Schreiter kann sich mit den Bildern so klar und liebevoll ausdrücken - einfach herrlich. Eines meiner Lieblingsbilder ist, wie sie als Loreley lange Zeit („Spinnweben“) auf den nächsten Prinzen wartet und auf einem kleinen Schild „free W-LAN“ als Zugabe zur Loreley geschrieben steht (S. 98). Für die zahlreichen Details muss man das Buch mindestens zweimal lesen (z. B. Kirsche statt Apple).
Ein absolut gelungener Nachfolger des erfolgreichen Erstlingswerkes und das Beste daran: Es wird noch einen weiteren Band geben. Da muss ich nun leider etwas länger drauf warten, aber zur Vorfreude werde ich die beiden bisherigen Bücher öfter lesen, verleihen und verschenken. Danke für dieses erneute, einfach zu lesende Fachbuch.#Schattenspringer02

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Irmhild Rogalla: Gehörlose in Arbeit und Beruf

Die Autorin beschäftigt sich mit einem kaum untersuchten Bereich. Erstaunlich, dass es nur wenig Literatur zum Thema „Gehörlose und Arbeit“ gibt. Umso verdienstvoller ist dieses knapp 100 Seiten starke Büchlein.
Die gesamte Bandbreite der Thematik wird klar strukturiert abgearbeitet: Zahlen, Fallberichte, Fördermöglichkeiten.
Dabei ist es wirklich erstaunlich, wie schlecht die Datenlage in diesem Bereich ist. Eine klare Aussage über die Arbeitslosigkeit in dieser Zielgruppe ist nicht gesichert möglich. Erhellend sind daher die Fallberichte: Es geht hier häufig um die Meisterausbildung, in der die Schwierigkeiten und Bedarfe deutlich herausgearbeitet werden.
Neben der Bestandsanalyse aller Fakten werden auch die Fördermöglichkeiten aufgezeigt. Dies ist insbesondere für Menschen hilfreich, die zukünftig eine Ausbildung/ Qualifikation anstreben. Häufig werden Mittel nicht beantragt, da man keine Kenntnis von den Möglichkeiten hat.
Die Angebote von Weiterbildungsträgern an Qualifikationskursen ist allerdings ausgesprochen gering, es müssen in der Regel immer individuelle Lösungen gesucht und entwickelt werden.
Fazit: Endlich mal ein Überblick in diesem Bereich – allerdings wird vor allem deutlich, welche enormen Lücken es hier gibt. Es gibt viel zu tun. #rogalla

 

Monika Lang (Hrsg.): MAASarbeit. Barrierefreiheit auf dem Weg in die Arbeitswelt für Menschen aus dem Autismusspektrum

„Autismus und Arbeit“ wird zwar immer aktueller und ist auch in vielen Foren Thema - bisher gab es dazu aber nur wenig Literatur. Insofern kommt der Projektbericht von MAASarbeit zu einem guten Zeitpunkt heraus. Das Projekt zur Arbeitsintegration lief über 3 Jahre in Hessen und war vielschichtig angelegt: Beratung, Information, Lobbyarbeit und vor allem individuelle Arbeit mit den Teilnehmenden (MAASarbeit = Menschen mit hochfunktionalen Autismus und Asperger-Syndrom).
Der Bericht beginnt mit der Einordnung des Projekts in die aktuellen Rahmenbedingungen von Diagnostiken, Forschung, Förderprogrammen und der Inklusionsdebatte. Der Überblick über die Fördermöglichkeiten und die weiterführenden Links sind für kommende Projekte sicherlich hilfreich. Auch die Möglichkeiten auf dem Arbeitsmarkt werden gut dargestellt - denn zwischen BvB, UB, klassischer Ausbildung und Studium kann man schnell den Überblick verlieren. "Der verriegelte Zugang zum ersten Arbeitsmarkt" ist eine passende Formulierung. Benötigt werden "soziale Dolmetscher" bei der Akquise, den Vorstellungsgesprächen und dem gesamten Bewebungsverfahren. Eine Beschreibung der Unterstützungsbedarfe wird detailliert geliefert. Das Projekt stellt ein "flächendeckendes Versagen" des Systems im Bereich der begleitenden Hilfen fest und zeigt Notwendigkeiten konstruktiv auf.
Die ausführlichen Konzepterläuterungen sowie zahlreiche Fallbeispiele am Ende des Buches machen das Projekt greifbar und gut verständlich. Die beste Anleitung für ähnliche Ideen. Ergänzt wird das Buch mit einer CD, die Arbeitsmaterial enthält, das weiter verwendet werden darf.
Aktuell das wichtigste Buch zum Thema Arbeit und Autismus und Wegweisend für neue Projekte in diesem Bereich. Tatsächlich gibt es wenige ähnliche Projekte in Deutschland, die durch die vorliegenden Ergebnisse bestätigt werden. Alle die sich mit dem Thema „Autismus und Arbeit“ beschäftigen, sei dieses Buch wärmstens empfohlen.
Etwas unklar ist das Coverfoto für mich. Die Autoscooter hätten zumindest farblich sortiert sein sollen.

Melanie Matzies-Köhler: Sozialtraining für Menschen im Autismus-Spektrum. Ein Praxisbuch

Nun in der 2. Auflage: Erstmalig in Deutschland werden verschiedene Formen des Sozialtrainings für Autisten übersichtlich vorstellt. Dabei wird schon im ausführlichen Vorwort von Krüger darauf hingewiesen, dass jedes Programm sehr sorgfältig und individuell ausgewählt werden muss. Es ist eine große Verantwortung, das jeweils richtige Programm auszusuchen. Daher weist auch die Autorin darauf hin, dass nach Möglichkeit die Person selbst die entsprechenden Bereiche benennen sollte. Es ist dabei immer wichtig, sich auf vorhandene Fähigkeiten und Potenziale zu konzentrieren und diese zu berücksichtigen.
Zahlreiche Methoden, Kursbeispiele und Trainings werden vorgestellt. Unter anderem wird viel auf die Social Stories nach Carol Gray eingegangen - hier hätte ich mir allerdings auch ein paar grafische Beispiele gewünscht.
Das Buch ist ganz sicher hilfreich und wichtig für Menschen, die mit Autisten arbeiten. Es werden auch Hinweise zu Büchern, Filmen, DVDs, und Software gegeben, die man gut in Sozialtrainings einsetzen kann, bzw. die für das Verständnis der Zielgruppe hilfreich sind.

Detailliert und ausführlich wird auf den Verlauf und die Inhalte einer Sozialgruppe in Berlin eingegangen. Dabei werden die verschiedenen eingesetzten Methoden gut und plastisch vorgestellt. Ehrlich werden die Effekte, Möglichkeiten aber auch Grenzen diskutiert.
Erfahrungsberichte von Teilnehmenden sind eine schöne Ergänzung der Berichte. Hier wird besonders deutlich, wie wichtig der Kontakt in der Gruppe mit anderen Autisten ist: Gerade Jüngere merken dabei, dass sie mit ihrer Sicht auf die Welt nicht allein sind.
Final wird auf die Übertragbarkeit der Gruppenarbeit in den Alltag eingegangen.

In jedem Fall ein wichtiges Buch für alle in diesem Arbeitsgebiet, aber auch für Eltern, die sich mit verschiedenen Möglichkeiten des Sozialtrainings beschäftigen möchten.

Arnold Pollak: Auf den Spuren Hans Aspergers

Ein interessantes und spannendes Büchlein zu Hans Asperger. Es wurde anlässlich eines Symposions an der Wiener Universitätsklinik herausgegeben, an der Hans Asperger tätig war. Das Buch gibt interessante Einblicke von verschiedenen Autoren in seine Arbeit und Person. Ein wichtiger Teil ist dabei die Überprüfung, ob Asperger während der NS-Zeit Unrecht begangen hat. Zusammenfassend kann man sagen: Nein.
Gespannt war ich auf die Ausführungen seiner Tochter, die aber nicht sehr persönlich geworden sind. Deutlich und sehr nachvollziehbar widerspricht sie der Vermutung, dass ihr Vater selbst Asperger-Autist gewesen sei.
Die Beiträge von Lorna Wing und F. Happe sind leider auf Englisch. Das finde ich sehr schade, auch wenn das möglicherweise für eine wissenschaftliche Veröffentlichung üblich ist. Trotzdem bedeutet das für mich einen Stern Abzug (Hier gibt es beide Artikel übersetzt.)
Interessant ist auch die Studie von Hippler, in der Erwachsene, die von Asperger und Kollegen diagnostiziert wurden, später erneut untersucht werden. Das Ergebnis verrate ich hier natürlich nicht.

Klare Leseempfehlung, insbesondere für alle die sich mit Asperger auseinandersetzen möchten, ein sehr wichtiges Buch. Und in jedem Fall interessant, über den Namensgeber des Asperger-Syndroms mehr zu erfahren.
Abschließend ein Satz von Hans Asperger von 1960: „Ja es scheint fast, als wäre, für bestimmte wissenschaftliche, auch künstlerische Tätigkeiten, ein Schuss Autismus, eine 'Abgestelltheit' gegenüber der Welt von Nöten! Daraus kann eine unbeirrbare Schlagkraft kommen, welche diese Menschen den 'Normalen' durchaus überlegen macht.“ (S. 41). #pollak

Melanie Eberhardt: Autismus und Sprache. Wörter, Sätze und Gespräche verstehen

Autismus und Sprache ist ein ganz besonders spannendes Thema. Der Titel und das Cover dieses Buches suggerieren dabei ein allgemeinverständliches Werk, aber das ist es eher nicht. Es handelt sich bei der Veröffentlichung um eine komplexe und interessante Dissertation, die das Thema "Autismus und Sprache" in aller Ausführlichkeit und Vollständigkeit behandelt (deshalb hätte der Titel eigentlich eineinhalb Sätze lang sein müssen mit noch längerem Untertitel. Für Forscher ist der Titel zu trivial).
In der Dissertation geht es um das Kernkriterium der Diagnostik: Die Sprache. Auf über 300 Seiten setzt sich das Buch mit diesem Thema in allen Details auseinander. Interessant ist die Dissertation deshalb vor allem für Autismus- und Sprachforscher.
Nach der Vorstellung des aktuellen Forschungsstands und der Untersuchungsanordnung, werden verschiedene Experimente inklusive aller Ergebnisse, Tabellen und Grafiken im Detail vorgestellt. Eine beeindruckende Arbeit.

Bei dieser Komplexität kann ich kaum ins Detail gehen. Im Wesentlichen wird weitere Forschung in diesem Bereich als wichtig erachtet und bekannte Theorien zumindest in Zweifel gezogen. Das ist eine gute Grundlage für weitere Entwicklungen. Es wird aber auch deutlich, dass man Autisten eben nicht verallgemeinern kann und der mittlerweile etwas abgedroschene Satz "Kennst Du einen Autisten, kennst du genau einen Autisten" auch durch diese Untersuchung bestätigt wird. So einfach ist die Arbeit natürlich nicht auf den Punkt zu bringen.
Es ist eine herausragende Dissertation, die in kommenden Fachbüchern sicher regelmäßig zitiert werden wird. Daher volle Stern-Zahl für das Buch - immer mit Hinweis auf die besondere Zielgruppe der Forschenden.#sprach

Dagmar Eiken-Lüchau: Mia - meine ganz besondere Freundin

Wie erklärt man Kindergartenkindern Autismus? Eigentlich gar nicht, denn man versucht die autistischen Verhaltensweisen für Kinder verständlich zu machen. Genau das gelingt Dagmar Eiken-Lüchau in ihrem wunderschön illustrierten Kinderbuch: Sie benutzt das Wort Autismus überhaupt nicht. Trotzdem erschafft sie eine Geschichte, durch die Kinder die Andersartigkeit verstehen und damit umgehen können. In diesem Fall geht es um eine nichtsprechende Autistin. Ein wunderbarer Beitrag zur Inklusion. Toll gemacht und für alle Kindergärten empfohlen.
Die Erlöse des Buches dienen der Unterstützung von Mia – denn die gibt es wirklich. #mia

Ilse Gretenkord: Fanti, das kleine Schlitzohr. Leben mit einem autistischen Kleinkind

Ein sehr intensives und persönliches Buch über die ersten vier Lebensjahre einer frühkindlichen Autistin. Die Umstände allein sind schon eine Geschichte wert: Die Tochter zieht das Kind allein auf und hat eine Mutter, die jahrelang Psychologie unterrichtet hat. Ihr fällt das ungewöhnliche Verhalten der Enkelin auf, bis sie ganz plötzlich versteht: Alles deutet auf Autismus hin. Die Diagnose wird gestellt und fortan unterstützt sie ihre Tochter und die Enkelin wo sie kann. So hat sie sich ihr Rentnerinnendasein eher nicht vorgestellt, nimmt die Herausforderung aber mit viel Elan an.
Ilse Gretenkord beschreibt die täglichen Herausforderungen mit Liebe zum Detail: Wie die kleine Marie immer das Gleiche im Supermarkt einkaufen will, sich komplizierte Wege merkt und Rituale einfordert. Sie kann so viel, punktuell viel mehr als nichtautistische Kinder, findet Schlüssel, um wegzulaufen ist immer ideenreich - spricht aber nicht. Sie scheint ein anders Verständnis der Welt zu entwickeln, als wir es haben. Dabei leidet sie nicht unter ihrer Behinderung, ist oft fröhlich und lacht. Sie kommt nicht in den Kindergarten, es müsste ständig jemand bei ihr sein, damit sie sich nicht selbst in Gefahr bringt.
Eine Stunde Autismustherapie wurde bewilligt – pro Woche. Das Beispiel zeigt wieder, wie Eltern in solchen Situationen allein gelassen werden. Dabei ist die Belastung groß: Alle Tätigkeiten am Tage sind erheblich eingeschränkt, der Tagesablauf richtet sich nach Marie. Als Außenstehender kann man nicht beurteilen, ob Marie manchmal allen auf der Nase herumtanzt und Grenzen austestet. In jedem Fall wird das Beste versucht, individuell gefördert und fachkundig abgewogen, was Sinn macht und was nicht.
Neben der intensiven Arbeit mit dem Kind und diesem Buch hat die Autorin einen Blog eingerichtet, in dem die Geschichte des Buches fortgesetzt wird.
Nach der Lektüre dieses Buches wissen Sie, wie sich das Leben mit einer frühkindlichen Autistin gestaltet. Man erfährt außerdem sehr viel über Symptome des Kanner-Autismus.
Ein gut geschriebenes Buch, das zur Aufklärung und Information bestens beiträgt.
Über Amazon ist das Buch nur selten zu bestellen, daher am besten über info@tiponi-verlag.de oder über den Buchhandel.

Christine Preissmann: Gut leben mit einem autistischen Kind

Dieses Buch bringt Mütter von autistischen Kindern in den Fokus: Das ist richtig. Was sie oft leisten müssen, ist mehr als anstrengend – es ist Höchstleistung. Das Mütter Unterstützung und Entlastung brauchen, liegt auf der Hand und so ist ein „Resilienzbuch“ eine gute Idee.

Das Buch startet mit allgemeinen Hinweisen, was einem gut tun könnte. Wichtig dabei: Das, was früher passiert ist zu akzeptieren, denn man kann es nicht mehr ändern. Nach vorn schauen, neue Ziele setzen. Meist leichter gesagt als getan, wenn man die anschließenden Berichte der Mütter liest, die den Kern des Buches ausmachen. Die Mütter berichten ehrlich und offen, beschreiben Herausforderungen des Alltags und ihr Leben. Es ist immer ein schweres Leben, es gibt kaum Entlastung, von Resilienz ist nicht die Rede. Eigentlich wird einem immer schwerer ums Herz, wenn man die Berichte liest. Irgendwie passt das nicht zum Titel des Buches. Die Klitzekleinen Beispiele von helfenden Elementen und Möglichkeiten sind nicht gerade Mut machend.
Nach den „Berichten aus dem Leben“ gibt es weitere, ziemlich allgemeine Hinweise zum Thema. Ehrlicherweise muss man ja auch sagen, dass dies nicht die Lebenswelt von Frau Preissmann ist, die ganz tolle Bücher vor allem durch ihr persönliches Beispiel geschrieben hat. Sie ist aber keine Mutter.
Am Ende folgt eine Beschreibung der AWO-Arbeit, was sich irgendwie eher wie ein Werbetext liest und nur wenig zum Buchinhalt passt.
Das Coverfoto finde ich eher unpassend, so ein fröhlicher Lockenkopf, milchige Kameralinse, naja.

Eine Quintessenz des Buches: Der Stress für die Mütter lässt vor allem mit dem Alter der Kinder nach.
Insgesamt bin ich mir nicht sicher, ob das Konzept des Buches so gut umgesetzt wurde; es wirkt eher wie Stückwerk. Das kennt man von Preissmanns anderen Büchern nicht, die eine sehr gute Struktur haben und in denen die einzelnen Kapitel aufeinander aufbauen.
Hilft das Buch anderen Müttern? Vermutlich schon, weil der Erfahrungsaustausch hilfreich ist und man dadurch Bestärkung erfährt. Das Thema Resilienz für Mütter von Autisten hätte man anders angehen können.

Georg Theunissen u.v.a: Handlexikon Autismus-Spektrum

Der Untertitel „Schlüsselbegriffe aus Forschung, Theorie, Praxis und Betroffenen-Sicht“ beschreibt das Spektrum dieses Buches ganz hervorragend. Es deckt wirklich alle Begriffe in unterschiedlichen Sichtweisen ab. Der Clou des Buches ist deshalb die beeindruckende Auswahl der Autoren: Alles was Rang und Namen hat ist vertreten. Und eben nicht nur aus der Sicht von Fachleuten, auch zahlreiche Autisten kommen zu Wort. Dabei sind Temple Grandin, Liane Willey aus den USA, aber auch Preißmann, Hajo Seng, Gee Vero oder Dietmar Zöller aus Deutschland. Auf der Forscher- und Professionellen-Seite wird auch keiner vergessen: Dalferth, Noterdame, v. Elst, Vogeley, Matzies-Köhler, Theunissen u.v.a. bringen ihr Fachwissen ein. Die Idee der Konzeption schien zu sein: Wer hat auf welchem Gebiet die breiteste Anerkennung – den laden wir zu einem Artikel ein. Ein tolles Konzept mit einem beeindruckenden Ergebnis. An diesem Werk wird keiner vorbei können, der sich wissenschaftlich oder aus fachlichem Interesse mit diesem Thema beschäftigen möchte. Eine Idee, die der Kohlhammer-Verlag auch für andere Themenbereiche entwickelt hat.
Hilfreich sind am Schluss eines jeden Artikels die Literaturhinweise, die eine Vertiefung des Themas erlauben. So hat man nicht am Ende des Buches 30 Seiten Verzeichnis, sondern es ist gleich thematisch zusortiert.
Inhaltlich ist mir nichts Fehlendes aufgefallen – trotz intensiver Suche. Beim Stichwort Jobcoaching wähnte ich mich schon fündig, da es im alphabetischen Verzeichnis fehlt. Im Sachwortverzeichnis wird man aber darauf hingewiesen, dass es bei „Unterstützte Beschäftigung“ nachzuschlagen ist. Da würde ich es zwar nur bedingt einordnen, aber in der nächsten Auflage wird es sicherlich unter „J“ zu finden sein, denn dieses Arbeitsfeld wird sich schnell weiterentwickeln. Über weitere Hinweise werden sich die Autoren freuen, denn folgende Auflagen wird es sicherlich geben.

Daniela Schreiter: Schattenspringer: Wie es ist, anders zu sein.

Ein Fachbuch als Comic? Ein Comic, das Fachbuchinhalt hat? Ist das möglich, oder schließt sich das nicht aus? „Graphic Novel“ heißt das Genre und Daniela Schreiter – in Fachkreisen Fuchskind genannt – schafft das fast Unmögliche: Sie transportiert echtes Fachwissen in einem amüsanten und kurzweiligen Comic. Eine Offenbarung in der Lobbyarbeit für Autismus, denn jeder kann diese Texte und Bilder verstehen.
Schreiter beschreibt ihre Kindheit und Schulzeit. Sie geht dabei so genau auf die Dinge ein, die sie anders erlebt, die Reize, vor denen sie sich schützen muss und das Unverständnis beteiligter Personen, das man ihren Autismus sehr gut nachvollziehen kann. Und ja, es ist richtig, dass jeder Autist anders ist, aber viele Merkmale sind zumindest sehr ähnlich, und diese „Liste“ arbeitet die Autorin komplett ab. Dadurch kann man die Reizüberempfindlichkeit, die viel Autisten betrifft, sehr gut verstehen und überhaupt erkennen, wo Probleme im Alltag von autistischen Menschen liegen können.
Das Comic ist geradezu ein Lehrbuch für Menschen, die sich mit diesem Thema befassen möchten: Nirgendwo können sie auf eine so charmante und lustige Art und Weise Asperger-Autismus verstehen lernen.
Auch wenn das Buch lustig daher kommt: Es hat einen ernsten Hintergrund und so könnten Menschen, die sich mit Inklusion beschäftigen, durchaus Anregungen z.B. für die Gestaltung des Schulunterrichts mitnehmen.
Man kann schön sehen, wie sich die Autorin im Laufe der Jahre selbst immer besser kennenlernt, so auch während des Studiums. Wie sie ihre Reizüberflutungen/ Overloads rechtzeitig erkennt, bzw. zu welcher Zeit sie Entspannungsphasen benötigt, um keinen Meltdown/ Zusammenbruch zu riskieren.
Fazit: Das am leichtesten verständliche Fachbuch über Autismus auf dem Buchmarkt und ein Comic mit echtem Anspruch. Pflichtlektüre für alle, die sich mit Asperger-Autismus beschäftigen.#Schattenspringer Direktbestellung

Stephanie Fischer: Diagnose Asperger - und jetzt?

Das Buch beschreibt den Weg des nun 8-jährigen Tim von den ersten Auffälligkeiten bis zur 3. Klasse. Die Mutter, alleinerziehende Lehrerin, erläutert dabei sehr gut lesbar und unaufgeregt die vielen Wege, die zu gehen sind, um den Alltag meistern zu können. Diagnosestellung, Frühförderung, Kita, Schule, Hort – acht Jahre mit vielen Ämtern, nicht immer verständigem Personal in den jeweiligen Einrichtungen und der Notwendigkeit, mit den eigenen Kräften zu haushalten. Keine leichte Aufgabe, vor allem, da Tims schwierigste Auffälligkeit schwere Ausraster sind, die zu Zerstörungen, Angriffen auf andere Kinder, Schreien und zu völliger Unkontrollierbarkeit führen. Im Erwachsenenalter wird man später von Overloads sprechen, die das Kind noch nicht steuern kann. Als er „älter“ wird entschuldigt sich oft für sein Verhalten, ohne es ändern zu können.
Das Buch hat eine gute Struktur: Die Umstände und Veränderungen werden beschrieben, am Ende eines jeden Kapitels gibt es Hinweise zu Anlaufstellen, Paragrafen und Tipps. Da Tim in NRW lebt, sind einige Hilfeformen bundeslandspezifisch, unter anderen Begriffen aber auch woanders abrufbar.
Welche Therapien und ggf. Medikationen helfen, wird immer wieder mit Bedacht ausprobiert. Wenn die Medikamente nachmittags nachlassen, beginnt oft eine Horrorzeit. Die Mutter hat den Mut, eine nicht nutzende Therapie abzubrechen. Langfristig hat bei Tim manches zur Erleichterung beigetragen, aber kaum nachhaltig geholfen – es war immer Veränderung, kein Stillstand. Das Älterwerden scheint zur Verbesserung am meisten beizutragen.
Obwohl der Alltag von Frau Fischer unendlich stressig ist, beschreibt sie gut und durchaus spannend, ohne zu jammern. Das ist bei diesen Umständen schon herausragend. Sie sieht ihre Grenzen aber deutlich vor sich und baut ein – auch professionelles – Umfeld auf, um einen Plan B zu haben, wenn sie mit ihren Kräften am Ende sein sollte. Es bleibt schwer, Entlastung zu organisieren.
Für Eltern, die eine Diagnose des Kindes in jungen Jahren erhalten, ist dieses Buch eine Unterstützung. Schnörkellos geschrieben, klar und mit vielen Anregungen für Unterstützungsmöglichkeiten. Von Frühförderung über Kita- und Schulwahl, Schulbegleitung und Jugendhilfe wird alles dargestellt.
Eine Fortsetzung über die nächsten Lebensjahre darf mit Spannung erwartet werden. #fischer01

Georg Theunissen: Menschen im Autismus-Spektrum. Verstehen, annehmen, unterstützen

Georg Theunissen hat einen guten Riecher für spannende Bücher zum Thema Autismus – und ist ein Vielschreiber. Mit diesem Buch setzt er in der wissenschaftlichen Welt ein klares Ausrufezeichen für den Paradigmenwechsel im Forschungs- und Hilfesystem vom Defizit-orientierten Ansatz („klinisches Modell“) zum Positiv-orientierten Ansatz („Empowerment Modell“). Es bleibt dabei ein wissenschaftliches Buch mit vielen Belegen, Zitaten, Klammern und Verweisen, die ein richtiges Lesen etwas schwer machen (vielleicht könnte man mit Hochziffern bei Verweisen arbeiten), aber nicht minder interessant – ganz im Gegenteil. Die Auswahl der Literatur und Internetseiten hat mich oft im Literaturverzeichnis nachschlagen lassen. Aber das ist nicht jedermanns Sache.
Im ersten Teil des Buches löst Theunissen die Erklärungsansätze für Autismus aus dem Defizitansatz und dekliniert sie nach Modellen aus den USA komplett neu durch. Eine tolle Übertragungsleistung. „Monotropistisch“ wird vermutlich ein immer wichtigeres Fachwort in der Autismusdiskussion werden: Immer nur eine Sache gleichzeitig machen/ Tunnelblick/ Blick für das Details. Bisher gibt es für diesen Begriff nicht einmal einen Eintrag bei Wikipedia! In der Konsequenz dieses Ansatzes müsste z. B. der gesamte Schulunterricht umgestaltet werden.
Ein großes Plus des Buches ist die laufende Unterlegung der theoretischen Überlegungen mit Fallbeispielen. Die sind häufig aus den USA gewählt, da wäre ein Bezug zu Deutschland wünschenswert. Da Theunissen aber ein ausgewiesener Kenner des kalifornischen Systems ist, liegt diese Wahl nahe. Durch die Fallbeispiele wird deutlich, das der Autor sich nicht nur für die Theorie, sondern auch für die Menschen interessiert. Dadurch wird sehr genau dargestellt, wie der Empowermentansatz funktionieren kann. Ein fast futuristisches Modell, den die Umsetzung wird in Deutschland sicher noch sehr lange dauern.
Spannend auch, das sich Theunissen der Diskussion um die ABA-Therapie stellt, einem schon sehr lange existierenden und immer wieder modifizierten Ansatz. Das macht er sehr differenziert, wo es doch leicht wäre, mit aller Kraft diesen Ansatz zu verdammen.
„Schule und Inklusion“ ist auch eine Kapitelüberschrift. Darin weißt er deutlich darauf hin, dass Inklusion nicht zwangsläufig „gemeinsames Lernen“ heißt, sondern „bestmögliche Förderung“ – die kann auch in Extra-Settings stattfinden (z. B. separaten Räumen).
Auch die Arbeitsmöglichkeiten für Autisten sind ein Thema und die alarmierend geringe Zahl von nur 5% Autisten auf dem ersten Arbeitsmarkt. Das ist viel zu wenig. Deutlich macht er dabei auch, dass die WfbMs nur bedingt auf eine Tätigkeit auf dem ersten Arbeitsmarkt ausgerichtet sind.
Zum Buchausklang gibt es die Geschichte von Frau F., bei der die Möglichkeiten und Chancen der individuellen Begleitung sehr gut herausgearbeitet werden – und zeigen, wie positiv man ein Leben durch die richtige Dosierung der Hilfeformen im Sinne des Empowermentansatzes beeinflussen kann.
Fazit: Ein ganz wichtiges Fachbuch, das neue Ideen und Ansätze liefert.

Tony Attwood: Ein ganzes Leben mit dem Asperger-Syndrom. Von Kindheit bis Erwachsensein – alles was weiterhilft

Für viele Eltern und Fachleute ist dieses Buch das wichtigste Buch über das Asperger-Syndrom überhaupt. Es ist der erste Buchtipp für alle, die sich intensiver mit dem Asperger-Syndrom beschäftigen möchten. Es ist ein aussagekräftiges Fachbuch, lässt sich (trotzdem) sehr gut lesen und spricht dadurch ein breites Publikum an.
In 15 Kapiteln werden alle wichtigen Aspekte des Themas abgehandelt. Von grundsätzlichen Erläuterungen des Syndroms über die Diagnostik, dem sozialen Verständnis, Gefühlen, Spezialinteressen bis hin zu sensorischen Empfindlichkeiten, Möglichkeiten der Psychotherapie und Chancen und Risiken von zwischenmenschlichen Beziehungen.
Zu Beginn eines jeden Kapitels findet sich jeweils ein Zitat von Hans Asperger und auch im Text wird immer wieder auf seine Erkenntnisse Bezug genommen, das findet man in anderen Fachbüchern nicht. Im Vorwort steht, dass jedes Kapitel mit einem Zitat eines Menschen mit Asperger endet – dem ist aber nicht so. Jedes Kapitel endet mit einer Zusammenfassung des Inhalts – was sehr schön und hilfreich ist.
Trotzdem finden sich sehr viele Zitate von Aspergern im Buch, die das Ganze sehr lebendig und verständlich machen. Die Zitierten sind dabei oft selbst bekannte Personen aus dem Spektrum, wie z. B. Temple Grandin oder Liane H. Willey.
Eine schöne Idee ist die Gestaltung des Einbands: Auf der Innenseite sind vorn und hinten jeweils 10 Regeln für Menschen mit Asperger, bzw. hinten für Menschen, die mit Aspergern zu tun haben: Am besten kopieren und an den Kühlschrank hängen.
Vor Augen führen sollte man sich immer, dass es in 1989 die ersten Diagnosekriterien für Asperger gab – also ein wirklich junges Forschungs- und Erfahrungsfeld. Das 450 Seiten starke Buch bildet davon so viel wie möglich ab. Am wichtigsten ist dem Autor dabei das Soziale Verständnis und die Gefühlswelt von Aspergern, denn an dieser Stelle besteht das größte Unverständnis zwischen Autisten und Nichtautisten. Hier findet sich daher auch sehr viele Hinweise, sowohl für Eltern als auch für Fachleute, wie man mit diesen Themen umgehen kann, und wie ein gegenseitiges Verständnis zu fördern ist.
Fazit: In der Gesamtschau ist es das wichtigste Buch zum Thema. Viele andere Bücher haben sich mit speziellen Aspekten des Asperger-Syndroms punktuell intensiver auseinandergesetzt, aber das tut diesem Buch keinen Abbruch: Im Gegenteil. Wer sich mit der gesamten Bandbreite des Themas beschäftigen möchte, ist hier genau richtig

Tony Attwood + Michelle Garnett: Ich mag Dich!

Schon die sehr lesenswerte Einleitung des Buches lässt erkennen: Hier schreiben zwei Menschen ein Buch, die sich sehr gut mit Aspergern auskennen, viele Facetten kennengelernt haben und immer individuell nach den aktuellen Bedürfnissen/ Ausprägungen des Autismus fragen.
Das Buch ist kein klassisches Fachbuch, sondern beschreibt eigentlich eine Therapie, die – und dazu ermuntern die Autoren ausdrücklich – auch von Eltern zu Hause eingesetzt werden kann. Die einzelnen Schritte sind sehr detailliert und mit allem Zubehör beschrieben: Fragebögen für das aktuelle Verständnis von Gefühlen und Zuwendung befinden sich im Anhang, sämtliche Arbeitsblätter sind im Buch abgedruckt und das Kopieren für den Einsatz ausdrücklich erlaubt. Schon beeindruckend, denn wenn man solche Therapiegrundlagen von psychologischen Fachverlagen kaufen müsste, würde das sicher über 100 € kosten.
Das Training zum Gefühle erlernen ist in 4 Schritte unterteilt. Es beginnt bei der Beurteilung des Ist-Zustandes, geht über die Wissenserweiterung und der Korrektur möglicher verzerrter Vorstellungen bis hin zu Übungen, um Emotionen zu verstehen und auszudrücken. Ein engagiertes Ziel, aber durch die Zugewandtheit des ganzen Programms sicher sehr lohnenswert und in der Praxis vielfach und über Jahrzehnte ausprobiert, evaluiert und optimiert. Es ist das krasse Gegenteil von ABA und sollte die Diskussion um diese umstrittene Therapieform weiter unterstützen, damit die Menschen mit Autismus verstanden und angenommen und nicht gequält und konditioniert werden.
Das Lernprogramm ist für Kinder zwischen 8 und 13 Jahren ausgelegt, aber mit gewissen Modifikationen halte ich es auch mit Erwachsenen für durchführbar. Dann sicherlich mit anderen Materialien und Geschichten, aber das Prinzip wäre verwendbar. Denn es geht nicht nur um das Erlernen von Gefühlen, sondern auch darum, sich selbst (bzw. das Kind) besser kennenzulernen, um gemeinsame Umgangsformen zu finden und das Miteinander harmonischer für alle Seiten zu gestalten. Klare Leseempfehlung für Eltern, aber auch für Therapeuten zur Anregung.

N#mmer - das Magazin

Das erste Magazin weltweit von Autisten für Autisten, ADHS´ler und Astronauten. Per Crowdfunding wurde das Startkapital für N#mmer zusammengetragen und erzeugte dadurch bereits im Vorfeld großes Medieninteresse. Das Ergebnis wird den Vorschußlorbeeren mehr als gerecht: 100 Seiten in ungewöhnlichem Design und mit ganz viel Text. Bemerkenswert in der aktuellen Magazinlandschaft gibt es wirklich seitenlange Texte, die in die Tiefe gehen und sich nicht auf Schlagworte und bunte Bilder beschränken.
Das Schwerpunktthema „Liebe“ geht dabei über Beziehungskisten und Mutterliebe bis hin zu Fesselspielen. Zahleiche Kolumnen vertreten klare, manchmal kompromisslose Positionen, die für die aktuelle Autismus-Diskussion sehr gut sind. Jeder Text ist von hoher Qualität, auch die Interviews mit Temple Grandin und Sascha Lobo, das besonders lesenswert ist. Es wird sehr persönlich und beschreibt sein ADHS und die Auswirkungen nachvollziehbar.
Das Heft ist nach drei Ausgaben eingestellt worden.

Cheryl R. Carter: Das kleine Anti-Chaos Buch. Hilfe für Menschen mit ADHS

Selten passt der Spruch „klein aber oho“ so gut wie hier. Das kleine Buch ist so randvoll mit Ideen, Hinweisen, Überlegungen und praktischen Beispielen, dass man es vermutlich 10x lesen kann und trotzdem immer noch neue Aspekte findet. Ein wahren Blumenstrauß an Ideen – so bunt und vielfältig. Und eigentlich ist es ein Buch nicht nur für Eltern mit ADHS-Kindern, sondern für alle Eltern. Die ADHS-relevanten Unterschiede werden immer deutlich herausgestellt. Wobei es nicht um die Verhaltensauffälligkeit an sich geht, sondern um den Umgang damit. Das macht das Buch gut lesbar, da es ohne Fachchinesisch auskommt. Das es von einer Amerikanerin geschrieben wurde, merkt man an einigen Stellen deutlich, aber es lässt sich leicht übertragen.
Ihre obersten Gebote: Verständliche Regeln, Routine, Klarheit. Ein Buch mit bestem Preis-Leistungs-Verhältnis, da es nie wirklich ausgelesen ist.

Kristine Barnett: Der Funke - Die Geschichte eines autistischen Jungen, der es allen gezeigt hat

Alle Mütter und Väter sollten dieses Buch lesen. Und Menschen, die mit Autisten arbeiten. Warum? Es geht um einen Jungen, bei dem früh Autismus diagnostiziert wird. Die Diagnose lautet, dass er möglicherweise nie sprechen und schreiben wird. Die Therapien laufen fast rund um die Uhr, bis seine Mutter merkt, dass der Kleine vor allem eines nicht hat: Elemente einer normalen Kindheit. Rumtoben, „Dreck zwischen den Zehen“, machen was er will. Sie erkennt nur Rückschritte in seiner Entwicklung, wenn er aus den Fördereinrichtungen zurück kommt. Über 18 Monate spricht Jake kein Wort. Sie wagt dann den Schritt, ihn aus dem Förderbereich herauszunehmen und selbst mit ihm zu arbeiten. Das Ergebnis ist bekannt: Der jüngste Astrophysik-Forscher aller Zeiten mit guten Chancen auf den Nobelpreis, der darüber hinaus noch zahlreiche andere einzigartige Fähigkeiten entwickelt. Der Weg dorthin ist oft steinig und gibt auch so manchen Einblick in die amerikanische Gesellschaft und die Zeit der Rezession um 2011, wo die Familie von Obdachlosigkeit bedroht war.
Obwohl an einigen Stellen das gewöhnungsbedürftige amerikanische Pathos nicht fehlt, beschreibt die Mutter die Ereignisse in aller Dramatik doch schonungslos. Während sie das eine Kind an den Autismus zu verlieren droht, wird ihr nächstes Kind mit einer seltenen, lebensbedrohlichen Krankheit geboren. Später hat sie einen Schlaganfall mit 30 Jahren.

Im Kern geht es um die Aussage, die besonderen Kinder bei dem zu unterstützen, was sie können und nicht ständig auf den Defiziten herumzuhacken. Ein möglicher Gegenentwurf zum fachlich kritisch hinterfragten ABA-Programm. Warum müssen Autisten lernen, Augenkontakt zum Gegenüber herzustellen, wenn es sie körperlich schmerzt und sie sich dann auf nichts anderes konzentrieren können? Es gibt Wichtigeres im Leben! Ideen statt monotone Therapie, Feinfühligkeit statt Zwang.
Ein tolles Buch, sehr gut geschrieben und mitreißend.

Wenn man damit durch ist, sollte man das Buch „Mein Wunderkind“ von Catherine Lewis lesen. Auch ein autistischer (und blinder) Junge, der ein musikalischer Savant ist und sagenhaftes vollbringt – mit einer kämpfenden und engagierten Mutter.

Gisa Anders ist hingegen eine deutsche Mutter, die zwar kein Wunderkind beschreibt, aber auch den erstaunlichen Weg ihres Kindes mit frühkindlichem Autismus von der Geburt bis zur normalen Schul- und Berufsausbildung nachzeichnet. Auch dieses Buch schonungslos mit alles Höhen und Tiefen. #funke

Peter Schmidt: Kein Anschluss unter diesem Kollegen

Peter Schmidt legt sein nun drittes Buch über sein bisheriges Leben mit Autismus vor und es gelingt ihm, eine spannende Ergänzung seiner beiden bisherigen Bücher zu schreiben. Nach einem kurzen Rückblick in die Schulzeit, geht es über das Studium bis hin zu seiner aktuellen Einstellung schonungslos zu Sache. Besonders gefällt mir auch hier, dass er seine ganze Geschichte ohne das Wort "Autismus" schreibt - denn er weiß davon bis zu seinem 41. Lebensjahr ja noch nichts. Stattdessen schildert er seine Versuche, Karriere zu machen und die ständigen Mauern, gegen die er stößt. Er ist ein brillanter Kopf in der Firma und will immer höher aufsteigen - aber er darf nicht. Seine (im Autismus begründeten) Verhaltensweisen lassen nach Meinung seiner Chefs keine Führungsverantwortung für Mitarbeiter zu.
Er wählt freiwillig zahlreiche Kommunikationsseminare, weil er erkennt, dass hier ein verborgener Schlüssel für ihn liegt. Die Ergebnisse sind regelmäßig niederschmetternd. Er lernt viel, nimmt auch Neues zur Anwendung mit, aber die Rückmeldungen sind eindeutig: Ihm fehlen "Basics, die jedes Grundschulkind bereits perfekt beherrscht!“
Schmidt beschreibt unglaublich reflektiert zahlreiche typische Ereignisse aus der Arbeitswelt, die für ihn sehr unbefriedigend verlaufen. Als Fachmann muss man hier laufendes, qualifiziertes Jobcoaching empfehlen. Sein ganzes Berufsleben strotzt vor guten Beispielen, was man als Autist oder Unterstützer eines Solchen beim Arbeitsumfeld beachten sollte. Jeder Mensch und Autist ist anders, aber da Schmidt ein recht klassischer Asperger-Autist ist, bekommt man zahlreiche Anregungen und auch überhaupt erst einmal Ideen von den spezifischen Notwendigkeiten im Berufsleben.
Die Diagnose ist schließlich "wie eine Erleuchtung" für ihn und er kann mit seiner beruflichen Situation Frieden schließen. Behauptet er im Buch. Wer ihn live auf einem Vortrag erlebt, wünscht ihm dazu noch ganz viel Kraft und Ruhe :-)
Fazit: Ganz sicher ein erneuter Bestseller, der endlich besonders den Focus auf die berufliche Entwicklung von Asperger-Autisten legt. #SchmidtKollege Direktbestellung

Thomas Girsberger: Die vielen Farben des Autismus.

Aktuell das wichtigste Fachbuch auf dem deutschsprachigen Markt.
In diesem Buch werden zuerst die aktuellen Erkenntnisse zur Forschung im Bereich Autismus zusammengefasst und erläutert. Ein manchmal überraschend neuer und notwendiger Überblick. Girsberger stellt dann ein eigenes Farbschema zur Einordnung einer Auffälligkeit im Rahmen des Autismusspektrums vor. Sicher eine interessante, da auch dreidimensionale Idee.
Neu und interessant auch das Modell zur "Plastizität des Autismus". Das bedeutet, dass bei Autismus eine Entwicklung und eine Veränderung möglich ist - bei richtiger Unterstützung und Therapieansätzen. Das ist ein guter Definitionsvorschlag. Auch sonst macht Girsberger zahlreiche neue Vorschläge und hat weitere Ideen für Forschungsfelder im Bereich Autismus.
Es folgen einige Fallbeispiele, die für das Buch aber nicht so wichtig sind.
Ein Highlight sind sicherlich die folgenden Vorstellungen von Diagnose- und Therapieformen mit konkreten Beispielen und im Online-Extrateil (Passwort im Buch) auch Materialien zum Download. Zahlreiche Anregungen für Eltern und Fachpersonal.
Interessant: immer wieder nimmt der Autor Bezug auf die Originalaussagen von Hans Asperger. Sehr bemerkenswert, wie genau H. Asperger damals schon gearbeitet hat. Das pädagogische Fachpersonal erscheint ihm wichtiger als das psychologische oder medizinische. Aus diesem Themenkreis werden wir in Zukunft sicherlich noch einiges hören.
Außerdem setzt sich der Autor auch mit dem Unterschied zwischen den Therapien ADHS und Autismus auseinander.
Eine schöne Ergänzung ist der ContentPlus-Online Teil. Hier finden sich 24 Arbeits- und Informationsblätter im PDF- aber auch .doc-Format. So kann man die Arbeitsblätter an die jeweils eigenen Bedürfnisse anpassen.

Insgesamt ein sehr aktuelles und sehr wichtiges Buch auf dem deutschsprachigen Buchmarkt. Für Fachleute, die auf dem aktuellen Kenntnisstand sein wollen, unverzichtbar.

Website von Dr. Thomas Girsberger

Fischer, Corinna und Bob: Ich liebe einen Asperger.

Innenansichten einer vom Asperger-Syndrom betroffenen Familie

Stellen Sie sich vor, sie heiraten einen lieben Mann – und nach der Hochzeit ist er ein anderer Mensch. Hochzeit? Abgehakt! Der Schreck ist groß und der anschließende Kindersegen (am Ende sind es Acht!) lenkt von den Beziehungsschwierigkeiten nur bedingt ab, da die ersten beiden Kinder erhebliche Verhaltensauffälligkeiten zeigen. Der Bericht der Frau und Mutter ist nahezu erschütternd ehrlich und an vielen Stellen fragt man sich, wie sie das aushält. Im ersten Teil des Buches geht es um die Mann-Frau Beziehung, die sich mit zunehmender Kinderzahl auf die Beschreibung der Kindererziehung und der Versuche, vor allem Laura zu verstehen, verschiebt. Das Zusammenleben mit einem Asperger-Autisten aus der Sicht der Frau: grandios und manchmal auch erschreckend zu lesen. Natürlich muss dem Leser bewusst sein, dass jeder Autist anders ist. Aber viele Besonderheiten sind durchaus ähnlich und die werden hier aus der Innenansicht geschildert.
Kurze Kommentare des Mannes „Bob“ und zahlreiche Zitate der Tochter verdeutlichen die unglaublichen Kommunikationsschwierigkeiten untereinander – erweitern das Buch aber auch durch eine heitere Komponente.
Die Auffälligkeiten der Kinder führen zu einem Ärztemarathon, zu Fragen „was mache ich falsch“, zu schiefen Blicken der Bekannten und Verwandten. Um es abzukürzen: Irgendwann äußert eine Ergotherapeutin den Verdacht „Autismus ist das nicht, oder?“ Die Mutter erstellt Listen der Auffälligkeiten der betroffenen Familienmitglieder und nur durch das Eigenstudium und Lesen von Büchern (wie z. B. „Ich bin Autistin – aber ich zeige es nicht“ von Liane Willey) ergibt sich für die Mutter die Erkenntnis „Asperger“. Ärzte, Diagnosen, Psychiater: Fehlanzeige. Wie so oft muss hier eine Betroffene selbst auf die Idee einer Diagnose kommen.
Bob und Laura erhalten die Diagnose Asperger, danach beschreibt die Frau und Mutter das tiefere Verständnis für beide Familienmitglieder (zwischenzeitlich fragt man sich aber schon, wie sie das Ganze verkraften kann! „Unser ganzes Leben war traumatisch“ ist sicherlich eine besonders ehrliche Einschätzung vor der Diagnose). Sehr intensiv wird im Folgenden auf Möglichkeiten der Erziehung von Laura eingegangen. Dabei wird auch deutlich beschrieben, mit welchen Mechanismen Laura lernt, sich anzupassen. Kein Wunder, dass normale Menschen die Maske nicht erkennen, hinter der sich Autisten verstecken (müssen).
Das THZ ist eine große Hilfe, alle Regeln müssen neu erlernt werden. Im Buch erhält man viele Erziehungstipps für Asperger-Kinder und auch Medikamente und Ernährungsfragen werden inklusive der Ergebnisse erläutert.
Ein netter Einschub von Bob: Jedes Unternehmen sollte einen Autisten beschäftigen – das sorgt für objektive Abwägung von Fakten und denkt Unklarheiten auf.

Insgesamt ein beeindruckendes Buch, sowohl für Betroffenen als auch Mit-Betroffene und Fachleute. Noch nie sind die Innenansichten und tiefgreifende Problemlagen einer Asperger-Familie so deutlich formuliert worden. Für den weiteren Lebensweg kann man der beeindruckend starken Frau nur die besten Wünsche mit auf den Weg geben. #fischer

Christine Preißmann: Überraschend anders - Mädchen & Frauen mit Asperger

Als ich dieses Buch las, hatten wir eine alte Freundin zu Gast. Sie erzählte von ihrer Tochter, die Anfang 30 ist und zwei Kinder hat. Unsere Freundin machte sich Sorgen wegen verschiedener Verhaltensweisen und Umstände im Leben ihrer Tochter. Einige Fragen weiter empfahl ich ihr dieses Buch (und habe ihr noch Durch die gläserne Tür - Lebensbericht einer Autistin mitgegeben).
Endlich ein Buch, das sich nur um Asperger-Frauen kümmert. Sehr gut aufgeteilt von der Kindheit bis ins Erwachsenenalter. Viele Autisten und betroffene Angehörige kommen zu Wort und berichten über ihre Erfahrungen.
So gibt es im Kindergarten häufig Bezugspersonen, die nicht bereit sind auf besondere Kinder einzugehen und dadurch die Probleme vergrößern. In der Schule können Klassenkameradinnen sehr wertvolle Unterstützerinnen sein und bewusst als Helferinnen ausgebildet werden. Die Pubertät stellt die größte Schwierigkeit dar. Alles verändert sich. Viele beschreiben besonders diese Zeit als ob sie laufend als Schauspielerin arbeiten müssten, weil sie nicht mehr sie selbst sein dürfen. Frauen mit Autismus entsprechen sehr häufig nicht den rollentypischen Erwartungen.
Auch in diesem Buch schreibt Frau Preißmann wieder sehr viel Persönliches: Zwischen Einsamkeit und Kinderwunsch und zwischen dem Suchen nach Freunden und dem Froh sein, allein zu sein. Sich selbst besser kennen zu lernen ist ein langer Prozess. Das gilt für Autisten genauso wie für Nichtautisten, aber Autisten erleben das Ganze wesentlich schwieriger und gleichzeitig ist es wichtiger, um auf spezielle Bedürfnisse eingehen zu können.
Auch in der beruflichen Karriere unterscheiden sich Frauen und Männern sehr deutlich. Autisten wird häufig nachgesagt, dass sie am liebsten mit Computern arbeiten. Bei Autistinnen ist das häufig anders. Sie arbeiten auch gerne mit Menschen zusammen.
Am Ende des Buches wird noch über die Ideen der Lebensgestaltung als Autistin geschrieben. Gerne lesen Autistinnen Biografien anderer Autisten wie z.B. Heute singe ich mein Leben - Eine Autistin begreift sich und ihre Welt: Songs of the Gorilla Nation oder Ich bin Autistin - aber ich zeige es nicht. Leben mit dem Asperger-Syndrom.

Das Buch schließt mit intensiven Berichten über Therapien für Autistinnen und den speziellen Vorteilen von Frauen-Selbsthilfegruppen. Auch die Ergotherapie erfährt eine längere inhaltliche Erklärung.
Insgesamt ein sehr lohnenswertes Buch. Ich bin schon gespannt auf die Reaktion der Tochter unserer Freundin.#PreissmannFrauen Direktbestellung

Christine Preißmann: Asperger - Leben in zwei Welten

Nun in der 3. Auflage: Die Bücher von Frau Preißmann zeichnen sich immer durch eine sehr klare und stringente Struktur aus. So auch dieses besondere Buch, in das erneut auch ihre persönlichen Erfahrungen als Asperger-Autistin einfließen. Zu verschiedenen Lebensbereichen gibt es jeweils ein Fallbeispiel, dann Erläuterungen und Hilfen sowie eine Checkliste, was man in diesem Lebensbereich beachten sollte. Sehr transparenter und verständlicher Aufbau.
Im Bereich Schule gibt es auch viele Hinweise für Lehrer und Schulen.
Besonders neu und spannend waren für mich die Bereiche Wohnen, Freundschaften und Partnerschaften (hier Fr. Pinke sehr umfassend und offen), und Gesundheit.
Die "Wohnversuche" von Frau Höhlriegel machen die Bedürfnisse in diesem Bereich besonders deutlich. Sie hat so ziemlich alles an Wohnform ausprobiert und von ihren Erfahrungen kann man sicher profitieren. Ein erneuter Ansatz, um zukünftige Wohnideen für Asperger-Autisten zu diskutieren.
Immer wieder taucht der Bedarf nach einem "Lebens-Coach" auf. Das ist für die Fachleute sicherlich ein interessanter Ansatz für die Zukunft: Ein Pädagoge, abrufbar nach Bedarf, langfristig zuverlässig. Mit dem Bereich Körperwahrnehmungen und Erfahrungen im Krankenhaus schließt das Buch. Auch hier wieder ein spannendes Fallbeispiel einer Aspergerin, die mit einer ungewöhnlichen Krankheitsgeschichte aufwarten kann. Die anschließende Checkliste sollte man als Asperger-Autist im Erste-Hilfe-Schrank immer griffbereit haben!
Insgesamt ein sehr vollständiges Buch, was zur Orientierung und Optimierung in vielen Lebensbereichen sicher beitragen kann.
Empfohlen für Betroffene, Fachleute und Interessierte.#PreissmannLeben 

Bürger, Janina: Eine Welt zwischen Autismus und Borderline.

Eine Person, diverse Diagnosen: Janina Bürger kann viele ihrer Diagnosen benennen, verstehen und reflektieren, aber das macht sie am Ende nicht glücklicher. Sie ist zerrissen und gefangen in ihrem "Gefühlschaos", ihrer "Gefühlsblindheit", die in erster Linie mit Borderline und Asperger-Autismus diagnostiziert wurde. Sie beschreibt beide Diagnosen und erläutert die Auswirkungen, die diese Krankheitsbilder auf sie haben sehr genau, lebensnah und in einem offenen und gut verständlichem Schreibstil. Die Texte sind zu unterschiedlichen Zeiten entstanden: Häufig in Akut-Situationen (z. B. beim selbstverletzendem Verhalten), was deren Eindringlichkeit noch einmal verstärkt.
Ihre früheren, jugendlichen Hilfeschreie (heftige Drogenexzesse, schulvermeidendes Verhalten etc.) galten "nicht mehr meinen Eltern" - aber niemand hat sie gehört, bzw. richtig deuten können.
Es wird an keiner Stelle explizit geschrieben, aber ganz offensichtlich - das ergibt sich auch aus dem eindeutigen Material im Anhang - hat Frau Bürger traumatische Erlebnisse in ihrer Kindheit machen müssen, vermutlich mehrere Formen des Kindesmißbrauchs, die sie für ihr Leben gezeichnet haben. Einmal deutet sie es an, in dem sie schreibt, das Ihr keine Werte vermittelt wurden, falsche Dinge waren nicht falsch, sie sollte sich "beim Klauen nur nicht erwischen lassen" etc.
Mit ihrem Buch liefert sie eine spannende Beschreibung eines Menschen ab, der innerlich zerrissen ist und nicht aufgeben wird, weiter intensiv an einer Verbesserung der Situation zu arbeiten. Sie trägt viel Verantwortung (erzieht sechs Kinder!), und stellt sich dem täglichen Kampf immer wieder auf's neue. Das Buch ist bei Books on Demand im Eigenverlag erschienen und macht es dadurch noch authentischer.#janina

Preißmann, Christine: Psychotherapie und Beratung von Menschen mit Asperger-Syndrom. Konzept für eine erfolgreiche Behandlung aus Betroffenen- und Therapeutensicht.

Sie möchten Menschen mit Asperger-Syndrom verstehen? Lesen Sie dieses Buch. Faszinierend zu lesen und dabei extrem komplex: Die Ärztin und Asperger-Autistin Christine Preißmann beschreibt alle Lebenssituationen, in die man als Asperger-Autist (und Mensch) kommen kann und beleuchtet sie in Hinblick auf Schwierigkeiten, Unterstützungsmöglichkeiten und Handlungsmöglichkeiten für Menschen mit dem Syndrom.
Dies ist sehr persönlich und Fr. Preißmann gestattet einen tiefen Blick in ihre Persönlichkeit mit einer entwaffnenden, manchmal sehr intimen Offenheit. Danke dafür!

Sehr reflektiert geschrieben, hat man fast den Eindruck, zwei Personen schreiben dieses Buch. Die Privatperson wird in kursiven Buchstaben hervorgehoben, der andere Bereich ist das Fachbuch. Aber lassen sie sich von dem Titel und der Beschreibung als „Fachbuch“ nicht abschrecken: Es ist für alle Interessierten gut lesbar und eröffnet neue Horizonte.
Man kennt diesen hohen Grand von Reflexion auch bei anderen Wissenschaftlern, die Autisten sind und über Autismus schreiben, allen voran Temple Grandin mit ihren Bücher „Durch die gläserne Tür“ und „Ich sehe die Welt wie ein frohes Tier“. Aber das Buch von Fr. Preißmann geht noch tiefer, da sie keinen Lebensbereich in ihrer Analyse auslässt.

Für Menschen, gerade auch Asperger-Autisten, die über eine Therapie nachdenken, ist dies Buch eine sehr hilfreiche Lektüre, um Ängste und Befürchtungen vor einer Therapie abzubauen.
Die besonderen Fähigkeiten und Möglichkeiten von Asperger-Autisten werden in dem Buch kaum beschrieben, aber das tut der Leseempfehlung keinen Abbruch. Es würde auch nicht zum schüchternen und vorsichtigen Stil von Fr. Preißmann passen, auf besondere Talente und Fähigkeiten als Asperger-Autist hinzuweisen. Dazu sind dann vielleicht eher die Fachleute berufen, die einen Blick von außen haben.
Als Ergänzung lassen sich die sehr praktischen Checklisten von Liane Willey in „Ich bin Autistin – aber ich zeige es nicht“ nennen, die für alle Lebenssituationen Unterstützung anbieten. #PreißmannPsychotherapie

Schmidt, Peter: Der Junge vom Saturn

Ein tatsächlich einzigartiges Buch, nicht nur für Menschen, die sich mit Autismus beschäftigen. Peter Schmidt, der von sich in der Ich-Form berichtet, weiß nicht, das er Autismus hat. Es weiß nur, dass er anders ist als andere Kinder, er leidet darunter und fragt sich, warum die anderen so komisch sind.

Wissenschaftler haben bei einigen Autisten festgestellt, dass ihr Gehirn wie eine Festplatte funktioniert. Eine Festplatte, die nicht gelöscht wird. So kann Peter Schmidt sogar seine Geburt beschreiben. Die Erinnerungen an seine Kindheit sind sehr detailliert und hervorragend aus der Sicht eines Kindes geschrieben. Dabei bedient sich Herr Schmidt verschiedener Schreibstile. Besonders zu Beginn mit vielen selbst erfundenen Worten, die aber alle sehr verständlich bleiben.
Menschen, die sich mit Autismus ein wenig auskennen, erkennen schnell, dass Herr Schmidt das klassische Leben als Asperger-Autist beschreibt.
So schlimm es für das Kind auch gewesen ist: die Missverständnisse, die sich aus dem (Miss-)Verständnis von Sprache ergeben, sind für Nicht-Autisten durchaus lustig zu lesen. Da spricht der Onkel von vielen Buchstaben im Alfabeet. Dabei kennt der kleine Peter doch nur Beete mit Erdbeeren oder Erbsen. Und jeden Abend gibt es "Armbrot", weil die Familie so arm ist. Während die anderen Kinder Taschengeld haben, er aber nichts in seiner Tasche findet, muss er das Geld aus dem Portmonee seiner Mutter nehmen (die dafür mit einer Heimeinweisung droht!). Dass er sehnsuchtsvoll an den Bahngleisen steht und auf den Rosenmontagszug wartet, ist dann nur folgerichtig. Aber als die älteren Schüler sich dann von ihm "eine Scheibe abschneiden sollen", bekommt er es doch mit der Angst zu tun.

Das Wort "Autismus" wird erst auf der viertletzten Seite das erste Mal verwendet! Während z. B. Liane H. Willey in ihrem Buch "Ich bin Autistin - aber ich zeige es nicht" im Rückblick mit der Aspergerdiagnose ihr Leben reflektiert, beschreibt Peter Schmidt sein Leben ohne Erläuterungen oder fachliche Erklärungsversuche. Denn er hat zu diesem Zeitpunkt keine Idee, warum er sich so fremd fühlt. Das macht dieses Buch so besonders: die vielen Missverständnisse in der Schule und in der Familie schmerzen dem Leser umso mehr, weil er schon den Hintergrund kennt.

Der kleine Peter hat das Gefühl, dass er von einem anderen Planeten kommt. Auch Temple Grandin, die bekannteste Autistin überhaupt und mit ihrem Buch "Durch die gläserne Tür" die Verfasserin des ersten Berichtes einer Autistin über ihre innere Autisten-Welt, fühlte sich wie eine "Anthropologin auf dem Mars".

Besonders in der Schule, als Jugendlicher, muss Peter extremes Mobbing aushalten. Er selbst benutzt diesen Begriff nicht, die anderen Kinder sind eben "gemein" zu ihm, wenn sie für sein Verschwinden aus der Klasse sammeln.
Wie Temple Grandin erinnert sich auch Peter Schmidt gern an den Lehrer, der ihn sehr früh gefördert hat. So erzeugt das Finale des Buches echte Gänsehaut...

Das Buch wird zurecht ganz sicher die Bestsellerlisten nach oben klettern und mit dazu beitragen, dass viele Menschen Informationen über Autismus erhalten. Nur eine allgemeine Kenntnis in der Öffentlichkeit führt dazu, dass Menschen wie Peter Schmidt nicht erst mit 41 Jahren ihre Diagnose erhalten. Denn die ist dann eine echte Offenbarung. #SchmidtSaturn 

Schuster, Nicole und Schuster, Ute: Vielfalt leben - Inklusion von Menschen mit Autismus-Spektrum-Störung

Inklusion und Autismus: DAS Buch

Detaillierte Zusammenfassung aller Inklusionsaspekte in allen Alterstufen. Sehr gut und akribisch gemacht.
Es geht über den Kindergarten in die Schule, weiter über Universität/ Ausbildung bis ins Arbeitsleben. In allen Bereichen wird der aktuelle Stand von Förderung/ möglicher Förderung bis hin zu Vorschlägen, Erwartungen und Notwendigkeiten der Inklusion aufgezeigt. Ich würde sagen: Lückenlos.
Besonders gefallen haben mir die zahlreichen Web-links für weitere Informationen und die Fallbeispiele.
Die Zerrissenheit einer Mutter wird in der Rubrik „Karlas Tagebuch“ jedem neuen Entwicklungsstadium von „Ben“ vorangestellt, wirkt aber als Tagebuch eher aufgesetzt. Hier empfehle ich als Ergänzung das Buch von Liane Willey "Ich bin Autistin - aber ich zeige es nicht".
Deutlich wird, welch weiten Weg die Inklusion noch vor sich hat und als köstlich empfand ich den Überblick über das deutsche föderale Schulsystem. Wenn man das so komprimiert vor sich sieht ist es kein Wunder, das da kaum einer durchsieht. Kompliment an die Autorinnen, die es doch geschafft haben.

Wie Inklusion gut läuft kann man am Beispiel Norwegen anschauen. Dazu hat Halfdan Freihow ein fast schon poetischen Buch geschrieben (der Junge um den es geht ist hier 7 Jahre alt).
Das Buch hat in jedem Fall das Zeug zum Standardwerk im Bereich Inklusion und bietet sich in der Struktur für alle weiteren Inklusionsschwerpunkte/ Behinderungsausprägungen an.

Theunissen, Georg: Der Umgang mit Autismus in den USA: Schulische Praxis, Empowerment und gesellschaftliche Inklusion. Das Beispiel Kalifornien

Fachbuch mit komplexer Darstellung der Möglichkeiten in der Arbeit mit Autisten in den USA

Georg Theunissen ist ein intensiver Kenner der Behinderten- und Autismusszene in Kalifornien und hat sein Forschungssemester zur Erstellung einer grundlegenden und umfassenden Studie genutzt. Sie ist in zwei Teile gegliedert: 1. Leben, Wohnen und Arbeiten im Gemeinwesen und 2. das Schulsystem und Bildungsmöglichkeiten autistischer Schüler.
Wichtig zu wissen: Es ist ein universitäres Fachbuch und deshalb mit einer Vielzahl an Fußnoten, Klammern, Abkürzungen und Erläuterungen versehen (wobei die Fußnoten und extra ausgewiesenen Beispiele oft besonders interessant sind). Außerdem sollte man gute Grundlagen der englischen Sprache mitbringen.
In dem Wust an wissenschaftlichen Belegen droht der Inhalt manchmal unterzugehen: Spannende Berichte von innovativen Angeboten in den USA. Daher eine Pflichtlektüre für (deutsche) Geschäftsführer in diesem Arbeitsfeld, um sich inspirieren zu lassen. Es werden Träger, Handlungsweisen und Ideen vorgestellt. Während wir in Deutschland (der Vergleich beider Systeme wird nur selten angestellt) über Inklusion diskutieren, sind die Amerikaner da sehr viel weiter. Es hat dort auch über 30 Jahre gedauert, aber ob wir diesen Stand jemals erreichen? 99% aller behinderten Schüler werden an normalen Schulen unterrichtet (wenn auch überwiegend in besonderen Klassen)! Im Raum Los Angeles leben 12.500 Schüler aus dem autistischen Spektrum. 86% sind an öffentlichen Schulen! Deutlich wird, dass insgesamt Nicht-Weiße erheblich seltener von den Möglichkeiten profitieren, die das System anbietet. Und spannend: Behinderte Menschen werden viel und intensiv in ehrenamtliche Arbeit eingebunden – war ihr Selbstbewusstsein natürlich immens stärkt.
Schönes Stilelement am Ende: Ein Interview mit dem Autoren zu einem Resümee über die aktuelle Arbeit und die Angebote für Autisten in den USA.
Insgesamt: Viel Inhalt, es lohnt sich – am besten selbst erarbeiten.
Tipp: Wer die Arbeitsweisen und Schwierigkeiten der Entwicklungsplangespräche und Regionalcenter etc. in Kalifornien spannend und packend erlesen möchte, dem sei das Buch „Mein Wunderkind“ von Cathleen Lewis empfohlen, die den Weg ihres Sohnes durch die kalifornischen Systeme (und natürlich ihre Lebensgeschichte dazu) beschreibt.#theunissenUSA

Bahr, Reiner: Igel-Kinder. Kinder und Jugendliche mit Asperger-Syndrom verstehen

Ein knackiges und gut verständliches Buch für Eltern und Lehrer

Das auffällige an diesem Buch ist auch die tolle Schreibweise. Es ist gut lesbar, zeigt alle wichtigen Verhaltensweisen, Hinweise und Empfehlungen auf ohne mit Fachvokabular unverständlich zu werden. Es ist im Gegenteil sogar spannend zu lesen, weil die Entwicklungsstufen vom Kind zum Kindergarten bis zur Schule beschrieben werden. Dazu gibt es zahlreiche praktische Tipps, z. B. um die Kommunikationsfähigkeit zu verbessern.

Richtig Fahrt nimmt das Buch in Richtung Schule auf: Engagiert werden notwendige Veränderungen im Schulbetrieb verdeutlicht, wenn ungewöhnliche Kinder - und das bezieht sich nicht nur auf Kinder mit Asperger-Syndrom - in den Schulbetrieb integriert werden sollen. Die Herausforderungen, vor der die Inklusion steht, werden hier deutlich.

Für Eltern, aber auch Lehrer, sind Testverfahren beschrieben, die zwar eine psychologische Diagnostik nicht ersetzen können, aber mindestens einen Verdacht erhärten und weitere Vorgehensweisen beschreiben.

Das Interview am Ende macht wieder sehr deutlich, wie wichtig es ist, denen zuzuhören, die das Asperger-Syndrom haben: Sie können es am Besten beschreiben und Bedürfnisse benennen (wie z. B. auch Temple Grandin und Liane Willey).

Das Buch ist klasse, nur eines geht gar nicht: Der Titel. Seit dem Buch von Katja Rohde "Ich Igelkind" von 1999 ist der Begriff "Igelkind" besetzt. Und er steht für Autisten, die in ihrem Körper eingeschlossen sind, sich nur - wenn überhaupt - durch gestützte Kommunikation ausdrücken können. Ein schweres Schicksal. Dieses schwere Schicksal teilen Asperger-Autisten zum Glück nicht, was für ein Segen!

Trotzdem eine kräftige Kaufempfehlung für das Buch, denn der Inhalt ist ein Gewinn für alle Interessierten.

Schmidt, Peter: Ein Kaktus zum Valentinstag

Das Buch beginnt schon ungewöhnlich: mit 278 Vorwörtern. Stimmt, in anderen Büchern steht immer „Vorwort“. Dabei sind es immer viele Worte!
Peter Schmidt zeigt in seinem Buch immer wieder die Besonderheiten von Autisten auf. Ohne darüber viele Worte zu verlieren, dass er selbst Autist ist - denn sein Leben verläuft bis zum 41. Lebensjahr ohne eine Diagnose.
Und so werden wir – durchaus amüsiert - Zeuge, wie Peter Schmidt sein Leben gestaltet und sich dabei immer wieder über die Eigenarten der anderen Menschen wundert und sich fragt „warum bin ich so anders als die anderen?“
So amüsant sich das Buch auch liest, am Ende wird es ernst: er erkennt keinen Ausweg aus seiner komplizierten Weltsicht, obwohl er viel erreicht hat. Eine durchsichtige Wand trennt ihn von den Empfindungen anderer Menschen. Zum Glück sieht er dann im Fernsehen einen Jungen, der genauso ist wie er war - und der wird dort als Autist bezeichnet....
Bis es aber soweit ist, lesen wir über ungewöhnliche Fraueneroberungsversuche während der Studienzeit, Checklisten was man dabei alles wie beachten muss, Straßen die entdeckt werden wollen und Häuser die gebaut werden.
Und als die Lok dann nicht mehr fährt und plötzlich die Raras da sind, da muss Peter wieder flattern... Soll heißen: er heiratet, bekommt Kinder und das ist für einen Autisten sehr ungewöhnlich und abenteuerlich. Wie schön, dass wir an dieser Geschichte teilhaben dürfen.

Natürlich ist dies ein erstklassiges Buch für Menschen, die sich zum Thema Asperger-Syndrom informieren wollen. Von einem Autor, der eben nicht nur von Diagnosen und Empfehlungen schreibt, sondern vielmehr einen Einblick in das tägliche Leben erlaubt und von den Ausprägungen seiner Autismusform berichtet.
So wie damals das Buch „Durch die gläserne Tür“ von Temple Grandin das erste englischsprachige Buch in diesem Bereich war und damit viel zum allgemeinen Verständnis der Autismus-Spektrum-Störung beigetragen hat, so hat dieses Buch seinen Anteil an der Diskussion in Deutschland. 
Und am Ende gibt es dann noch 882 Nachworte. Direktbestellung #Kaktus

Tammet, Daniel: Wolkenspringer

Daniel Tammet gehört zu den ganz bekannten Autoren aus dem autistischen Spektrum. Ein Savant, der ein außergewöhnliches Gehirn besitzt und die eigenen Denkprozesse beschreiben kann! Einzigartig auf der Welt, viele sind trotz Genialität stark eingeschränkt in anderen Lebensbereichen. Während er in seinem ersten Buch „Elf ist freundlich und Fünf ist laut“ über sein Leben und seine Fähigkeiten berichtet hat, schreibt er in „Wolkenspringer“ über die Fähigkeiten des Gehirns. Sicherlich kann man an der ein oder anderen Stelle auch von den Erkenntnissen lernen, aber ganz sicher nicht zum Savant werden.
Die neuen Forschungsergebnisse der Wissenschaftler über unser Gehirn sind beeindruckend zu lesen. Tammet scheint jede Untersuchung und Idee zu kennen. Kein Wunder: So war er selbst Gegenstand zahlreicher Tests, um seine beeindruckenden Leistungen und Fähigkeiten zu dokumentieren. Dabei sieht er sich durchaus auf Augenhöhe mit uns Nicht-Savants: Er kann sich Zahlen merken, aber kaum Gesichter – wir sind bei der Merkfähigkeit von Gesichtern viel besser als er.
Spannend, wie er den IQ-Test erläutert, seine Fehleranfälligkeit diskutiert und Alternativen aufgezeigt. Ein Kapitel widmet er dem Spracherwerb und der Vielfalt von Sprachen: Eines seiner Spezialgebiete, denn er konnte in einer Woche isländisch erlernen … Da begnügen wir uns doch wieder mit den Gesichtern.
Natürlich wendet er sich auch den Zahlen zu, beschreibt, wie diese zu erlernen sind und wie es bei ihm funktioniert.
Am Ende setzt Tammet sich mit der medialen Informationsflut und auch dem Wahrheitsgehalt von Wikipedia auseinander. Sehr aktuell und wichtig zu lesen. Seine statistischen Ausführungen dazu sind brillant.
Ein Ausblick darf nicht fehlen: Computerchips im Hirn und unendliche Möglichkeiten der Verbindung von Mensch und Technik. Die Cyborgs werden kommen. #tamet02

Tammet, Daniel: Elf ist freundlich und Fünf ist laut.

Eigentlich hatte ich die Geschichte eines Ausnahmebegabten erwartet. Eine Geschichte über einen der wenigen Savants, die ihre besondere Begabung für Film und Fernsehen nutzen können und nicht ihr Leben lang auf Hilfe angewiesen bleiben wie z. B. Kim Peek, der für "Rain Man" Pate stand.
Aber es kam anders. Auch Daniel Tammet musste durch eine schwierige, von Unverständnis geprägte Kindheit. Immer wieder suchte er nach einem "richtigen" Weg für sich. Beeindruckend, wie er innerhalb eines freiwilligen Jahres in Litauen zurecht kommt und Freundschaften schließt.
Online-Sprachkurse, coming-out als Homosexueller, der Versuch "normal" zu leben - all das hätte ich in diesem Buch nicht erwartet. Seine Ausnahmebegabung wird am Ende dann aber auch noch erwähnt. Absolut lesenswert! #tamet01


Axel Brauns: Buntschatten und Fledermäuse. Mein Leben in einer anderen Welt

Brauns schreibt sein Buch 2002 und es hat nichts an seiner Aktualität verloren. Nicht umsonst führt das Buch die Amazon-Verkaufscharts im Bereich Autismus seit vielen Jahren an.
Wie viele Autisten wählt auch Brauns häufig selbst erfunden Worte, die sehr poetisch klingen: So machte die "Haha" (Mutter) oft "Lippenlärm". Außerdem kann er sich sehr intensiv an seine Kleinkindzeit erinnern und wie er plötzlich autistisch wurde.
Er beschreibt ganz ausführlich wie er sich als Autist fühlt und warum er wie reagiert. Er hat kein Gefühl für seinen Körper, keinerlei Schmerzempfinden, was zur kuriosen Szenen beim Arzt führt.
Gesichter kann er nicht erkennen, sie "wabern". "Nebel aus den Augenauen verteilt sich auf dem Gesicht". Bei TV-Küssen muss er sich schmerzhaft abwenden, weil sich die Gesichter dabei scheußlich in einander verwölkten.
Größte Schwierigkeiten bereiten ihm übertragene Begrifflichkeiten wie zum Beispiel "Leseratte". Häufig versteht er Aussagen so grundsätzlich falsch, das er wesentliche Entscheidungen fälschlicherweise trifft (so er hört mit dem Fußballspielen auf, weil er denkt, er soll dort eingesperrt werden, dabei soll er nur in eine neue Mannschaft).
Sein liebstes Versteck ist sein hochgeklapptes Bett, was mich sehr an die Quetschmaschine von Temple Grandin erinnert hat.
Er beschreibt seinen Lebensweg bis in Studium hinein, wobei auch bei ihm die Pubertät eine besonders schwere Zeit darstellt: Waren für ihn früher Gespräche zwischen Menschen (Smalltalk) sehr rätselhaft, so sind sie nun „von einer anderen Welt“. Irgendwie ist es wichtig geworden, ob ein Mädchen gut aussieht – aber er erkennt keine Gesichter… So muss er seinen Bruder oder Freunde fragen, ob denn ein Mädchen gut aussieht – oder soll er das Mädchen selbst fragen, ob es gut aussieht? Und ob er eine Freundin hat… nun ja, wie soll er das wissen.
Mit 18 Jahren hofft er, endlich „vollständig“ zu werden....
Ein einzigartiges Buch – unbedingt lesen, wenn man Asperger-Autisten etwas besser verstehen möchte.

Cathleen Lewis: Mein Wunderkind. Eine Mutter, ihr autistischer Sohn und die Musik, die alles veränderte.

Es hört sich alles irgendwie typisch amerikanisch an, aber so ist es geschehen: Ein Model und erfolgreiche Börsenmaklerin bekommt ein Kind. Es ist blind. Wenig später stellt sich heraus: Es ist auch autistisch. Aus der erfolgreichen Geschäftsfrau wird eine Kämpferin für ihr Kind, eine echte Löwin, die sich überall einsetzt, mitarbeitet und engagiert. Der Mann verlässt sie, weitere Rückschläge folgen. Puhh, das muss man erst einmal verdauen. Dann schenkt der geschiedene Mann dem dreijährigen ein Keyboard. Es zeigt sich im Laufe der Zeit, das Rex ein musikalischer Savant ist, mit unglaublichen Fähigkeiten.
Die Mutter schreibt selbst über ihren Einsatz im Kindergarten, der Vorschule und den weiteren Stationen des Lebens von Rex. Was sie und Rex leisten, ist schwer beeindruckend und spannend zu lesen. Dabei steht nicht der „Savant Rex“ sondern das „Kind Rex“ im Vordergrund, erst später können seine Fähigkeiten zur gesellschaftlichen Integration genutzt werden. Aber das ist nicht selbstverständlich – sondern nur unter großem Einsatz der Mutter möglich.
Im Vergleich z. B. zu „Lieber Gabriel – die Geschichte meines autistischen Jungen“, einem ruhigen Buch das in den Weiten Norwegens spielt, findet man sich hier im lauten Amerika mit seinen zahlreichen Möglichkeiten wieder. Der weitere Weg von Rex wird spannend zu beobachten sein – entsprechende Filme und Beiträge findet man dazu hier auf meiner Website. #lewis

Rohde, Katja: Ich Igelkind

Puhh, ich wollte einfach mal "zwischendurch" eines der vor vielen Jahres sehr kontrovers diskutierten Bücher lesen. Aber das ist kein Buch für "zwischendurch", es ist absolut kompakt und dramatisch. Eine Mutter, die extrem engagiert ist (der Graus vieler Hilfseinrichtungen) und an ihr Kind glaubt. Als dann aber jemand die Intelligenz des Kindes mit 23 Jahren erkennt, will sie das nicht wahrhaben - bis sie es selbst erkennt und die wichtigste Stütze ihrer Tochter bei der "gestützten Kommunikation" wird. Das ist Dramatik pur auf den ersten Seiten. Meine Bewunderung gilt auch der Mutter, die ihr Leben dem unendlichen Einsatz für ihre Tochter verschrieben hat. Was für eine Stärke!
Dann beschreibt das Igel"kind" selbst ihr Innenleben. Sicherlich eine komplexe Wortwahl und nicht immer verständlich, mit dem Hintergrund liest es sich aber wie eine Offenbarung.
Das Thema FC (= Facilitated Communication = Gestützte Kommunikation) ist absolut faszinierend. Wie geht es mit dem Igelkind Katja Rohde weiter? Auf meiner Website sind Links zu Interwievs aus 2007 zu finden - und dann? Falls jemand etwas weiß, freue ich mich über einen Hinweis. Ein weiteres Buch war angekündigt (nicht nur der Gedichteband auf Französisch).
Ganz sicher lesenswert.#rohde

Sacks, Oliver: Eine Anthropologin auf dem Mars

In seinem Buch stellt Oliver Sacks sieben außergewöhnliche Menschen vor, die neurologisch relevante Befunde haben. Alles ganz ungewöhnliche und interessante Geschichten - wichtig war für uns der Bericht von Oliver Sacks über die Autistin Temple Grandin. Es ist eine überaus bereichernde Literatur, wenn man sich mit der Geschichte von ihr beschäftigt. Nicht nur der bekannte Neurologe Sacks hatte Zweifel an der Biografie von Temple und der folgenden, fast unglaublich erfolgreichen Lebensgeschichte. In seinem Bericht schildert er nun die Außensicht auf Temple Grandin - diesen Blick gab es bis zu dem Zeitpunkt noch nie. Allein deshalb lohnt es sich, dieses Buch zu lesen.
Sacks ging übrigens recht vorsichtig in die Begegnung und war trotzdem schon nach kurzer Zeit mittendrin: Inklusive eines Tests ihres Berührungsapparats, der "Quetschmaschine"....

Sellin, Birger: ich will kein inmich mehr sein.

Einblick in die hässliche Tiefe des Autismus: Birger hat Schreianfälle, beisst sich manchmal in die Hand, spricht nicht. Er hat Autismus, wird für schwer geistig behindert gehalten, obwohl die Entwicklung bis zum zweiten Lebensjahr normal verlief. Seine ersten 20 Lebensjahre werden im Überblick beschrieben.
Dann hört seine Mutter von der "unterstützten Kommunikation" und probiert das mit Birger aus. "Unterstützte Kommunikation" wird in der Regel mit FC abgekürzt (aus dem englischen für "Faciliated Communication") und bedeutet genau das: Eine Vertrauensperson unterstützt dabei, die Finger, später nur noch den Arm, zur Tastatur oder dem Buchstabenbrett zu führen. Manchmal ist auch nur die Berührung der Hand oder der Schulter ausreichend. Birger konnte darauf reagieren und begann zu schreiben. Ein Wunder für die Eltern und alle Betreuungspersonen.
Wie sich durch die mühselige Kommunikation herausstellte, hatte Birger sich Lesen schon mit fünf Jahren selbst beigebracht, beherrscht auch Englisch und hat eine eigene Sprache entwickelt. Viele Parallelen zu Katja Rohdes Ich Igelkind: Botschaften aus einer autistischen Welt.
Im Buch hat der begleitende Journalist sehr viele Texte von Birger ausgewählt, die vorrangig seine Entwicklung aufzeigen und einen beeindruckenden Bericht aus seiner Welt des Autismus liefern. Birgers Ziel ist es, Verständnis für alle Menschen mit Autismus zu schaffen und auf ihre Leiden aufmerksam zu machen um ihnen damit eine Möglichketi zu bieten, aus ihren unvorstellbaren Kerkern auszubrechen.
Die Texte sind unendlich berührend und zeugen von hoher Intelligenz.

Gagelmann, Hartmut: Kai lacht wieder

Ein frühes Plädoyer für grenzenlose Inklusion. Der 19jährige Hartmut muss seinen Zivlidienst ableisten und sucht sich dafür ein Wohnheim für behinderte Kinder aus. In den ersten drei Wochen wird er gefühlt um viele Jahre älter und nimmt fast 10 kg ab. Er beschreibt den Alltag im Wohnheim - schonungslos bis zur Ekelgrenze. Im Wohnheim für Kinder lernt er das autistische Kind Kai kennen - der ihn vor ungeahnte Herausforderungen stellt und an denen der von tiefstem Herzen engagierte Hartmut fast zerbricht.
Durch eine unkonventionelle Idee - die man im Fachdeutsch "paradoxe Intervention" nennen würde - beginnt die Wende...
Auch nach seinem Zivildienst bleibt er engagiert, verbringt sogar seinen Urlaub mit dem Kind. Ein ganz ehrliches Buch, eben nicht von einem studierten Fachmann, sondern von einem engagierten Menschen. Ein Mensch, der an vielen Stellen mehr leistet, als so mancher Fachmann bereit wäre zu tun. "Chapeau" für einen tollen Menschen, der in jungen Jahren sehr viel für den Rest seines Lebens gelernt und gefühlt hat.
Übrigens mit einem Vorwort von Wim Thoelke, der zu Recht den besonders gelungenen Schreibstil des Autors lobt.

 

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